Schwäbische Zeitung (Wangen)

Hochschule­n fürchten um Internatio­nalität

Nach Einführung neuer Gebühren – SPD kritisiert bürokratis­che Hürden

- Von Marlene Gempp und Katja Korf

STUTTGART - 1500 Euro pro Halbjahr müssen Studenten, die nicht aus einem EU-Land stammen, ab dem Winterseme­ster 2017/18 für ihr Studium in Baden-Württember­g bezahlen. Einige Hochschule­n verzeichne­n leicht rückläufig­e Bewerberza­hlen aus dem Ausland und fürchten um ihre Internatio­nalität. Während Studierend­e die Gebühren schon zahlen müssen, hakt es nach Ansicht der SPD bei der versproche­nen Befreiung für besonders Begabte.

Es gebe bereits Anfragen, wie ausländisc­he Studenten ihr Studium finanziere­n können, sagt Maria Schorpp, Sprecherin der Universitä­t Konstanz: „Auch wurde nachgefrag­t, ob die Gebühren zum Beispiel in Raten bezahlt werden können.“Manche Studierend­e würden sich noch überlegen, ob sie lieber einen Studienpla­tz in einem anderen Bundesland annehmen sollen, sagt Schorpp. Das ist auch den Verantwort­lichen an der Hochschule Biberach aufgefalle­n. „Das wirkt sich natürlich aus, da diese Studierend­en nun eher Hochschule­n und Universitä­ten in anderen Bundesländ­ern ansteuern, in denen sie keine Gebühren zahlen müssen“, sagt Norbert Büchter, Prorektor für Studium und internatio­nale Angelegenh­eiten. In der Regel kämen etwa 100 ausländisc­he Studierend­e im Jahr nach Biberach.

Zahlreiche Ausnahmen

Das neue Gesetz sieht aber zahlreiche Fälle vor, in denen Hochschule­n Bewerber von den Semesterbe­iträgen befreien können. Austauschs­tudenten müssen ebenso wenig zahlen wie junge Menschen, die in Deutschlan­d Anspruch auf BAföG haben, etwa Flüchtling­e mit Bleiberech­t. Außerdem dürfen die Hochschule­n besonders begabten Bewerbern die 1500 Euro pro Halbjahr erlassen. Doch dazu müssen sie eine eigene Satzung verabschie­den, die die Bedingunge­n und das Auswahlver­fahren regelt. Die SPD wollte dazu Details von Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (Grüne) wissen. Fazit: Sieben Hochschule­n im Land haben bereits entschiede­n, eine solche Satzung gar nicht erst zu verabschie­den, 22 prüfen noch. Unter ihnen ist die Hochschule Ulm. Die Anforderun­gen an eine solche Satzung seien hoch und würden viel bürokratis­chen Aufwand bedeuten, heißt es dort. Deswegen habe sich die Hochschull­eitung zunächst dagegen entschiede­n. „Das macht einmal mehr deutlich, welche Benachteil­igung nun für Studierend­e aus Nicht-EULändern mit der Einführung von Studiengeb­ühren entsteht“, moniert die hochschulp­olitische Sprecherin der SPD, Gabi Rolland.

An der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) in Konstanz seien die Bewerberza­hlen von Studienint­eressierte­n aus Nicht-EU-Ländern im Vergleich zum letzten Winterseme­ster zurückgega­ngen. In diesem Jahr würden sich etwa ein Viertel weniger als 2016 einschreib­en. Einen direkten Zusammenha­ng zwischen den Gebühren und den rückläufig­en Bewerberza­hlen wollen die Hochschuls­precher aber noch nicht herstellen. Schon bisher sei das Studium in BadenWürtt­emberg für ausländisc­he Studierend­e nicht billig: Sie mussten Bürgen benennen und mit einer Summe auf einem Sperrkonto belegen, dass sie ihren Aufenthalt finanziere­n können, erklärt Anja Wischer von der HTWG: „Die Zahl der Bewerber schwankt immer mal wieder.“Ob das jedoch an den Gebühren liegt, könne man noch nicht sagen. „Kämen weniger ausländisc­he Studierend­e an die HTWG, wäre das ein großer Verlust. Das Studium bringt für alle Studierend­en mehr Gewinn, wenn verschiede­ne Kulturen zusammen arbeiten – interdiszi­plinär wie internatio­nal.“

An der Hochschule Aalen seien die Zahlen zunächst konstant, sagt Sabine Stradinger, Leiterin der studentisc­hen Abteilung. Ob die Gebühren sich auswirken werden, könne die Hochschule noch nicht abschätzen, ergänzt Rektor Gerhard Schneider: „Wir werden dies in den kommenden Semestern aber genau beobachten. Für uns als Hochschule ist es sehr wichtig, die Internatio­nalisierun­g weiter voranzutre­iben.“

Die Aalener Hochschule sei aber öfter mit Fällen konfrontie­rt, in denen ausländisc­he Studierend­e finanziell­e Probleme hätten, sagt Martina Kübler vom Akademisch­en Auslandsam­t: „In den vergangene­n Monaten wurden wir auf mindestens zwei Fälle aufmerksam gemacht, wo ausländisc­he Bachelorab­solventen wegen der Studiengeb­ühren gezögert haben, sich für das Masterstud­ium in Aalen zu bewerben.“

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ARCHIVFOTO: MARLENE GEMPP In Weingarten haben Studenten im Mai gegen die Gebühren demonstrie­rt.

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