Experte rät von Südumfahrung ab
Machbarkeitsstudie in Leutkirch vorgestellt
LEUTKIRCH - Ist eine Südumfahrung in Leutkirch machbar und sinnvoll? Gibt es Konfliktbereiche, etwa mit dem Naturschutz? Mit solchen Fragen hat sich Diplom-Ingenieur Burchard Stocks, Experte für Umweltsicherung und Infrastrukturplanung, in den vergangenen Monaten intensiv beschäftigt. Das Ergebnis: Seiner Einschätzung nach wiegen die Nachteile einer Südumfahrung schwerer als die Vorteile. Die Argumente dafür hat Stocks am Montag in der Leutkircher Festhalle rund 300 Besuchern präsentiert.
Der Verkehr im Stadtgebiet ist vielen Leutkirchern ein Dorn im Auge. Das wird auch bei der Informationsveranstaltung wieder einmal deutlich. Bereits 2009 sind die ersten Überlegungen angestellt worden, südlich von Leutkirch eine Umfahrung zu bauen, die das Fahrzeugaufkommen in der Innenstadt reduzieren könnte. Eines der Hauptziele ist es, diejenigen Fahrer, die sich nur zur Durchfahrt im Stadtgebiet befinden, auf die Südumfahrung zu lotsen.
Das Problem: Aus einer Studie zur Verkehrsbelastung geht hervor, dass lediglich 15 Prozent der Fahrzeuge zum Durchgangsverkehr zählen. Die anderen Fahrer haben entweder ihren Start oder das Ziel in Leutkirch. Nicht eingerechnet sind bei der Studie zudem solche Routen, bei denen die Stadt nicht verlassen wird. Deshalb sind die 15 Prozent laut Stocks zu hoch angesetzt. Für den Experten ist es „eine Illusion“zu glauben, dass das Gros an Verkehrsteilnehmern eine Umfahrung nutzen würde. Seiner Einschätzung nach könnte der Verkehr im Stadtgebiet maximal um ein Drittel bis um ein Viertel verlagert werden.
Nicht viel besser sieht’s laut Stocks in puncto Lärm aus. Die Minderung, die mit einer Umfahrung einhergehe, liege nach Berechnungen gerade so im wahrnehmbaren Bereich. Mindestens dasselbe Ergebnis werde auch mit einer durchgehenden Temporeduzierung auf 30 Kilometer pro Stunde erreicht.
Als weitere Argumente gegen die Südumfahrung nennt der Fachmann vor allem „gravierende nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt“. Er spricht etwa von einer Überbauung von sehr hochwertigem Boden. Er spricht von einem dauerhaften Entzug landwirtschaftlicher Nutzfläche. Er spricht von einer Überbauung eines mächtigen und relevanten Grundwasserleiters der Schotterebene. Er spricht von einer Querung von Hochwasserrisikobereichen entlang der Rauns, der Eschach sowie zwischen den Gewässern. Und er spricht von einer Überbauung, Zerschneidung und großflächigen Beeinträchtigung von Lebensräumen geschützter Arten. Hinzu kommen seiner Einschätzung nach negative Folgen für vorhandene und geplante Siedlungsflächen am Südrand der Stadt durch zunehmenden Lärm sowie eine sogenannte Störung der Sichtbezüge.
Um der Verkehrsproblematik in der Leutkircher Innenstadt entgegenzuwirken, hat Stocks einige alternative Vorschläge zur Südumfahrung parat: Er plädiert dafür, die Angebote für den öffentlichen Personennahverkehr zu verbessern, damit Leutkircher Autofahrer beispielsweise leichter auf Busse umsteigen können oder Fahrgemeinschaften gebildet werden. Zudem schlägt er eine Aufwertung und Optimierung von Strecken für den Radverkehr vor. Kritisch sieht Stocks auch rechtliche Aspekte, die beim Bau einer Südumfahrung abgeklärt werden müssten.
Gemeinderat entscheidet
Das Fazit des Experten aus Tübingen: Von der Südumfahrung sollte vor allem wegen der genannten Gründe abgesehen werden. Werden die Pläne nun komplett über den Haufen geworfen? Das entscheidet der Gemeinderat, der in einer der kommenden Sitzungen über das Thema diskutieren will. Eines steht für Oberbürgermeister Hans-Jörg Henle allerdings fest: „Die Sachlage ist noch schwerer geworden als bisher vorgestellt.“
Gesprächsstoff gibt es auch im Anschluss an den Vortrag von Stocks in der Festhalle. Zahlreiche Bürger melden sich zu Wort. Ein Besucher moniert beispielsweise, dass bei der Präsentation nicht zwischen Autoverkehr und Schwerlastverkehr unterschieden wurde. Denn in den Lastwagen sieht er „das Hauptproblem“. Oberbürgermeister Henle versichert, dass das Thema noch einmal genauer unter die Lupe genommen werden soll.
Ein anderer Leutkircher äußert sich zu sogenannten Mautflüchtlingen. Er meint damit solche Lastwagen-Fahrer, die durch das Stadtgebiet fahren würden, um einer zahlungspflichtigen Autobahn auszuweichen. Eine Verbesserung könne nur eintreten, wenn „in einem größeren Raum“etwas dagegen unternommen wird, meint Stocks.
„Plädoyer für den Naturschutz“
Von anderer Seite wird der Tübinger dafür kritisiert, dass er ein „Plädoyer für den Naturschutz“gehalten habe. „Das war mir zu einseitig“, ist aus dem Publikum zu hören. Der Besucher aus Adrazhofen fordert außerdem die Stadträte dazu auf, genau zu überlegen, welche Ziele verfolgt und was dafür geopfert werden könne. Für eine bessere Innenstadt könne Leutkirch seiner Einschätzung nach auf das Gelände verzichten, die für die Südumfahrung benötigt wird. Denn Fläche habe die Stadt ohnehin „im Überfluss“.