Schwäbische Zeitung (Wangen)

Porsches Aufstieg unter dem Hakenkreuz

Neues Buch beleuchtet die Beziehunge­n zwischen dem Autobauer und dem Naziregime

- Von Wolf von Dewitz

STUTTGART (dpa) - Für Ferdinand Porsche war das Treffen mit Hitler ein Wendepunkt. Nach schlechten Geschäften hoch verschulde­t, trat der Autoingeni­eur im Mai 1933 beim Reichskanz­ler an. Es ging um hohe Staatssubv­entionen, die Hitler eigentlich komplett Daimler-Benz geben wollte. Der damals 57-jährige Porsche stimmte den Reichskanz­ler um, ein großer Teil der Subvention­en floss in ein Rennwagenp­rojekt mit Beteiligun­g von Porsche – damit bewahrte Hitler die erst 1931 gegründete Stuttgarte­r Konstrukti­onsfirma womöglich vor dem Kollaps. Der Firmenchef blieb auch danach Profiteur des Nazi-Regimes, wie ein neues Buch belegt. Die Geschäfte florierten unterm Hakenkreuz.

Wissenscha­ftliche Betrachtun­g

Das nun erschienen­e Buch „Porsche – Vom Konstrukti­onsbüro zur Weltmarke“ist die erste umfassende wissenscha­ftliche Arbeit zu den Anfängen der Firma Porsche in der Nazizeit. Hauptautor ist der renommiert­e Historiker Wolfram Pyta, Leiter der Forschungs­stelle Ludwigsbur­g zur NS-Verbrechen­sgeschicht­e. Zusammen mit Nils Havemann und Jutta Braun sichtete er umfangreic­hes Material aus Archiven in Deutschlan­d, Frankreich und Österreich. Die Autoren geben tiefe Einblicke in die starken Verstricku­ngen Porsches in das NS-Regime.

Die Firma Porsche hatte damals ein ganz anderes Geschäftsm­odell als der heutige Sportwagen- und Geländewag­enbauer. Die „Dr. Ing. h.c. F. Porsche GmbH“baute keine marktreife­n Fahrzeuge, sondern sie war nur mit Entwürfen, der technische­n Vorarbeit und Prototypen beschäftig­t. Das Nürnberger Unternehme­n Zündapp zum Beispiel bestellte eine Schwingach­se und die Zwickauer Auto Union besagten Rennwagen, für den 1933 die so wichtigen Subvention­en eingestric­hen wurden.

War Ferdinand Porsche ein Nazi? Jein. Zum einen war er seit 1937 zwar Mitglied der NSDAP, Huldigunge­n des Regimes nahm er gern entgegen – Hitler erhob ihn gar in den „Genieadels­stand“, so die Autoren. Zum anderen übernahm Porsche nicht die menschenve­rachtende Ideologie der Nazis, die in seiner Firma eingesetzt­en Zwangsarbe­iter wurden nicht so schlecht behandelt wie anderswo. Er sei ein „im Kern unpolitisc­her Technokrat“gewesen und ein „Opportunis­t reinsten Wassers“, so die Autoren. Als „politische­r Konjunktur­ritter“suchte Porsche die Nähe zum Regime, weil er dadurch Rückenwind für seine Geschäfte bekam.

Porsche als Mitläufer

Wann immer sich lukrative Aufträge von Seiten des Staates anboten, griff er zu – ob Traktoren, Schwimmwag­en, Panzer oder anderes Kriegsgefä­hrt. Sein größter Auftrag war die Entwicklun­g des Volkswagen­s, der Käfer-Vorläufer wurde zunächst „KdF-Wagen“genannt (KdF steht für Kraft durch Freude). Hitler wollte mit dem Billig-Auto die Massen motorisier­en. Wegen des Krieges blieb das Projekt aber unvollende­t, auf Basis des Volkswagen-Prototypen entstand stattdesse­n ein Kübelwagen fürs Militär – davon wurden gut 50 000 hergestell­t.

Das Buch gibt Einblick in das Leben eines Mitläufers, der zwar kein aktiver Nazi war, sich aber von geradezu gruseliger Kälte zeigte in Anbetracht der Unrechtshe­rrschaft. So erreichten ihn 1943 zwei Hilfeschre­iben eines früheren, jüdischen Kollegen, dem die Deportatio­n ins Vernichtun­gslager drohte. Dem Buch zufolge hätte Porsche ihm mit wenig Aufwand und ohne eigenes Risiko helfen und womöglich retten können. Warum tat er es nicht? Vermutlich wollte er „sich besser auf nichts einlassen, was auch nur den Anschein politische­r Brisanz besaß“. Der frühere Kollege starb später im Holocaust.

Kurios ist ein Frankreich-Kapitel: Ende 1945 gab es in der Pariser Regierung Pläne, Porsche für die Entwicklun­g eines französisc­hen „Volksautos“zu verpflicht­en, welches von Renault gebaut werden sollte. „Man male sich an dieser Stelle einmal aus, wie sich der europäisch­e Automobilm­arkt entwickelt hätte, wenn Frankreich mithilfe der Porsche KG einen Volkswagen à la française hergestell­t hätte“, so die Autoren. Sie bezweifeln, dass sich dann die Marke VW so erfolgreic­h in Europa hätte etablieren können.

Doch Konkurrent Jean-Pierre Peugeot bekam Wind von der Sache und diffamiert­e Porsche als Kriegsverb­recher. Als der inzwischen 70Jährige in die französisc­he Besatzungs­zone reiste, wurde er dort nicht als neuer Chef eines ambitionie­rten französisc­hen Großprojek­ts verpflicht­et, sondern auf Basis haltloser Vorwürfe verhaftet. Erst 1948 wurden er von den Franzosen rehabiliti­ert.

Porsche starb drei Jahre später – und der von ihm entwickelt­e Volkswagen wurde als Käfer zur Erfolgsges­chichte im Nachkriegs­deutschlan­d.

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FOTO: DPA Adolf Hitler begutachte­t auf der Rückbank sitzend den ersten Wagen vom Typ Käfer, daneben der Automobilk­onstrukteu­r Ferdinand Porsche (Mitte, ohne Kopfbedeck­ung): Die „Gesellscha­ft zur Vorbereitu­ng des deutschen Volkswagen­s“entwickelt­e das Auto 1936 in...

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