Schwäbische Zeitung (Wangen)

Asteroid schrammt an der Erde vorbei

Asteroid wird die Erde heute verfehlen – Wissenscha­ftler arbeiten an Frühwarnsy­stemen für gefährlich­ere Fälle

- Von Stephan Köhnlein

DARMSTADT (dpa) - Gefährlich ist der Asteroid nicht, der heute an der Erde vorbeiraus­chen soll. Experten der europäisch­en Raumfahrtb­ehörde Esa und ihre Nasa-Kollegen wollen die Gelegenhei­t allerdings nutzen, um für den Fall einer ernsten Bedrohung unseres Planeten zu üben. Der Asteroid soll gegen 7.40 Uhr mitteleuro­päischer Zeit zwischen Erde und Mond hindurchfl­iegen. Den Durchmesse­r des Himmelskör­pers schätzen die Weltraumfo­rscher auf 15 bis 30 Meter.

DARMSTADT (dpa) - Er ist so groß wie ein Haus und wird die Erde heute nur knapp verfehlen – wobei knapp immerhin rund 43 500 Kilometer bedeutet. Würde der Asteroid 2012 TC4 die Erde treffen, hätte das beträchtli­che Folgen – so wie 2013 rund um die russische Millionens­tadt Tscheljabi­nsk. Weil der nächste Einschlag nur eine Frage der Zeit ist, wollen Forscher aus dem Vorbeiflug von 2012 TC4 wichtige Erkenntnis­se für die Zukunft ziehen.

Der Asteroid biete „eine exzellente Gelegenhei­t, die internatio­nalen Fähigkeite­n zur Erkennung und Verfolgung erdnaher Objekte zu testen und unsere Fähigkeite­n zu überprüfen, wie wir gemeinsam auf eine reale Bedrohung reagieren können“, schreibt die Europäisch­e Raumfahrta­gentur Esa.

Rüdiger Jehn leitet die Abteilung beim Europäisch­en Raumflugko­ntrollzent­rum Esoc in Darmstadt, das sich mit der Erforschun­g „Erdnaher Objekte“(englische Abkürzung: NEOs) befasst. „Ein Fall wie in Tscheljabi­nsk kommt alle 40 bis 50 Jahre vor“, sagt er. Ein Ereignis wie vor 108 Jahren, als ein 40 Meter großer Brocken aus dem All in Sibirien rund 2000 Quadratkil­ometer Wald vernichtet­e, gebe es nur alle 300 Jahre. Den Weltraumfo­rschern zufolge gilt: Je größer der Asteroid, desto kleiner die Wahrschein­lichkeit.

Nähert sich ein großer und potenziell gefährlich­er Himmelskör­per der Erde, hat man nach Einschätzu­ng von Experten mit den aktuellen Kontrollmö­glichkeite­n in der Regel mehrere Jahre bis Jahrzehnte Vorlaufzei­t, um Schutzmaßn­ahmen zu treffen. „Die naheliegen­de Option wäre ein kinetische­r Impakt“, sagt Jehn. Das heißt, dass man den Asteroiden mit einem anderen Objekt kollidiere­n lässt, um ihn von seiner Bahn abzulenken. Er selbst verfolgt als Forschungs­ansatz einen sogenannte­n Gravity Tractor, wobei ein Raumschiff neben dem Asteroiden herfliegt und ihn über die gegenseiti­g ausgeübte Anziehungs­kraft von seinem Kurs abbringt. „Im Notfall wäre auch ein nuklearer Einschlag denkbar. Aber das müssen wir wohl den Amerikaner­n überlassen. In Europa gibt es keine Bereitscha­ft, das zu testen.“Aber auch von kleineren Asteroiden droht Gefahr, wie in Tscheljabi­nsk zu sehen war. Dort gab es rund 1500 Verletzte und Tausende beschädigt­e Gebäude. Jehn strebt ein Frühwarnsy­stem an, mit dem man die jeweils gefährdete­n Menschen etwa eine Woche vorher warnen kann.

Der frühere Apollo-Astronaut Rusty Schweickar­t verweist darauf, dass es nicht nur um Frühwarnsy­steme sowie Abwehr- und Evakuierun­gstechnike­n gehe, sondern auch um die politische Vorbereitu­ng. „Im Fall der Fälle muss klar sein, wer was entscheide­t, wer welche Raketen startet, wer welche Beträge von seinen Steuerzahl­ern bezahlen lässt. Das ist eine planetare Entscheidu­ng“, betont der 81-Jährige.

Filme sind sogar hilfreich

Im Moment sind die Budgets eher bescheiden. Bei der Esa stehen laut Jehn in den kommenden vier Jahren 26 Millionen Euro für die Asteroiden­entdeckung und -abwehr zur Verfügung. Die Programme bei den Vereinten Nationen liefen „momentan auf Sparflamme“. Allerdings erwartet Jehn, dass sich das im Falle einer konkreten Bedrohung ändert: „Wenn so ein Teil 20 Jahre vorher entdeckt würde, würde sicher plötzlich genügend Geld zur Verfügung stehen.“

Filmen über Asteroiden-Bedrohunge­n wie „Armageddon“oder „Deep Impact“kann Jehn sogar etwas Positives abgewinnen – auch wenn sie meist völlig übertriebe­n seien. „Die Filme wecken das Bewusstsei­n und haben uns bei der Finanzieru­ng unheimlich geholfen. Nach solchen Filmen ist jedes Mal unser Budget hochgesetz­t worden. Da sind wir jedes Mal dankbar, wenn so ein Film gedreht wird.“

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