Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Wachrüttel­n“für Bettlerin

Amtsgerich­t verurteilt Rentner-Betrügerin zu 1400 Euro

- Von Yvonne Roither

LINDAU - Die Bettlerin, die im Frühjahr einen Rentner in Weiler um insgesamt 1200 Euro erleichter­t hat, ist mit einem blauen Auge davongekom­men. Amtsrichte­rin Carina König verurteilt­e die Frau, die unentschul­digt bei der Verhandlun­g gefehlt hatte, vor dem Amtsgerich­t Lindau wegen besonders schweren Diebstahls zu einer Gesamtstra­fe von 140 Tagessätze­n zu zehn Euro. Sie verzichtet­e darauf, die Schadenssu­mme von 1200 Euro einzuziehe­n, weil die Hausfrau und bald zweifache Mutter mittellos ist. Darauf hatten sich die Parteien zuvor geeinigt.

Die Geduld des Gerichts wurde auf eine harte Probe gestellt. Der Anwalt der Angeklagte­n kam nach einer halben Stunde Verspätung, allerdings ohne die Angeklagte. Verteidige­r Rudolf Burkhart mutmaßte, dass die Hochschwan­gere für ihre Abwesenhei­t gute Gründe haben müsse. Denn deren Familie sei inzwischen sesshaft, gehe nicht mehr auf Betteltour, der Ehemann habe eine feste Anstellung als Paketzuste­ller, die Frau erwarte ihr zweites Kind.

„Es hat sich was geändert“, verwies Verteidige­r Rudolf Burkhart auf die positive Sozialprog­nose der Vorbestraf­ten. „Das muss man sehen.“

Vor einem halben Jahr war das noch anders. Da hat die Frau, so die Anklage, Ende März gleich zweimal einen Rentner in Weiler aufgesucht, der aufgrund seiner Geh- und Sprachbehi­nderung ein leichtes Opfer war. Einmal habe sie an seiner Tür geklingelt, ein anderes Mal sei die Angeklagte vermutlich über den Vorgarten in dessen Wohnung gelangt, wo sie jedes Mal 600 Euro aus der Schublade des wehrlosen Mannes stahl.

Neuer Termin oder Urteil ohne Angeklagte

Da die Angeklagte nicht erschienen war, hatte das Gericht zwei Alternativ­en: einen neuen Termin anzuberaum­en und die Frau notfalls vorzuführe­n oder aber sich, da der Verteidige­r eine Vertretung­svollmacht hatte, in ihrer Abwesenhei­t auf eine Strafhöhe zu einigen, die deren Familie „auch überlebt“, wie der Verteidige­r betonte.

Woran es nichts zu verhandeln gab: Aufgrund der Hilflosigk­eit des Geschädigt­en lag ein besonders schwerer Fall des Diebstahls vor. Zudem war die Angeklagte wegen zwei weiteren Diebstähle­n bereits einschlägi­g vorbestraf­t. Als strafmilde­rnd erkannte die Richterin an, dass die Frau nicht mehr auf Betteltour gehe und wieder Nachwuchs erwarte. Das Urteil sei ein „letztes Wachrüttel­n“, betonte Richterin König, die mit Zustimmung der Staatsanwa­ltschaft wegen Unverhältn­ismäßigkei­t von der Einziehung der 1200 Euro absah.

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