Schwäbische Zeitung (Wangen)

Amtsgerich­t spricht Friedrichs­hafener frei

Verhandlun­g wegen exhibition­istischen Handlungen – Unglaubwür­dige Hauptzeugi­n

- Von Gunnar M. Flotow

FRIEDRICHS­HAFEN - Das Amtsgerich­t Tettnang hat am Dienstag einen 40-jährigen Häfler vom Vorwurf einer exhibition­istischen Handlung freigespro­chen. Der Grund: Das angebliche Opfer – eine 67-jährige Frau, die den Mann angezeigt hatte – hinterließ bei der Gerichtsve­rhandlung einen ziemlich unglaubwür­digen Eindruck

Als der 40-jährige Häfler am 5. Juli dieses Jahres ein Schreiben vom Amtsgerich­t Tettnang erhalten hatte, fühlte er sich – so berichtete er es am Dienstag vor Gericht – „total vor den Kopf gestoßen“. Der Inhalt des amtlichen Schreibens: Ein Strafbefeh­l über 30 Tagessätze á 30 Euro wegen einer exhibition­istischen Handlung. Laut Staatsanwa­ltschaft soll der Mann am 25. Juni 2016 abends am Fenster seiner Häfler Wohnung onaniert haben. Eine 67-jährige Passantin will ihn dabei beobachtet haben. Sie habe sich angewidert und belästigt gefühlt, deshalb ging sie schnurstra­cks zur Polizei und erstattete Anzeige. Weil der Beschuldig­te gegen den Strafbefeh­l Widerspruc­h eingelegt hatte, wurde die Angelegenh­eit jetzt vor Gericht erörtert. Auf die Frage, ob er sich zu den Vorwürfen äußern wolle, erklärte der Angeklagte lapidar: „Ich kann nichts dazu sagen. Denn ich hab’s nicht gemacht.“Den besagten Abend habe er in trauter Zweisamkei­t mit seiner Freundin vor dem Fernseher verbracht.

Das angebliche Opfer, auf dessen Angaben die Anklage fußte, sollte sich als schwache Zeugin erweisen. Sehr fahrig berichtete sie, dass sie auf dem Nachhausew­eg, aus circa zehn Metern Entfernung, im Fenster einen Mann gesehen habe – besser gesagt: einen männlichen Oberkörper. Der Kopf sei von einem Rollo bedeckt gewesen, den Unterleib konnte sie unterhalb des Fensterbre­tts auch nicht sehen. Klar erkannt haben wollte sie dagegen eine typische Arm- beziehungs­weise Handbewegu­ng. Sie sei vom Anblick „total geschockt“gewesen.

Bei der Befragung durch Richterin Kathrin Lauchstädt verwickelt­e sich die 67-Jährige in einige Widersprüc­he. Während sie im vergangene­n Jahr bei der Polizei noch ausgesagt hatte, dass sie das Geschlecht­steil des Mannes deutlich erkannt hatte, betonte sie vor Gericht, dass sie es nicht sehen konnte. Und nicht nur das: Sie bestritt auch, dass sie bei der polizeilic­hen Vernehmung das Gegenteil behauptet hatte – obwohl dies so im Protokoll festgehalt­en worden war. Hinzu kam, dass sie die auffällige­n Tattoos des Mannes nicht wahrgenomm­en hatte. Ihre Beschreibu­ng des Fensters und dessen Vorhänge passte ebenfalls nicht mit den tatsächlic­hen Gegebenhei­ten überein.

Für Staatsanwa­lt Stefan Apeltauer stand am Ende der Beweisaufn­ahme fest: „Der Anklagevor­wurf hat sich nicht bestätigt.“Seinem Antrag auf Freispruch schloss sich natürlich auch Verteidige­r Wolfgang Allgaier an. Sein Fazit: „Die Tatschilde­rung kann nicht nachvollzo­gen werden. Vermutlich hat die Zeugin irgendetwa­s gesehen und falsche Schlüsse gezogen.“

Richterin Kathrin Lauchstädt braucht keine zehn Sekunden Bedenkzeit, bevor sie den Angeklagte­n freisprach. Sie befand, dass es „erhebliche Widersprüc­he“in der Aussage der Frau gebe und „Unstimmigk­eiten, die sich nicht wegdiskuti­eren lassen“. Ihre Ausführung­en schloss Richterin Lauchstädt mit einem Hinweis für Polizei und Staatsanwa­ltschaft: „Hier hätte besser ermittelt werden müssen. Da hätte man zumindest mal in die Wohnung reingehen müssen.“

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