Aufgebockter Kleinwagen im Abenteuerdress
Kia treibt es bunt und will mit dem kleinen SUV Stonic mehr Flair in die Städte bringen
Sie sind souveräner geworden, sicherer und solider – doch so richtig spannend sind Kleinwagen noch immer nicht. Das haben sie jetzt auch bei Kia erkannt und stellen dem braven Rio deshalb den Stonic zur Seite. Als mindestens 15 790 Euro teures Tigerbaby soll er im SUV-Dschungel gegen die vermeintliche Langeweile ins Feld ziehen und ein bisschen mehr Flair und Farbe in die Städte bringen.
Nicht umsonst haben die Koreaner dem Konkurrenten von Citroen C3 Aircross, Peugeot 2008 oder Renault Captur eine schmucke Coupé-Silhouette gezeichnet, das Dach trotz der hohen Bodenfreiheit ziemlich flach gehalten und sogar die wie einen Targa-Bügel geformte CSäule der vier Jahre alten Studie Provo in Serie gerettet. Und nicht ohne Grund rollen sie den kleinen Bruder des Sportage in Lacken wie Denimblau oder Floridagelb an den Start und bieten sogar Kontrastfarben fürs Dach an: Acht Lacke und vier Dekorfarben ergeben bald 20 Farbkombinationen, sagt Produktmanager Ivan Batard, „so viel Auswahl und Individualisierung gab es bei uns noch nie.“
Ansehnliche Materialauswahl
Innen treibt es Kia mit zahlreichen Designpaketen und Color-Konsolen für das Cockpit, farbigen Fäden im Lenkrad und Applikationen an den Sitzen nicht weniger bunt. Und wie man es von den Koreanern mittlerweile kennt, gibt es dazu eine sehr ansehnliche Materialauswahl und zumindest auf Wunsch eine üppige Ausstattung. Das Touchscreen-Infotainment samt Apple CarPlay und Android Auto ist Serie, und gegen Aufpreis kann man unter anderem einen Radarwarner gegen Auffahrund Fußgängerunfälle sowie einen Tempomaten oder ein schlüsselloses Zugangssystem bekommen. Ebenso natürlich das beheizte Lenkrad, das auch in Rio und Picanto verfügbar ist. Nur die LED-Scheinwerfer fehlen dem Stonic jetzt noch zum Strahlemann.
Zwar schwimmt Kia mit dem Stonic auf der SUV-Welle und zielt sogar auf Autos wie den VW T-Roc, den Opel Mokka und – ein bisschen vermessen – auf den Audi Q2. Doch im Grunde ist der Koreaner nicht mehr als ein aufgebockter Kleinwagen im Abenteuerdress. Denn ein paar Millimeter mehr Bodenfreiheit und eine Bauchbinde aus schwarzem Hartplastik machen aus einem soliden Stadtflitzer noch lange keinen Geländewagen. Müssen sie aber auch nicht: Weil sein Revier ohnehin die Stadt ist und für die meisten Kunden der Drang nach Freiheit und Abenteuer an der Bordsteinkante endet, wird niemand den Allradantrieb vermissen, sagt Batard und verweist auf Ausstattungsquoten, die bei der Konkurrenz meist deutlich unter zehn Prozent liegen. Erst recht nicht, wenn er so ein paar Tausend Euro und ein paar Zehntelliter Sprit sparen kann. Wichtiger sind da das ordentliche Platzangebot auf der Rückbank und der Kofferraum, der mit dem Staufach unter dem doppelten Boden auf ein Fassungsvermögen von 352 Litern kommt.
Dass sich der Stonic trotzdem ein bisschen anders anfühlt als Rio & Co, liegt am etwas gutmütiger abgestimmten Fahrwerk, an der – gegenüber dem Rio allerdings nur leicht – angehobenen Sitzposition und an der etwas besseren Übersicht, dank der einem der Wagen gleich ein bisschen handlicher vorkommt. Allerdings darf man auf diesem Feld nicht zu viel erwarten: Weil der Ausblick nach hinten eher bescheiden ist, dürfte der Aufpreis für die Rangierkameras und den Bordmonitor eine lohnende Investition sein.
Auch jenseits der Ortsbebauung holt einen der Stonic schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Denn so groß und erwachsen sich das Auto zumindest in der ersten Reihe anfühlen mag, so handlich es durch die Stadt kurvt und so spritzig es auf der Landstraße noch wirkt, outet sich der Stonic spätestens auf der Autobahn dann doch als Kleinwagen. Klar, für einen Dreizylinder-Turbo mit einem Liter Hubraum sind 120 PS nicht schlecht. Und mit einem Sprintwert von 10,3 Sekunden muss man sich genauso wenig verstecken wie mit einem Spitzentempo von 185 km/h. Doch für die nötige Souveränität pöttert das kleine Turbotriebwerk einfach zu laut, und dem Fahrwerk fehlt jenes Maß an Entspannung, das man auf langen Strecken braucht. Dann doch lieber einen großen Tiger wie den Sportage und nicht das junge, wilde Tigerbaby.
Unbedeutender Diesel
Erst recht, wenn man nicht die mindestens 18 390 Euro in das Topmodell investieren möchte und stattdessen einen der beiden VierzylinderSauger mit 1,2 Litern Hubraum und 84 oder 99 PS bestellt. Alternativ dazu offeriert Kia noch einen Diesel, der mit 1,6 Litern Hubraum, 110 PS, 180 km/h und einem Normverbrauch von 4,2 Litern zwar auf dem Papier eine gute Figur macht, in dieser Klasse aber kaum mehr eine Rolle spielt. Und bei einem Preis von 20 090 Euro aufwärts werden die Koreaner das auch kaum ändern.
Noch haben die kleinsten SUV den kleinsten Anteil am riesigen Kuchen der Geländewagen. Doch Produktplaner Batard ist guter Dinge, dass sich das bald ändern wird: „Wir gehen davon aus, dass dieses Segment bis 2020 die SUV aus der Kompaktklasse beim Absatz überholt“, sagt der Chef-Stratege und glaubt fest daran, dass der Stonic bis dahin eine feste Größe geworden ist.