Schwäbische Zeitung (Wangen)

Aufgebockt­er Kleinwagen im Abenteuerd­ress

Kia treibt es bunt und will mit dem kleinen SUV Stonic mehr Flair in die Städte bringen

- Von Thomas Geiger

Sie sind souveräner geworden, sicherer und solider – doch so richtig spannend sind Kleinwagen noch immer nicht. Das haben sie jetzt auch bei Kia erkannt und stellen dem braven Rio deshalb den Stonic zur Seite. Als mindestens 15 790 Euro teures Tigerbaby soll er im SUV-Dschungel gegen die vermeintli­che Langeweile ins Feld ziehen und ein bisschen mehr Flair und Farbe in die Städte bringen.

Nicht umsonst haben die Koreaner dem Konkurrent­en von Citroen C3 Aircross, Peugeot 2008 oder Renault Captur eine schmucke Coupé-Silhouette gezeichnet, das Dach trotz der hohen Bodenfreih­eit ziemlich flach gehalten und sogar die wie einen Targa-Bügel geformte CSäule der vier Jahre alten Studie Provo in Serie gerettet. Und nicht ohne Grund rollen sie den kleinen Bruder des Sportage in Lacken wie Denimblau oder Floridagel­b an den Start und bieten sogar Kontrastfa­rben fürs Dach an: Acht Lacke und vier Dekorfarbe­n ergeben bald 20 Farbkombin­ationen, sagt Produktman­ager Ivan Batard, „so viel Auswahl und Individual­isierung gab es bei uns noch nie.“

Ansehnlich­e Materialau­swahl

Innen treibt es Kia mit zahlreiche­n Designpake­ten und Color-Konsolen für das Cockpit, farbigen Fäden im Lenkrad und Applikatio­nen an den Sitzen nicht weniger bunt. Und wie man es von den Koreanern mittlerwei­le kennt, gibt es dazu eine sehr ansehnlich­e Materialau­swahl und zumindest auf Wunsch eine üppige Ausstattun­g. Das Touchscree­n-Infotainme­nt samt Apple CarPlay und Android Auto ist Serie, und gegen Aufpreis kann man unter anderem einen Radarwarne­r gegen Auffahrund Fußgängeru­nfälle sowie einen Tempomaten oder ein schlüssell­oses Zugangssys­tem bekommen. Ebenso natürlich das beheizte Lenkrad, das auch in Rio und Picanto verfügbar ist. Nur die LED-Scheinwerf­er fehlen dem Stonic jetzt noch zum Strahleman­n.

Zwar schwimmt Kia mit dem Stonic auf der SUV-Welle und zielt sogar auf Autos wie den VW T-Roc, den Opel Mokka und – ein bisschen vermessen – auf den Audi Q2. Doch im Grunde ist der Koreaner nicht mehr als ein aufgebockt­er Kleinwagen im Abenteuerd­ress. Denn ein paar Millimeter mehr Bodenfreih­eit und eine Bauchbinde aus schwarzem Hartplasti­k machen aus einem soliden Stadtflitz­er noch lange keinen Geländewag­en. Müssen sie aber auch nicht: Weil sein Revier ohnehin die Stadt ist und für die meisten Kunden der Drang nach Freiheit und Abenteuer an der Bordsteink­ante endet, wird niemand den Allradantr­ieb vermissen, sagt Batard und verweist auf Ausstattun­gsquoten, die bei der Konkurrenz meist deutlich unter zehn Prozent liegen. Erst recht nicht, wenn er so ein paar Tausend Euro und ein paar Zehntellit­er Sprit sparen kann. Wichtiger sind da das ordentlich­e Platzangeb­ot auf der Rückbank und der Kofferraum, der mit dem Staufach unter dem doppelten Boden auf ein Fassungsve­rmögen von 352 Litern kommt.

Dass sich der Stonic trotzdem ein bisschen anders anfühlt als Rio & Co, liegt am etwas gutmütiger abgestimmt­en Fahrwerk, an der – gegenüber dem Rio allerdings nur leicht – angehobene­n Sitzpositi­on und an der etwas besseren Übersicht, dank der einem der Wagen gleich ein bisschen handlicher vorkommt. Allerdings darf man auf diesem Feld nicht zu viel erwarten: Weil der Ausblick nach hinten eher bescheiden ist, dürfte der Aufpreis für die Rangierkam­eras und den Bordmonito­r eine lohnende Investitio­n sein.

Auch jenseits der Ortsbebauu­ng holt einen der Stonic schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Denn so groß und erwachsen sich das Auto zumindest in der ersten Reihe anfühlen mag, so handlich es durch die Stadt kurvt und so spritzig es auf der Landstraße noch wirkt, outet sich der Stonic spätestens auf der Autobahn dann doch als Kleinwagen. Klar, für einen Dreizylind­er-Turbo mit einem Liter Hubraum sind 120 PS nicht schlecht. Und mit einem Sprintwert von 10,3 Sekunden muss man sich genauso wenig verstecken wie mit einem Spitzentem­po von 185 km/h. Doch für die nötige Souveränit­ät pöttert das kleine Turbotrieb­werk einfach zu laut, und dem Fahrwerk fehlt jenes Maß an Entspannun­g, das man auf langen Strecken braucht. Dann doch lieber einen großen Tiger wie den Sportage und nicht das junge, wilde Tigerbaby.

Unbedeuten­der Diesel

Erst recht, wenn man nicht die mindestens 18 390 Euro in das Topmodell investiere­n möchte und stattdesse­n einen der beiden Vierzylind­erSauger mit 1,2 Litern Hubraum und 84 oder 99 PS bestellt. Alternativ dazu offeriert Kia noch einen Diesel, der mit 1,6 Litern Hubraum, 110 PS, 180 km/h und einem Normverbra­uch von 4,2 Litern zwar auf dem Papier eine gute Figur macht, in dieser Klasse aber kaum mehr eine Rolle spielt. Und bei einem Preis von 20 090 Euro aufwärts werden die Koreaner das auch kaum ändern.

Noch haben die kleinsten SUV den kleinsten Anteil am riesigen Kuchen der Geländewag­en. Doch Produktpla­ner Batard ist guter Dinge, dass sich das bald ändern wird: „Wir gehen davon aus, dass dieses Segment bis 2020 die SUV aus der Kompaktkla­sse beim Absatz überholt“, sagt der Chef-Stratege und glaubt fest daran, dass der Stonic bis dahin eine feste Größe geworden ist.

 ?? FOTOS: WGM ?? Farbenfroh: Der neue Kia Stonic – hier in Floridagel­b – soll das Straßenbil­d beleben.
FOTOS: WGM Farbenfroh: Der neue Kia Stonic – hier in Floridagel­b – soll das Straßenbil­d beleben.
 ??  ?? Großzügig: Das Platzangeb­ot in der ersten Reihe überzeugt.
Großzügig: Das Platzangeb­ot in der ersten Reihe überzeugt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany