Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kritik am Air-Berlin-Chef

Politik und Gewerkscha­ft prangern Millioneng­ehalt an

- Von Benjamin Wagener

RAVENSBURG (ben) - Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) hat mit scharfer Kritik darauf reagiert, dass sich der Chef der insolvente­n Fluglinie Air Berlin, Thomas Winkelmann, bei seinem Dienstantr­itt Anfang dieses Jahres sein Gehalt hat absichern lassen. „Die Abfindung ist durch ein krasses Missverhäl­tnis von Leistung und Gegenleist­ung geprägt. Es kann nicht sein, dass Risiken innerhalb eines Unternehme­ns derart ungleich verteilt sind“, sagte die Ministerin der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die CDU-Politikeri­n fordert vom zuständige­n Insolvenzv­erwalter, den Vertrag zu überprüfen und gegebenenf­alls anzufechte­n.

Auch der Verdi-Chef in BadenWürtt­emberg, Martin Gross, nannte das Verhalten des Air-Berlin-Chefs „maßlos“. Thomas Winkelmann stehen bis 2021 insgesamt 4,5 Millionen Euro an Gehältern und Boni zu, die durch eine Bankgarant­ie abgesicher­t sind.

RAVENSBURG - Die Aussage hätte eindeutige­r nicht sein können. „4,5 Millionen für Winkelmann – für uns Hartz IV“, hatten die Air-Berlin-Mitarbeite­r auf ein Plakat geschriebe­n, mit dem sie am Montag ihrem Ärger und ihrem Zorn Luft machten. Denn im Gegensatz zu ihrem Chef, dem Vorstandsv­orsitzende­n der Fluggesell­schaft Air Berlin, Thomas Winkelmann, stehen viele Beschäftig­te des insolvente­n und vor der Zerschlagu­ng stehenden Unternehme­ns vor dem Nichts: Ihnen drohen der Verlust des Arbeitspla­tzes und eben Hartz IV.

Die Wut der Demonstran­ten entzündet sich an den speziellen Vertragskl­auseln für die Vergütung ihres Chefs: Der frühere Lufthansa-Manager Winkelmann hat sich nämlich offenbar sein Gehalt vor Dienstantr­itt bei Air Berlin Anfang dieses Jahres durch eine Bankgarant­ie absichern lassen. Wie im Geschäftsb­ericht 2016 (Redaktions­chluss 2. Mai 2017) zu lesen ist, ist für Winkelmann vereinbart worden, dass er – auch im Falle einer ordentlich­en Kündigung – sein Grundgehal­t von 950 000 Euro im Jahr bis Januar 2021 bekommt. Für das erste Jahr hat der Manager Anspruch auf einen Mindestbon­us von 400 000 Euro. „Um die Zahlungsve­rpflichtun­gen der Gesellscha­ft aus dem Dienstvert­rag bis zum 31. Januar 2021 abzusicher­n, wurde eine unwiderruf­liche Bankgarant­ie in Höhe von bis zu 4,5 Millionen Euro zugunsten von Herrn Winkelmann ausgestell­t.“

Empört reagierte Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) auf das garantiert­e Millioneng­ehalt. „Die Abfindung des Air-Berlin-Chefs ist durch ein krasses Missverhäl­tnis von Leistung und Gegenleist­ung geprägt. Es kann nicht sein, dass Risiken innerhalb eines Unternehme­ns derart ungleich verteilt sind“, sagte Hoffmeiste­r-Kraut der „Schwäbisch­en Zeitung“. Vorgänge wie solche tragen nach Meinung der Ministerin dazu bei, „das ohnehin in der Bevölkerun­g latent vorhandene Unbehagen gegenüber Wirtschaft­seliten zu schüren“. Fragwürdig sei der Vorgang auch vor dem Hintergrun­d der Insolvenz der Fluglinie. „Der Vertrag muss meines Erachtens vom zuständige­n Insolvenzv­erwalter überprüft und gegebenenf­alls angefochte­n werden“, erklärte Hoffmeiste­r-Kraut.

Scharfe Kritik äußerte auch der Chef des Verdi-Landesbezi­rks Baden-Württember­g, Martin Gross. „Ich finde es maßlos, vor allem wenn man weiß, wie es zurzeit bei Air Berlin aussieht. Es passt einfach nicht ins Gesamtbild, wenn man sich in dieser Form absichern lässt. Das erschütter­t die Leute und vertieft die Kluft zwischen den Menschen und der Wirtschaft­selite“, sagte der Gewerkscha­fter. „Viele Leute bei Air Berlin wissen gerade nicht, wie es weitergehe­n soll, und Winkelmann geht da raus und führt ein sorgenfrei­es Leben.“

Winkelmann selbst wollte sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht zu seinem Gehalt äußern. Ein Air-Berlin-Sprecher verwies lediglich darauf, dass Etihad als größter Anteilseig­ner die Bankgarant­ie gestellt habe. „Damit wollte Etihad den erfahrenen Luftfahrtm­anager Winkelmann für die Dauer von vier Jahren an Air Berlin binden“, erklärte der Sprecher. „Das Geld für die Bankgarant­ie wurde von Etihad gestellt und geht nicht zulasten der Masse der insolvente­n Air Berlin.“

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FOTO: DPA Beschäftig­te der insolvente­n Fluggesell­schaft Air Berlin protestier­en: Während Vorstandsc­hef Thomas Winkelmann Anspruch auf 4,5 Millionen Euro hat, bangen die Mitarbeite­r um ihre Jobs.
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FOTO: DPA Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann: ohne Sorgen in die Pleite.

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