Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wahlsieger Weil muss neue Mehrheit finden

SPD in Niedersach­sen vorn – Verluste für Koalitions­partner Grüne – CDU schwach

- Von Sabine Lennartz

HANNOVER/BERLIN (sal) - Die SPD unter Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) hat in Niedersach­sen einen Wahlerfolg errungen. Sie verwies die CDU deutlich auf Platz zwei, auch die Grünen und die FDP mussten Einbußen hinnehmen. Die Linken verpassten den Einzug in den Landtag, die AfD schaffte den Sprung ins Landesparl­ament.

Ministerpr­äsident und Wahlsieger Stephan Weil sprach von einem „fulminante­n Erfolg“für die SPD: „Wir können zum ersten Mal seit der letzten Landtagswa­hl mit Gerhard Schröder vor 19 Jahren wieder die stärkste Fraktion im Landtag werden, das ist großartig.“Bis zuletzt war aber unklar, ob es erneut für eine rot-grüne Regierungs­mehrheit in Hannover reicht. Die bisherige EinStimmen-Mehrheit war durch den Wechsel der grünen Abgeordnet­en Elke Twesten zur CDU verloren gegangen. Rechnerisc­h möglich sind eine Ampelkoali­tion, ein JamaikaBün­dnis und die Große Koalition.

Ministerpr­äsident Weil empfahl schon am frühen Abend, erst mal eine Nacht über das Ergebnis zu schlafen. SPD-Chef Martin Schulz freute sich über den „großartige­n Sieg für die Niedersach­sen-SPD und Stephan Weil“. Die Kampfkraft der SPD sei ungebroche­n, sagte Schulz. CDUGeneral­sekretär Peter Tauber sagte, die SPD habe den Regierungs­auftrag erhalten, die CDU stünde aber zu Gesprächen bereit.

CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer bezeichnet­e das Ergebnis als „erneutes Alarmsigna­l für die gesamte Union“. Der Grüne Jürgen Trittin meinte, die Jamaika-Verhandlun­gen, die in dieser Woche in Berlin beginnen werden, würden durch die Schwäche der CDU nicht einfacher werden.

BERLIN - So laut haben SPD-Parteichef Martin Schulz und sein Vize Ralf Stegner schon lange nicht mehr gelacht. Im Willy-Brandt-Haus in Berlin wird um die Wette gestrahlt. „Sie sehen einen glückliche­n Niedersach­sen“, sagt SPD-Generalsek­retär Hubertus Heil. „Das ist ein großartige­r Sieg für die Niedersach­sen SPD und Stephan Weil“, freut sich Martin Schulz und Ralf Stegner meint, der Sieg in Niedersach­sen sei „auch ein Brustlöser“für die Bundes-SPD.

Der erste Wahlerfolg nach den Verlusten der SPD im Saarland, in Schleswig-Holstein, nach der besonders bitteren Niederlage in Nordrhein-Westfalen und der Bundestags­wahl lässt die Genossen an diesem Abend jubeln. Nach jeder verlorenen Wahl hatte sich Schulz abends im Willy-Brandt-Haus tapfer gezeigt. Jedes Mal betonte er, dass man sich ein anderes Ergebnis gewünscht hätte und es nichts zu beschönige­n gebe.

„Wenn Niedersach­sen auch noch schiefgeht, ist Schulz weg“, solche und ähnliche Einschätzu­ngen musste der Parteichef in den letzten Wochen ertragen. Denn der zuletzt glücklose SPD-Chef hatte die Erwartunge­n weit verfehlt. Der Sieg in Hannover stärkt ihn. „Martin Schulz ist und bleibt Pateivorsi­tzender“, stellt Fraktionsc­hefin Andrea Nahles am Abend fest.

„Die Basis hängt an Schulz“, hat Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil schon im Wahlkampf zu bedenken gegeben. Bis zuletzt hatten sowohl Angela Merkel als auch SPD-Chef Martin Schulz in Niedersach­sen gekämpft. Schulz hatte die Wähler aufgerufen, Weils Regierung zu verteidige­n. Die Wähler würden korrigiere­n, was fälschlich­erweise von einer Person ausgelöst worden sei, hoffte Schulz. Denn die Neuwahl in Hannover war nötig geworden, weil der Wechsel der grünen Landtagsab­geordneten Elke Twesten zur CDU die rot-grüne Regierungs­koalition von Weil um ihre Mehrheit gebracht hatte.

Erfolgsrez­ept klare Kante

Stephan Weil hat in Niedersach­sen seit August einen 12-Prozentpun­kteVorspru­ng der CDU aufgeholt. Die Lehre der erfolgreic­hen Wahl steht für Martin Schulz und Ralf Stegner fest: Eine klare Konfrontat­ion von SPD und CDU, wie sie in Niedersach­sen stattfand, sei nötig, um kein Vakuum entstehen zu lassen, das die Populisten füllen. Denn natürlich freut sich Schulz, dass die Linken gar nicht in den Landtag gewählt wurden und die AfD nur knapp.

Während die SPD feiert, schickt der Wahlverlie­rer von Niedersach­sen, Bernd Althusmann, erste Giftpfeile in Richtung Berlin. Man liege in Niedersach­sen über dem Trend vom Bund mit 31 Prozent, am Ende habe man Gegenwind vom Bund gehabt. Das schlechte Ergebnis des konservati­ven Niedersach­sen Althusmann könnte in der CDU eher der Bundeskanz­lerin Angela Merkel angelastet werden als dem Niedersach­sen selbst. CDU-Generalsek­retär Peter Tauber rät, man müsse darüber reden, wie man Vertrauen zurückgewi­nne.

Trotz des SPD-Erfolgs wäre in Niedersach­sen auch ein JamaikaBün­dnis möglich. Doch die BundesCDU will offenbar kein solches Bündnis für Hannover. „Stephan Weil hat offenbar großes Vertrauen in der Bevölkerun­g“, attestiert Peter Tauber. Der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion, Michael Grosse-Brömer, stellt schon früh am Abend fest, die SPD habe jetzt den Auftrag, die Landesregi­erung zu bilden.

Das allerdings könnte noch schwierig werden. Im Laufe des Abends wurde immer deutlicher,

dass es für die Fortsetzun­g der rotgrünen Koalition nicht reichen dürfte. Nun kämen auch eine Große Koalition oder eine Ampel infrage. Beides wäre sehr schwierig. SPD und CDU sind sich in Niedersach­sen sehr fremd, und FDP-Chef Stefan Birkner hat eine Ampel ein ums andere Mal ausgeschlo­ssen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany