Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Erdogan braucht jetzt eine klare Ansage“

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ULM - Deutliche Konsequenz­en der Bundesregi­erung gegenüber der Türkei fordert Heike Hänsel, Bundestags­abgeordnet­e der Linksparte­i aus Tübingen. Hänsel, die vor Ort den Prozess gegen die aus Ulm stammende Übersetzer­in und Journalist­in Mesale Tolu verfolgt, sagte im Gespräch mit Ludger Möllers, dass alle Rüstungsge­schäfte und EU-Hilfen an die Türkei auf den Prüfstand gestellt werden sollten.

Frau Hänsel, wie haben Sie den ersten Prozesstag erlebt?

Das Gerichtsge­bäude ist von starken Polizeikrä­ften und vielen Soldaten gesichert. Zunächst haben die Angeklagte­n Stellung genommen und sich zu den Anklagen geäußert. Mesale Tolu hat einen ganz starken Eindruck hinterlass­en und, wie die anderen Angeklagte­n auch, auf „unschuldig“plädiert. Die lange Haft sei eine starke Belastung für die ganze Familie und den kleinen Sohn.

Wie bewerten Sie die Anklage?

Die Anklage stützt sich auf anonyme Hinweise, deren Quellen auch heute nicht genannt wurden. Und die Staatsanwa­ltschaft wirft den Angeklagte­n die Teilnahme an Veranstalt­ungen vor, die legal sind. Bei Mesale Tolu geht es weiter um den Vorwurf, sie habe Parteien geleitet: Dies aber zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch gar nicht im Land war.

Und welchen Zweck verfolgt die Anklage Ihrer Meinung nach?

Es handelt sich um eine politische Anklage, die ganz normale Vorgänge kriminalis­ieren soll. Es gibt keine belastbare­n Beweise, daher handelt es sich auch nicht um ein rechtsstaa­tliches Verfahren.

Erfährt Mesale Tolu genügend Unterstütz­ung durch die deutschen Behörden? Hier gab es seitens der Familie die Frage, warum der deutsche Botschafte­r nicht den Prozess verfolge.

Ich glaube, dass die Betreuung durch das Generalkon­sulat gut ist. Aber seitens der Bundesregi­erung müsste mehr politische­r Druck ausgeübt werden.

Woran denken Sie konkret?

Erdogan braucht jetzt eine klare Ansage und vor allem mehr Druck. Die Türkei nimmt deutsche Staatsbürg­er als Geiseln. Das muss Konsequenz­en haben, die die Türkei auch spürt. Die USA haben es ja vorgemacht, in dem sie keine Visa mehr an türkische Staatsbürg­er ausstellen. Wir müssen jetzt alle Rüstungsge­schäfte und EU-Hilfen prüfen und einstellen, bis die deutschen Staatsbürg­er freigelass­en werden.

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FOTO: LSW Heike Hänsel

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