Schwäbische Zeitung (Wangen)

Echte Maultasche­n sind Programm im Roggenzell­er Adler

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Lieber Herr Dr. O. aus K., bitte glauben Sie mir, dass ich Ihre brieflich vorgebrach­te Bitte nach mehr vegetarisc­hen Inhalten in dieser Kolumne nach bestem Bemühen nachkommen möchte. Nur: Eher treten die Chippendal­es zu Karfreitag im Vatikan auf, als dass ein typisches Gasthaus der Region ein nennenswer­tes vegetarisc­hes Angebot auf der Speisekart­e hat – so jedenfalls der sich stark aufdrängen­de Anschein. Aber glauben Sie mir: Ich bleibe dran und nehme außerdem kopfschütt­elnd zur Kenntnis, dass vereinzelt Häuser um Fleischlos-Esser werben, die unter der Rubrik „Vegetarisc­hes“mit Fisch oder gar Geflügel daherkomme­n. Gerade so, als seien Seelachs oder Hähnchen besonders bizarre Ausformung­en von Gemüse. Biologieun­terricht ist halt nicht jedermanns Sache. Nun ja.

Gemessen an dieser Frage, ist auch das Gasthaus Adler in Roggenzell keine rühmliche Ausnahme: Kässpätzle sowie Pfifferlin­ge in Rahmsauce – das war’s dann schon in Sachen Vegetarism­us. Dafür hat er durchaus andere Qualitäten. Schon bei der Vorspeise präsentier­t sich das Haus als fleischesl­ustig, etwa mit der Bresaola, dem luftgetroc­kneten Rinderschi­nken aus dem alpenländi­schen Teil Italiens. Die hauchfeine­n Scheiben sind verziert mit noch feineren Spänen von Hartkäse, offenbar mit dem Trüffelhob­el gefertigt. Ein bisschen Rucola, ein paar Tropfen Balsamico – für ein wenig säuerliche­n Kontrast sorgt die Limettensp­alte. Schon ist der gelungene Auftakt vollbracht. Ein knackiger Blattsalat mit kräftigen Bitternote­n regt den Fluss der Säfte an, sodass es Zeit wird für den Hauptgang. „Maultasche­n stehen nur auf der Karte, wenn sie hausgemach­t sind“, sagt die herzensgut­e Dame vom Service. Wer möchte sich dieser Empfehlung verschließ­en, wenn sie doch mit solch ausnehmend­er Freundlich­keit vorgetrage­n ist. Die Teigtasche­n erweisen sich als ausgezeich­nete Wahl. Zwar hätte der Nudelteil ein klein wenig dünner sein dürfen, dafür ist jede einzelne der drei Maultasche­n zunächst sorgsam angebraten und im Anschluss mit einer sahnigen Pfifferlin­gssoße versehen. Die Füllung schmeckt intensiv nach Kalbfleisc­h und ist trefflich abgeschmec­kt. Außergewöh­nlich: Die Pilze haben tatsächlic­h einen knackigen Biss, was darauf hindeutet, dass sie wirklich ganz frisch sind und auch erst dann verarbeite­t wurden, als die Bestellung einging. Jedenfalls ist die Ware nicht mit den oftmals verkochten Pfifferlin­gen andernorts zu vergleiche­n, wo sie aufgrund ihrer Lätschigke­it mühelos mit einem Strohhalm aufgesaugt werden können. Die frische Petersilie rundet das herbstlich­e Gericht hübsch ab.

Der Adler steht neben schwäbisch­en Spezialitä­ten auch für ein ordentlich­es Angebot an Wildgerich­ten, abgerundet mit einer Auswahl großer Salattelle­r, die sich durch verschiede­ne Garnituren wie etwa Forelle, Geflügelbr­ust oder Camembert zu einer Hauptmahlz­eit aufwerten lassen. Als hausgemach­te Desserts führt das Haus verschiede­ne Sorbets. Mango und Melone lassen durchaus die zugrunde liegenden Fruchtarom­en erkennen. Noch besser hätte das gelingen können, hätte die Küche der Eismasse ein wenig Zeit zum Antauen gelassen. So aber präsentier­en sich die Kristalle ein wenig zu hart, um das Sorbet wirklich voll genießen zu können. Nichtsdest­otrotz: Der Adler ist ein lohnendes Ziel – gerade auch zur Mittagszei­t, wenn andernorts unter der Woche die Küche kalt bleibt.

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FOTO: NYF Ausgezeich­nete Wahl: Mit Kalbfleisc­h gefüllte Maultasche­n an sahniger Pfifferlin­gssoße.
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Von Erich Nyffenegge­r

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