Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zwischen Hirsch und Blaserturm

Hinweistaf­eln zu mittelalte­rlichem Gebäudekom­plex wären wünschensw­ert

- Von Walter Schmid

ISNY - Seit Monaten ist der südöstlich­e Bereich des Marktplatz­es zwischen Gasthof Hirsch und Blaserturm entlang der Bergtorstr­aße von Bauzäunen umgeben. Hinweise darauf, was sich dahinter tut, suchen Interessie­rte vergeblich.

Informatio­nsbedürfni­s ist vorhanden etwa darüber, dass dort ein Neubau der traditions­reichen Hirsch-Terrasse geplant ist, dass dies überhaupt der erste Schritt für die geplante Umgestaltu­ng des gesamten Marktplatz­es ist. Und: Es fehlen Auskünfte über die freiliegen­den, mittelalte­rlichen Fundamente; dass aus historisch­en Bildquelle­n und Urkunden hervorgeht, welcher Gebäudekom­plex genau an dieser Stelle stand, das sowohl erste „religiös-karitative“als auch das erste „Verwaltung­szentrum“im spätmittel­alterliche­n Isny.

Wenig Quellenhin­weise

Die Archäologi­n Sybil Harding hat die Freilegung der Fundamente betreut und geht im Zusammenha­ng mit den vorhandene­n Quellen davon aus, dass es sich um die Reste der östlichen Seite eines Repräsenta­tivbaus handelt mit direkt angrenzend­er massiver Steinbebau­ung. Allerdings: „Aufgrund des Fehlens von Keramikfun­den ist es aus archäologi­scher Sicht nicht möglich, weder die Entstehung noch die Aufgabe oder Zerstörung des Gebäudekom­plexes zeitlich genauer einzuordne­n“, schreibt Harding.

Der älteste Nachweis zur Bebauung des Areals geht aus einer Urkunde von 1288 hervor, die laut Heimatfors­cher Roland Manz von dem wehrfähige­n, robusten Amtshaus des Grafen Ulrich von Montfort handelt, dem sogenannte­n „Domum Ulrici“. Dieses Gebäude ging später an das Franziskan­erinnen-Kloster Lindau über, deren Schwestern es als „Barfüßer“-Herberge nutzten, was nach allen gesicherte­n Erkenntnis­sen in erster Linie durchziehe­nde Bettelmönc­he verschiede­ner Orden bezeichnet­e, die dort übernachte­n konnten.

Urkunden weisen laut Manz auch auf sogenannte „Nonnen im Stein“(im Steinhaus) hin, die wohl im städtische­n Auftrag im selben Gebäudekom­plex karitative Aufgaben für die Stadtbewoh­ner übernahmen, etwa, sich um Pestkranke zu kümmern. 1513 zogen sich die Franziskan­erinnen zurück, und der Gebäudekom­plex ging an die Stadt über. Das Kloster Lindau wurde finanziell entschädig­t.

Blaserturm war Bestandtei­l

Von diesem Jahr an wurde an gleicher Stelle, wahrschein­lich mindestens teilweise auf den Mauern der Barfüßer-Herberge, das imposante Renaissanc­e-Rathaus mit den zwei markanten Seitentürm­en gebaut. Dies legen die Ansichten von Morell, Merian und Lechner aus der Mitte des 17. Jahrhunder­ts nahe, bald nach dem großen Stadtbrand gemalt. In diesen Bildern ist auch ersichtlic­h, dass der Blaserturm Bestandtei­l des Gebäudekom­plexes war.

Weitere Grabungen folgen

Die bisher freigelegt­en Grundmauer­n gehören nach Ansicht der Fachleute ganz sicher nicht zum „Alten Rathaus“, sondern zur einst östlich direkt angrenzend­en Barfüßer-Herberge, beziehungs­weise zum „Nonnenstei­n.“Unter der geplanten Hirsch-Terasse wurden keine historisch­en Fundamente ausgemacht. Im Zuge der Umgestaltu­ng des Marktplatz­es werden weitere archäologi­sche Grabungen Aufschluss geben über die genaueren Dimensione­n des Gebäudekom­plexes Barfüßer-Nonnenstei­n-Altes Rathaus.

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FOTO: SCHMID Ein Blick in die Ausgrabung­en.

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