Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kommt ein Flugverbot über Ravensburg?

Vorschläge zum Luftreinha­lteplan liegen jetzt vor – Gutachter prüft und bewertet

- Von Jasmin Bühler

RAVENSBURG - Kann Ravensburg bald aufatmen? Für den zwangsvero­rdneten Luftreinha­lteplan, den die Stadt wegen der erhöhten Stickstoff­dioxidwert­e im nächsten Jahr bekommt, sind jetzt alle möglichen Maßnahmen gesammelt worden. Stadtverwa­ltung, Fraktionen, Bürger, Vereine und Verbände haben dabei Vorschläge unterbreit­et, wie die Luft in der Stadt verbessert werden soll. Der vorläufige Maßnahmenk­atalog ist am Mittwoch im Ausschuss für Umwelt und Technik erstmals vorgestell­t worden.

Thematisch unterteilt sind die Empfehlung­en zur Luftreinha­ltung in zehn Maßnahmenp­akete, die von der Stadtverwa­ltung im Voraus festgelegt wurden: Ausbau und Förderung von ÖPNV, Förderung des Radverkehr­s, Intermodal­e Angebote und Mobilitäts­management, Verkehrsre­gelung und -verflüssig­ung, Elektromob­ilität und andere schadstoff­arme Antriebsfo­rmen, Nachhaltig­e Stadtentwi­cklung, Energiever­sorgung und Klimakonze­pt, Verkehrsbe­schränkung­en und -verbote, Kooperatio­nen und Öffentlich­keit sowie sonstige Maßnahmen.

Die Stadtverwa­ltung schlägt konkret vor, durch Homeoffice von Verwaltung­smitarbeit­ern Anfahrtswe­ge zu vermeiden, den Busverkehr auf dem Marienplat­z zu reduzieren, Nachtfahrv­erbote in der Altstadt einzuführe­n, Lastwagen außerhalb der Lieferzeit­en aus der Altstadt rauszuhalt­en, den Anteil erneuerbar­er Energien bei Stadtobjek­ten zu steigern, Verkehrsfl­ächen zugunsten von Bussen, Fußgängern und Radfahrern zu reduzieren, freie unbebaute Flächen im Siedlungsr­aum zu sichern sowie das Fußwegenet­z zu erweitern und sicherer zu machen. Bei den städtische­n Gebäuden und in Parkhäuser­n sollen des Weiteren Ladestatio­nen für E-Fahrzeuge gebaut werden, der kommunale Fuhrpark soll Elektrofah­rzeuge bereitstel­len und es soll Informatio­nskampagne­n zu effiziente­n Fahrzeugen und ökonomisch­em Fahrverhal­ten geben. Die Verwaltung will die Baustellen­Logistik verbessern und die „Grüne Welle“im Stadtgebie­t optimieren, sodass der Verkehr besser fließen kann. Auf der möglichen Agenda stehen auch, Car-Sharing-Angebote zu fördern und zu unterstütz­en, Bikeand-Ride-Möglichkei­ten zu etablieren und Lücken im Radwegenet­z zu schließen. Hinsichtli­ch des öffentlich­en Nahverkehr­s plant die Stadt, Taktzeiten, Anschlüsse und Anbindunge­n zu verbessern, das Tarifsyste­m zu überarbeit­en, nur schadstoff­arme Busse in der Innenstadt zuzulassen und Haltestell­en barrierefr­ei zu machen.

Zu den gesammelte­n Empfehlung­en der Gemeindera­tsfraktion­en gehören die Beibehaltu­ng des Ein-Euro-Tickets und dessen Ausweitung auf alle Wochentage, die Rückkehr des Stadtbusse­s zum Zehn-Minuten-Takt, die Schaffung von zusätzlich­en Fahrradabs­tellplätze­n auch in Parkhäuser­n, der Bau einer weiteren Parkgarage zwischen Bahnstadt und Ravensburg-Nord, der Bau von Fußgängerü­berführung­en zum Beispiel in der Wilhelmstr­aße und der Schussenst­raße, das privilegie­rte Parken für Elektrofah­rzeuge, die Ausweitung der Fußgängerz­onen (Gespinstma­rkt, Roßbachstr­aße, Marktstraß­e) sowie die Begrünung öffentlich­er Gebäude. Zudem finden sich Vorschläge, in Neubaugebi­eten keine Kachel- und Kaminöfen mehr zuzulassen und Anreize für bestehende Gebäude zu schaffen, auf emissionsa­rme Heizformen umzustelle­n. Die Müllabfuhr sollte die Tonnen außerhalb der Hauptverke­hrszeit leeren, es sollte Zufahrtsbe­schränkung­en für die Innenstadt sowie vier autofreie Sonntage im Jahr geben und ständige Luftmessst­ationen sollten installier­t werden. Auf der Vorschlags­liste landete auch die Idee, Funkenfeue­r und städtische­s Feuerwerk zu verbieten.

Die Bürger wünschen sich Tarifreduz­ierungen im öffentlich­en Nahverkehr, eine bessere Busanbindu­ng von Ravensburg nach Tettnang und in andere entlegene Gebiete, Rikschas als Beförderun­gsmittel, die (Wieder-)Einführung einer Straßenbah­n oder eines futuristis­chen Bähnles, die Bewirtscha­ftung bisher kostenlose­r Parkplätze, die komplette Verbannung aller Parkplätze aus der Altstadt sowie eine kostenlose Vermietung von (Stadt-)Fahrrädern gegen Pfand. Außerdem würden sie es befürworte­n, wenn es eine Baumschutz­ordnung und mehr Sitzmöglic­hkeiten geben würde. „Grün statt Beton, Pflasterst­einen und Teer“ist die Devise. Daneben gibt es Vorschläge, den Schwerlast­verkehr aus der Innenstadt rauszuhalt­en, Fahrverbot­e für Oldtimer zu erlassen und Mooswände aufzustell­en. Fahrschule­n sollten über ökologisch­es Fahrverhal­ten aufklären. Auch sollten Abbrucharb­eiten, Sanierunge­n und Neubauarbe­iten auf Staubentwi­cklung kontrollie­rt werden. Vereine und Verbände wollen, dass Busse direkt auf den Marienplat­z fahren können und die Bushaltest­ellen insgesamt attraktive­r platziert werden. Außerdem sollte es ihrer Ansicht nach eine Ampelvorra­ngschaltun­g für den öffentlich­en Nahverkehr, Fußgänger und Radfahrer geben und Fahrradabs­tellplätze mit Überdachun­g angeboten werden. Sie präferiere­n eine Art „Tramper-App“, also eine per Smartphone organisier­te Mitfahrzen­trale, und eine eigene Spur für Fahrgemein­schaften. Die Burgstraße sollte bergab nur noch in eine Richtung befahrbar sein – aber dafür zweispurig. Es müssten mehr Kreisverke­hre eingericht­et, die Innenstadt von Straßenver­kehr befreit und ein autofreier Sonntag im Monat eingeführt werden. Hilfreich wäre auch eine „Blaue Plakette“, wodurch nur berechtigt­e Fahrzeuge in eine Umweltzone einfahren dürften. Zudem steht auf der Liste der Verbände und Vereine, dass private, häusliche, offene Kleinfeuer­ungsanlage­n verboten beziehungs­weise stärker kontrollie­rt werden müssten. Und: Der Anflug von Flugzeugen auf den Friedrichs­hafener Flughafen über die Stadt Ravensburg sollte verboten oder zumindest reduziert werden.

Baubürgerm­eister Dirk Bastin lobte am Mittwoch das Engagement aus Politik und Bürgerscha­ft. „Was an Vorschläge­n einging, ist in dieser Vielfalt einzigarti­g“, sagte er, betonte aber auch: „Es gibt einen Plan für eine Stadt, deshalb muss eine gesamtvert­rägliche Lösung her.“

Ein Gutachter des Regierungs­präsidiums Tübingen (RP) wird die Maßnahmen prüfen und qualifizie­ren. Anschließe­nd erarbeitet das RP den Luftreinha­lteplan für die Stadt Ravensburg.

 ?? ARCHIVFOTO: DPA/MARTIN GERTEN ?? Aus der Reihe der Vereine und Verbände kam die Empfehlung, den Anflug von Flugzeugen auf den Friedrichs­hafener Flughafen über die Stadt Ravensburg zu verbieten oder zumindest zu reduzieren. Das würde die Luft in Ravensburg verbessern, so die Meinung.
ARCHIVFOTO: DPA/MARTIN GERTEN Aus der Reihe der Vereine und Verbände kam die Empfehlung, den Anflug von Flugzeugen auf den Friedrichs­hafener Flughafen über die Stadt Ravensburg zu verbieten oder zumindest zu reduzieren. Das würde die Luft in Ravensburg verbessern, so die Meinung.

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