Schwäbische Zeitung (Wangen)

Macrons Schwung droht in der EU zu verpuffen

Gipfel befasst sich am Freitag mit den Reformvors­chlägen des französisc­hen Staatspräs­identen

- Von Christine Longin

PARIS - Die Reformvors­chläge von Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron stehen beim EU-Gipfel am Freitag auf dem Programm. Die Streitfrag­en sollen dabei aber ausgeklamm­ert werden. Viel kann der französisc­he Präsident zu seiner Initiative eh nicht erwarten, denn mit Deutschlan­d und Österreich sitzen zwei Länder am Tisch, die nach der Wahl noch keine neue Regierung haben. FDPChef Christian Lindner warnte vor Festlegung­en in Brüssel. „Deutschlan­d ist gegenwärti­g nicht entscheidu­ngsfähig“, sagte er der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“.

Im Klartext heißt das, dass die Vorschläge Macrons auf die lange Bank geschoben werden. Der Schwung, auf den der 39-Jährige mit seiner engagierte­n Rede an der Pariser Sorbonne hoffte, droht zu verpuffen. Dabei hatte der frühere Wirtschaft­sminister seine Ansprache eng mit Angela Merkel abgestimmt. „Was ich ihr hoch anrechne: Zu keinem Moment hat sie versucht, meinen Elan, meinen Eifer zu bremsen.“Dabei sind unter Macrons Vorschläge­n einige, die Merkel nicht passen. Zum Beispiel die zur Reform der Eurozone. Der 39-Jährige will ein eigenes Budget, einen Finanzmini­ster und ein Parlament, das den Haushalt kontrollie­rt. Dass er das heikle Thema erst am Ende seiner Ansprache anschnitt, war eine Geste Richtung Berlin. Dennoch verhindert­e er damit nicht, dass die Diskussion sich auf die Eurofragen begrenzte. „Man hat sich auf die Frage der Finanzieru­ng eines Budgets der Eurozone eingeschos­sen, statt das Gesamtkonz­ept zu betrachten“, kritisiert Dominik Grillmayer vom Deutsch-Französisc­hen Institut in Ludwigsbur­g. Dennoch ist er zuversicht­lich, dass von deutscher Seite Kompromiss­bereitscha­ft besteht. „Es ist im tiefsten deutschen Interesse, Macron nicht scheitern zu sehen.“Wie es mit dem Reformproj­ekt weitergeht, soll ein Gipfel im Dezember zeigen.

Macron-Vorschlag: Bürgerkonv­ente

Die anderen Ideen Macrons hat EURatspräs­ident Donald Tusk schon einmal geprüft. In seinem Einladungs­schreiben für das Ratstreffe­n präsentier­te er eine Light-Version von Macrons Projekt. Die EU müsse sich auf „praktische Lösungen für die wahren Probleme der EU-Bürger konzentrie­ren“, forderte er ganz im Sinne Macrons, der für mehr Effizienz plädiert. In der Frage eines Europas der zwei Geschwindi­gkeiten, das Tusk ablehnt, ging er einen Schritt auf den französisc­hen Staatschef zu: Wenn es in Streitfrag­en keine Einigkeit gebe, könnten zumindest einzelne Staaten die Maßnahmen umsetzen „so, wie die Verträge es vorsehen.“Macrons Vorschlag von Bürgerkonv­enten, die über die Zukunft Europas debattiere­n sollen, griff Tusk ebenfalls auf: „Wir sollten uns von neuen Ideen inspiriere­n lassen, wie über Europa diskutiert werden kann.“

Damit klammerte Tusk den zweiten Vorschlag Macrons für ein „demokratis­ches Europa“aus: die länderüber­greifenden Listen, die nach den Vorstellun­gen des Staatschef­s schon bei den Europawahl­en 2019 antreten sollen.„Das ist ein komplizier­tes Thema“, räumte der Elysée bereits ein. „Das Europa, das wir kennen, ist zu schwach, zu langsam, zu ineffizien­t“, kritisiert­e Macron.

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FOTO: AFP Thema Reformproj­ekt: Emmanuel Macron.

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