Eine Kabarettistin will die Ruhe bewahren
Luise Kinseher begeisterte Wangener Publikum mit ihrem Soloprogramm
WANGEN - Köstlich absurde Szenen und skurrile Ideen haben am Sonntag das Kleinkunstgeschehen in der ausverkauften Stadthalle bestimmt: Einen Abend lang schlüpfte Luise Kinseher in verschiedene Frauenrollen und forderte ein ums andere Mal dazu auf, die Ruhe zu bewahren. Das Publikum war hingerissen.
„Ich stelle heute Abend überhaupt keine Anforderungen an Sie“, begrüßt Luise Kinseher die fast enttäuscht dreinschauenden Gäste und eröffnet ihnen, dass es ihr lediglich darum ginge, einen entspannten Abend zu verleben. Und sie setzt noch eins drauf: „Wenn Sie schlafen wollen, dann schlafen Sie!“Doch allzu lange hält die als temperamentvoll bekannte Niederbayerin ihre selbstverordnete Grabesruhe nicht aus. Schließlich hat ihre Münchener Eigentumswohnung 1,3 Millionen Euro gekostet – und dieser Wahnsinn gehört mitgeteilt.
Obwohl Privates eigentlich nicht auf die Bühne gehört, fängt die 48Jährige doch damit an. Und zielt geradewegs auf eine Geschichte ab, die den Rahmen des Programms bildet: Als Single hat sie im Hotelfahrstuhl einen tollen Typen getroffen, den sie „im internationalen Kunsthandel“vermutet. Noch ehe sie im sechsten Stock ausstieg und er in den siebten (Himmel) weiterfuhr, hat sie ihm ihre Handynummer zustecken können. Nun wartet sie mit den Zuschauern auf seinen Anruf und hat Zeit, über Vergänglichkeit und Gegenwart zu sinnieren und über Geschlechterbeziehungen zu lästern.
„Früher sind die Leute schneller gealtert als heute, aber hatten auch mehr Zeit dazu“, ist eine von Luise Kinsehers philosophischen Überlegungen. Wie sie verkündet, in Wahrheit ein Landei zu sein, das nach frischem Weizen duftet. Der Ururgroßvater sei von seinem Einödhof zur Fuß nach München gegangen, nur um die aktuelle Zeit feststellen zu können, berichtet sie weiter. Seither sei es für ihn und seine Familie „immer halb drei Uhr“. Ob das absonderlich sei? „Keinesfalls“, sagt Kinseher, „Tradition gibt Orientierung und Halt!“
Ermahnung an die erste Reihe
Das Handy klingelt. Freude kommt auf. Doch es ist nur Freundin Babsi, die wissen will, wo sich Luise gerade aufhält. „Ich stehe auf der Bühne des Staatstheaters und nehme frenetischen Applaus entgegen“, ist die Antwort. Und die schauspielerprobte Kabarettistin setzt sich an den Tisch, rollt mit den Augen und bläst die Wangen auf: „Ja, ja!“
Weil die Besucher in der ersten Reihe nicht so wollen wie sie sollen, werden sie ermahnt: „Vorne sitzen und nicht mitspielen, das geht nicht!“Doch da ist Luise Kinseher schon in eine andere Rolle geschlüpft. Hier in die der bereits aus früheren Programmen bekannte „Mary from Bavary“, die nur mit einem Morgenmantel bekleidet und ihre Alkoholfahne vor sich hertragend zeigt, was im Yoga ein „herabschauender Hund“bedeutet. „Gnadenhof-Gymnastik“nennt sie selber ihr Rumgeturne. Auch das „Walden“– äh, das Walken – mag sie nicht. Mary geht lieber ins Bierstüberl!
Luise Kinseher hat auch wieder die norddeutsche Quasselstrippe Helga Frese mitgebracht, deren Mann Heinz inzwischen völlig dement ist und sich nichts mehr merken kann. „Dieser Mann braucht eine starke Hand“, sagt Helga und ist sich nicht zu schade, den Ort ihres Kennenlernens preiszugeben: „Es war in einer Damentoilette!“
Dass auch sie Gedächtnislücken hat, beweist Frau Frese singend: „Es war am 7. Mai, damals ist’s gescheh’n, es ist schon lange her … Es war am 7. Mai, dieser Tag wie legendär – doch was da gewesen ist, das weiß ich nicht mehr.“
Nachdem Kinseher ihre Aufzugsbekanntschaft als vermeindlichen „verheirateten, rechtsradikalen Waffenhändler“verflucht hat, nachdem sie die ganze Begegnung schon als eingebildet und „in einer anderen Dimension geschehen“hinstellen will, „wo es keinen Klimawandel und auch keine CSU gibt“, ein Aufschrei des Entzückens. Plötzlich hat sie keine Zeit mehr, sie muss zu ihrem Date. Um das Publikum schnell loszuwerden, trällert die freudig Erregte ein schaurig-schönes Liedchen und sagt: „Nach diesem Lied wollen Sie nur noch ins Bett!“
Pech, denn nun betritt Charly Laible die Bühne und legt der Kabarettistin die Ehrung von Maria und Alfred Neumann ans Herz. „25 Jahre Kleinkunst sind aller Ehren wert“, sagt Laible – und das findet auch Luise Kinseher.