Neue Leichtigkeit, alte Probleme
Bayern schlägt Freiburg 5:0 (2:0) – Rückkehrer Jupp Heynckes bremst die Euphorie
MÜNCHEN - Es war eine schwere Aufgabe, womöglich die schwerste des Tages, die Jupp Heynckes sich da aufgehalst hatte. Am Ende eines Nachmittags, an dem er sich zunächst ein wenig von der üblichen Kabinentrakt-Nervosität seiner Spieler, die „wie die Rennpferde“durch den Kabinengang gegangen seien, hatte anstecken lassen, und der dann aber zur vollsten Zufriedenheit der allermeisten Zuschauer vonstatten ging, wollte Heynckes keinesfalls den Miesepeter und Spielverderber geben. Ein 5:0 (2:0) gegen den SC Freiburg bei der Rückkehr auf die Trainerbank des FC Bayern München nach 1596 Tagen wohlverdienter und genossener Rente bleibt schließlich ein 5:0. Doch die – in München stets sehr schnell parat stehenden – Schulterklopfer und Gratulanten wollte der 72-Jährige so schnell wie möglich vom Schulterklopfen und Gratulieren abhalten.
Ja, es sei „ein positiver Anfang“gewesen. Ja, „über weite Strecken war es ein gutes Spiel.“Diese Ballverluste in der Vorwärtsbewegung! Diese Chancen der Freiburger! „Das darf uns nicht passieren“, sagte Heynckes. Und weil er dabei so klang, als ob er jeden der gar nicht so rar gesäten Ballverluste in der ersten Halbzeit persönlich genommen hätte und weil seine Stimme vom vielen Coachen an der Seitenlinie ohnehin schon arg brüchig war und weil die Bayern objektiv betrachtet ja tatsächlich bei Weitem nicht alles richtig gemacht hatten gegen Freiburg, meisterte Heynckes auch die eher bremsende Rolle mit Bravour.
„Man darf aus dem 5:0 nicht folgern, dass jetzt alles wieder wunderbar ist. Wir haben noch viel Arbeit vor uns!“, sagte Heynckes. Bei allem Respekt für Freiburg und Trainer Christian Streich, aber es kämen „schwere Gegner. Dann müssen wir viel souveräner agieren!“Am Mittwoch in der Champions League gegen Celtic Glasgow oder danach gegen RB Leipzig im Pokal und in der Bundesliga und dann gegen Borussia Dortmund müsse man defensiv viel konzentrierter zu Werke gehen. Das sei „fundamental“.
Es war ja so: Bei den Bayern herrschte durchaus eine andere Stimmung. Vor allem in der ersten Halbzeit zeigten die Spieler ein aggressives Pressing, wie man es in der Allianz Arena in den letzten Monaten höchstens in der Champions League gesehen hat – von den Gegnern. Bayern spielte schnell, dominant und zielstrebig. Beim 1:0 in der achten Minute machten David Alaba und Thomas Müller so viel Druck, dass Julian Schuster beinahe zum Eigentor gezwungen wurde. Beim 2:0(42.) schien Kingsley Coman nach einer Parade von Alexander Schwolow mit so großer Willenskraft über der Grasnarbe zu fliegen, dass der Ball womöglich auch durch pure Suggestionskraft im Tor gelandet wäre. Es waren zwei Tore des absoluten Willens, was freilich mehr der bayerischen Meisterklasse von 2001, als Heynckes Meisterschülern von 2013 entsprach. „Sehr positiv ist, dass die Mannschaft nicht mit dem 2:0 aufgehört hat, sondern das 3:0, 4:0, 5:0 macht. Daran sieht man die Spielfreude“, so Heynckes.
Dem Spielverlauf hätte ein 2:0 oder ein 3:1 aber eher entsprochen. Quasi vor dem Führungstreffer hatte Sven Ulreich mit einem tollen Reflex die Torchance von Freiburgs Ryan Kent vereiteln müssen. Vor dem 2:0 hatten die Freiburger plötzlich auch angefangen, aggressiv zu pressen – und die Bayern sofort wieder in alte Probleme getrieben. Mike Frantz wäre beinahe das 1:1 gelungen. Ein bisschen Carlo-Fußball der letzten Wochen war durchaus noch dabei beim FCB.
Christian Streich durfte mit einiger Berechtigung „enttäuscht“sein. „Symptomatisch waren zwei unserer Konter, die wir nicht sauber genug ausspielen. Wenn du das gegen Bayern nicht sauber zu Ende spielst, dann wird der Druck insgesamt zu groß“, sagte er.
So waren die Treffer von Thiago per Distanzschuss (63.), Robert Lewandowski (75.) und Joshua Kimmich (90.) per Hackentrick womöglich folgerichtig. Aber eben kein Grund für Heynckes, um euphorisch zu werden. Für die Spieler übrigens auch nicht. „Natürlich wird es in den nächsten Tagen wieder ein paar Lobpreisungen geben. So leid es mir tut, aber die Lobeshymnen können wir nicht mitsingen“, sagte Kapitän Thomas Müller.
Der FC Bayern muss beim Champions-League-Spiel am Mittwoch gegen Celtic Glasgow (20.45/ZDF und Sky) wohl auf Javi Martínez verzichten, der sich am Samstag eine Verletzung des rechten Schultergelenks zuzog. Der 29-Jährige erwartet selbst „keine lange Pause“, wie er bei Twitter schrieb: „Nur ein paar Tage, dann bin ich zurück.“Heynckes hatte am Samstag gesagt: „Wenn Javi sich auswechseln lässt, dann ist es bedenklich, er ist nicht nur Baske, sondern ein robuster Typ und großer Kämpfer.“(SID)