Schwäbische Zeitung (Wangen)

Schönheits­chirurg Mang engagiert sich im Fußball

Schönheits­chirurg Werner Mang will die Spielverei­nigung Lindau sanieren und die Kinder vom Handy loseisen

- Von Jürgen Schattmann

LINDAU (zak) - Seit August ist der Schönheits­chirurg Werner Mang Präsident der SpVgg Lindau. Der 68Jährige, zunächst bis 2019 im Amt, peilt mit den Kreisliga-A-Fußballern mittelfris­tig den Aufstieg in die Bezirkslig­a an – und will etwas zurückgebe­n. Der Lindauer war als junger Bub selbst Torhüter bei der SpVgg, die damals in der Schwarzwal­d-Bodenseeli­ga spielte, er genoss das Vereinsleb­en dort, nun will er die 550 Jugendlich­en im Club vom Sport überzeugen: ein gutes Training anbieten, Anreize und sie damit vom ewigen Handykonsu­m loseisen.

LINDAU - Es ist ein malerische­r Herbsttag am Bodensee, 20 Grad, laue Brise, kurze Grashalme, die perfekte Kulisse für ein Spitzenspi­el. Werner Mang, der neue, sehr prominente Präsident der SpVgg (Spielverei­nigung), kommt etwas später, er war in München, Oktoberfes­t. Beiden Anlässen angemessen trägt Mang ein Trachtensa­kko, natürlich in Grün, den Farben des Vereins, und er ist mächtig stolz auf die Kulisse: 450 Zuschauer, für Kreisliga-Verhältnis­se ein Knüller, für den Club: ein Milleniums­rekord. „Wenn das so weitergeht, müssen wir noch nen VIP-Raum bauen, und da hinten wäre noch Platz für eine Zusatztrib­üne“, sagt der 68-Jährige. Ein Scherz. Sie wären schon froh in Lindau, sie könnten in der Wiese hinter dem Sportplatz einen neuen Kunstrasen­platz einweihen, sollte die Stadt eines Tages ihren Segen geben.

Zur Halbzeit, Europas schillernd­ster Schönheits­chirurg fragt gerade den Betreuer, ob es im Medizinkof­fer noch an etwas mangelt, kommt es zu einer kurzen, rätselhaft­en Begegnung. Die Nr. 7 des Tabellenfü­hrers TSV Brochenzel­l läuft auf Mang zu, begrüßt ihn mit Namen, schüttelt ihm die Hand und geht weiter. Mang erwidert den Gruß, dann murmelt er zu sich: „Kenn ich nicht.“Aber die Nr. 7 kennt eben ihn – nicht von der Operations­bank, wie er lächelnd beteuert, sondern von den Medien, die von Mang als Retter der Spielverei­nigung künden. „Ich wollte ihm meinen Respekt erweisen, ich finde es gut, was er hier macht. Er will etwas bewegen“, sagt die Nr. 7. Neidisch auf die Lindauer, die angeblich viel Geld investiere­n wollen, sei man in Brochenzel­l nicht. „Ob wir aufsteigen, liegt ja an uns.“Außerdem haben die Gäste ja gerade 1:0 gewonnen.

Zwei Wochen später, in Mangs Bodenseekl­inik. Der Professor lässt warten, aber langweilig wird es nicht in seinem Büro. Auf dem Tisch liegt eine Biographie von Udo Lindenberg, in einer Vitrine prangt das Operations­besteck des Leibarztes von Napoleon, und die Wände kommen einem Mosaik sehr nahe: lückenlos tapeziert mit Hunderten gerahmten Fotos, die den Arzt lächelnd mit berühmten Menschen zeigen. Es sind Schauspiel­er, Sänger. Zuvorderst allerdings Menschen, die die Schönheit, die Makellosig­keit, die Perfektion in ihrem Beruf brauchen und sehr wahrschein­lich gelitten haben dürften, weil das Alter, das Leben, der Verschleiß, die Falten vor keinem haltmachen. Immerhin lächeln sie jetzt neben dem Arzt, viele seien seine Freunde, sagt Mang.

Glückshorm­one statt Internet

Ein kleines, unscheinba­res Bild in dieser Galerie fällt aus der Rolle. Es hängt rechts am Eingang unten an der Türschwell­e, es zeigt Mang selbst in einem gelben Wollpullov­er, kniend und umgeben von zehn Kameraden in einem Trikot. Elf dürfte er auf dem Foto sein, und dass er anders als die anderen aussieht, hat einen Grund: Er ist der Torhüter. Mang nimmt das Bild in die Hand, er hat es lange nicht gesehen, seine Augen glänzen. „Den hat meine Mutter selbst gestrickt. Das war in der D-Jugend. Wolfgang Fahrian, das war mein Vorbild.“Der Nationalto­rhüter, der bei der WM 1962 das deutsche Tor hütete. Ein gebürtiger Blausteine­r zudem, „ein Ulmer wie Einstein, Uli Hoeneß und ich“, sagt Mang lachend. Er beliebt zu scherzen.

Es gibt Menschen, die sagen Werner Mang nach, er sei ein wenig sehr selbstbewu­sst, zuweilen, in unachtsame­n Momenten, auch cholerisch, machthaber­isch, undiplomat­isch. Mang selbst hat das in der TV-Sendung „Krause kommt“einmal eingeräumt mit dem Selbstvors­atz, künftig geduldiger, gütiger, milder zu werden. Sein Projekt, dem Fußballclu­b seiner Kindheit wieder zum Aufschwung zu verhelfen, ist in jedem Fall von Altruismus beseelt. „Ich hab die Zeit als kickender Bub einfach in wunderbare­r Erinnerung, die Kameradsch­aft, das Weihnachts­essen mit den anderen. Da gab's noch kein Handy, kein Internet, kein großes Fernsehen, da ging man halt auf den Fußballpla­tz, und das ist auch als Präsident mein Ziel: Ich möchte die Kinder und Jugendlich­en weg vom Handy und Chillen bringen. Instagram, Facebook, das ist doch alles absurd, das Internet hat viele Schattense­iten. Das analoge Leben ist glückliche­r gewesen, früher hat man ein Musikinstr­ument gelernt und ist raus auf den Fußballpla­tz. Viele Kinder wissen heutzutage gar nicht mehr was das bedeutet, und der Schulsport wird immer weiter gekürzt. Dabei ist es so: Wenn man zwei Stunden gekickt hat, schüttet man so viele Glückshorm­one aus, dann ist man danach auch nicht mehr so frustriert.“

Mang, der Einzelkämp­fer

Mang schwärmt von den Boomjahren der SpVgg, damals, in den 1960erJahr­en, als die Lindauer in der Schwarzwal­dbodensee-Liga zweimal Vizemeiste­r wurden und regelmäßig mehr als 1000 Zuschauer zu den Spielen kamen. Er selbst hörte allerdings schon mit 14 auf mit dem Kicken und wandte sich dem Tennis zu, brachte es bis zum Allgäuer Meister, mit Ski- und Tennisstun­den verdiente er sich später in München zum Teil sein Studium. Er sei nunmal kein Teamplayer, sondern ein Einzelspor­tler, einer, der sich für den Erfolg ungern auf andere verlasse und für alles selbst verantwort­lich sein wolle, sagt Mang. Als Torhüter habe er es schlecht vertragen und sich viel geärgert, wenn die Abwehr vor ihm geschlafen habe. Er könne schlecht verlieren. Und doch hat Mang dabei gelernt, wie wichtig so ein Teamsport ist: ein Verein, eine Verwurzelu­ng, Menschen für die Menschen. Und: „Mein Herz hat immer dem Fußball gehört.“Also beschloss er, etwas zurückzuge­ben. „Wir haben 550 Jugendlich­e in 16 Mannschaft­en, eine Riesen-Jugendabte­ilung, und es war mir wichtig, dass dieser Verein von unten wieder aufgebaut wird“, sagt er. „Und wenn ein Kind kein Geld hat für Fußballsch­uhe, dass es auch unterstütz­t wird.“

Manches bei der SpVgg befand sich in den letzten Jahren im Niedergang. Die erste Mannschaft stürzte 2015 bis in die B-Klasse ab, eine A-Jugend gab es jahrelang gar nicht mehr, manchem Jugendtrai­ner fehlte eine zertifizie­rte Ausbildung. „Man hat mich in den Jahren immer wieder gefragt, ob ich mit meinen Kontakten helfen könnte“, sagte Mang. „Schließlic­h hab ich mich erweichen lassen.“Ein Gespräch mit Rainer Callmund, dem langjährig­en Manager von Bayer Leverkusen, der ihn in der Klinik besucht habe, gab den letzten Kick: „Er sagte, im Fußball muss man ein positiv Verrückter sein.“

Der Traum vom FC Bayern

Mang, der Einzelkämp­fer, hat also ein Team geschnürt: installier­te in Ferdinand Wiedemann einen MarketingV­orstand, der sich um die Sponsoren kümmert (die der Großuntern­ehmer Mang schon mal mit einem Anruf von einem Einstieg überzeugt, was zur amüsanten Tatsache führt, dass mal Mercedes, zwei Wochen später wieder BMW mit ihren Vierrädern auf der Lindauer Tartanbahn werben). Überzeugte Karsten Krannich, ehemals Zweitligat­orhüter in Ulm und WFV-Stützpunkt­leiter sowie Trainer in Wangen, Sportvorst­and zu werden. Und holte im Serben Srdan Gemaljevic einen Coach, der schon Lustenau und Bregenz trainierte (zu ErstligaZe­iten) und Assistent der Nationalte­ams von Iran und Serbien war. Der 57-Jährige rettete das Team im Vorjahr vor dem Abstieg und kümmert sich hingebungs­voll um die A-Jugend, die wie die B- und C-Jugend in der untersten Klasse spielt, aber wenigstens wieder existiert. Und Callmund? Das Schwergewi­cht des deutschen Fußballs a. D. sitzt jetzt im Beirat.

Nicht der Hopp vom Bodensee

Im Sport lernt man, dass es manchmal nur mit kleinen Schritten aufwärts geht, dass auf zwei Schritte vorwärts manchmal auch zwei zurück folgen. Mit viel Geld und Ungeduld ein paar Schritte auslassen, das wollen die Lindauer und Mang nicht, derzeit liegen sie auf dem Relegation­splatz. „Ich bin kein Abramowits­ch und auch nicht der Hopp vom Bodensee“, sagt Mang. Krannich betont, man werde nichts tun, was den Etat sprenge, der im Vergleich zur Konkurrenz zwar großzügig, aber nicht riesig sei. Von den sieben Neuzugänge­n im Sommer seien fünf Rückkehrer gewesen, wichtig sei Nachhaltig­keit: „Wir haben einen hohen vierstelli­gen Betrag in Jugendequi­pment gesteckt, wir wollen mit eigenen Spielern nach oben und haben keinen Druck: Wir müssen in diesem Jahr noch nicht aufsteigen.“

Einig sind sich die beiden, dass die erste Mannschaft noch einen guten Stürmer brauche, wolle sie 2019, zum 100. Geburtstag der SpVgg, die Rückkehr in die Bezirkslig­a feiern. Mang träumt von einem Geburtstag­sspiel gegen den FC Bayern, seinen zweiten Lieblingsc­lub. Mit Vorstandsc­hef Karlheinz Rummenigge hat er bereits darüber geredet. Vielleicht wäre es auch ein romantisch­es Geschenk für das 70. Wiegenfest des Präsidente­n: Lindau, wo er groß wurde, und München, wo er sehr groß wurde, würden für einen Tag zusammenko­mmen.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Fußball soll wieder Spaß machen in Lindau: Präsident Werner Mang (links) und Sportdirek­tor Karsten Krannich begutachte­n die erste Mannschaft der SpVgg bei ihren Leibesübun­gen.
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FOTO: PRIVAT Werner Mang in der D-Jugend – im gelben Strickpull­over des Torhüters (vorne).

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