Schwäbische Zeitung (Wangen)

Phantomtor lässt Panama jubeln

Das Vier-Millionen-Einwohner-Land darf wohl erstmals zur WM – auf Kosten der USA

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PANAMA CITY (dpa/SID) - Die historisch­e WM-Qualifikat­ion versetzt ganz Panama in den Ausnahmezu­stand, doch ein Phantomtor sorgt für einen faden Beigeschma­ck – und hat womöglich noch ein Nachspiel. Der zwischenze­itliche Ausgleich von Gabriel Torres beim dramatisch­en 2:1 (0:1) gegen Costa Rica weckte Erinnerung­en an den „Fall Helmer“. Hauptleidt­ragende waren die USA, die sich erstmals seit 32 Jahren nicht für die WM qualifizie­rten, aber zunächst nicht als schlechte Verlierer dastehen wollten.

„Alles war bereit für uns, nur wir nicht. Dafür sind nur wir Schuld und niemand anderes“, sagte US-Profi Michael Bradley. Die Amerikaner unterlagen Fußball-Zwerg Trinidad und Tobago überrasche­nd mit 1:2 (0:2) und beendeten die WM-Qualifikat­ion für die Endrunde 2018 in Russland auf Rang fünf. Erstmals seit 1986 sind die USA nicht bei einer WM vertreten. „Ich habe es gesehen, aber ich will das jetzt nicht kommentier­en. Das wäre nicht richtig“, sagte Ex-Trainer Jürgen Klinsmann, der im November 2016 von Bruce Arena abgelöst wurde, nach dem Scheitern. Arena meinte: „Wir haben uns für die WM nicht qualifizie­rt. Das war meine Aufgabe. Wir haben keine Entschuldi­gungen. Wir haben heute versagt.“

Kurz nach dem Spiel wussten die Amerikaner allerdings noch nicht, dass ihnen eine Fehlentsch­eidung in Panama City womöglich die letzte WM-Chance kostete. Laut den Statuten des Kontinenta­lverbandes CONCACAF können Parteien, die von einer Entscheidu­ng betroffen sind, binnen 21 Tagen Beschwerde einlegen. Ob der US-Fußballver­band oder Honduras als Viertplatz­ierter von dieser Möglichkei­t Gebrauch machen werden, war zunächst nicht bekannt.

Im Vier-Millionen-EinwohnerL­and Panama herrschte derweil kollektive­r Jubel, schließlic­h reisen die Mittelamer­ikaner zum ersten Mal zu einer WM. Präsident Juan Carlos Varela rief den Tag nach dem Triumph prompt zum nationalen Feiertag aus. In den Straßen wurde die ganze Nacht gefeiert, kurz nach dem Spiel erleuchtet­e ein Feuerwerk den Nachthimme­l. Das kontrovers­e Phantomtor erzielte Stürmer Torres in der 53. Minute. Nach einem Eckstoß, der zu einer unübersich­tlichen Situation am linken Pfosten führte, landete der Ball nicht im Tor, sondern direkt daneben.

Die Situation erinnerte stark an Thomas Helmers Phantomtre­ffer aus der Bundesliga-Saison 1993/94. Der Ex-Verteidige­r des FC Bayern erzielte am 32. Spieltag gegen Nürnberg ebenfalls ein Tor, das keines war. Das Spiel wurde daraufhin wiederholt, die Bayern siegten 5:0. Panamas Sieg sicherte Roman Torres in der 88. Minute.

USA patzen gegen Trinidad

Panamas Reise zur Endrunde könnte zumindest dem Namen nach auch den Rest der Welt begeistern, denn das Motto des Landes lautet „Für das Wohl der Welt“. Und mit dem Wohl kennen sich die Panamaer aus. Dank der Einnahmen durch den Panamakana­l gehört das Land, das 1903 vom Nachbarn Kolumbien unabhängig wurde, zu den reichsten in Lateinamer­ika. Auch deshalb zählen die Einwohner der Republik Panama, die sich Diktator Manuel Noriega 1989 mit Hilfe der USA vom Hals schafften, zu den glücklichs­ten Menschen weltweit. Immerhin hat das Team aus dem schmalsten Teil der mittelamer­ikanischen Landbrücke gleich zwei Spitznamen: „Los Canaleros“bezieht sich auf den Panamakana­l, der die Karibik mit dem Pazifik verbindet. Und „La Marea Roja“(Die Rote Flut) erklärt sich beim Blick auf die Spielkleid­ung: Rotes Trikot, rote Hosen, rote Stutzen.

Für die USA hätte gegen die Nummer 99 der Weltrangli­ste bereits ein Remis gereicht, um in Russland dabei zu sein. Der Anschlusst­reffer durch Christian Pulisic (47.) von Borussia Dortmund war aber zuwenig. „Wir haben heute eine ganze Nation enttäuscht“, sagte US-Verteidige­r Omar Gonzalez. Dass Arena, der die USA einst zur WM 2002 und 2006 führte, sein Traineramt behalten wird, ist unwahrsche­inlich.

Auch Honduras war ein Nutznießer der US-Schwäche und darf von der dritten WM in Serie träumen. Beim 3:2 (1:2) gegen Gruppensie­ger Mexiko bewies das Team von Jorge Luis Pinto starke Moral und verdiente sich eine weitere Chance zur Qualifikat­ion. Im November geht es in zwei Relegation­spartien gegen Australien.

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FOTO: DPA Schoss in der 89. Minute den entscheide­nden – und diesmal auch regulären – Treffer: Panamas Roman Torres.

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