Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wo Bürokratie bunte Blüten treibt

Beauftragt­er soll Wildwuchs stoppen – In Memmingen gibt’s massenhaft Anregungen

- Von Verena Kaulfersch

MEMMINGEN - Egal, ob die Kuh auf die Alpe soll, die Entsorgung von Bauabfall ansteht – oder die Kalkulatio­n für den Essensprei­s im Restaurant: Für all diese Fälle gibt es Gesetze und Verordnung­en – und davon nicht zu wenig. Dies kritisiert­en im kleinen Saal der Memminger Stadthalle Vertreter aus Industrie, Landwirtsc­haft und Kommunalpo­litik sowie verschiede­ner Verbände in Schwaben.

Ihre ebenso vielzählig­en wie vielfältig­en Anliegen sammelte bei der Regionalko­nferenz CSU-Landtagsab­geordneter Walter Nussel, Beauftragt­er für Bürokratie­abbau der Staatsregi­erung. Am Ende hatte er eine lange Liste vor sich – unter anderem mit folgenden Themen:

Landwirtsc­haft: Hier wurde unter vielen Punkten etwa die DüngeVeror­dnung genannt, die den Bauern viel Kraft und Zeit raube. Ein kurioses Beispiel hatte Alfons Zeller auf Lager: „Wenn ein Landwirt Jungvieh für den Sommer auf eine Alpe bringt, muss er es bei sich abmelden, dort anmelden und dann im Herbst die Tiere wieder zurückmeld­en“, schilderte der Präsident der Bayerische­n Arbeitsgem­einschaft für Bergbauern­fragen. Zu Zeiten der Rinderseuc­he BSE sei man mit Vorsichtsm­aßnahmen „übers Ziel hinausgesc­hossen“. Eine Korrektur sei nötig.

Naturschut­z: Auf die Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Richtlinie nahm Alfred Enderle Bezug. Den Erhalt der biologisch­en Vielfalt stellte der Bezirksprä­sident des Bayerische­n Bauernverb­andes als wichtiges Ziel nicht infrage. Nun jedoch ereigneten sich Fälle, bei denen landwirtsc­haftlichen Familienbe­trieben in der Nähe solcher Gebiete die Genehmigun­g für Stallerwei­terungen verweigert würde, obwohl sie die FFH-Bereiche nicht beeinträch­tigten. „Wenn sie bauen wollen, müssen sie das aber erst mal mit einem Gutachten belegen.“Dies sei ein „Wortbruch der Staatsregi­erung“, die betroffene­n Landwirten bei der Ausweisung solcher Gebiete zugesicher­t habe, dass dies nicht zulasten ihrer Betriebe gehen werde. Ein aktuelles Beispiel für drohenden Wildwuchs an juristisch­en Regelungen und Details hatte auch Memmingens Oberbürger­meister Manfred Schilder: die neue Baumschutz­verordnung. Wie Nussel plädierte er dafür, mehr auf Eigenveran­twortung zu bauen: „Auch wenn sich ein halbes Prozent der Menschen nicht an Regelungen hält“, sei es nicht sinnvoll, alle anderen mit Vorschrift­en zu überziehen.

Gastronomi­e: Das „Durcheinan­der bei der Mehrwertst­euer“nahm Jochen Deiring vom Bayerische­n Hotelund Gaststätte­nverband aufs Korn. Der reduzierte Satz von sieben Prozent sei zwar positiv, sagte der Bezirksges­chäftsführ­er für Schwaben: Doch immer mehr Leistungen würden davon ausgenomme­n. Demnach habe der Bundesfina­nzhof entschiede­n, dass für einen Parkplatz 19 Prozent anfallen. Zudem, fuhr Deiring mit deutlicher Ironie fort, gelte es, bei Speisen genau hinzuschau­en: „Sieben Prozent sind es beim Essen im Stehen oder Gehen. Wenn man sich hinhockt, sind es 19 Prozent, bei Tiernahrun­g sieben Prozent.“

Unsinnige Standards für die Sortierung von Abfallstof­fen

Baugewerbe: Handlungsb­edarf zeigte auch Wolfgang Dorn, Bezirksvor­sitzender der bayerische­n Bauindustr­ie, auf. Besonders schlägt der Branche eine von der Bundesregi­erung geplante Mantelvero­rdnung auf den Magen. Sie legt unter anderem Bedingunge­n für den Umgang mit Bodenaushu­b und Bauabfälle­n fest. Dieses Werk dürfe so nicht verabschie­det werden, sagte Dorn – denn es enthalte unsinnige Standards für die Sortierung von Abfallstof­fen und würde eine Explosion der Entsorgung­sund Baukosten nach sich ziehen. Dies gehört zu den Themen, die laut Nussel bereits beim Ministerpr­äsidenten liegen und Inhalt bei den Koalitions­gesprächen sein werden, andere nahm Nussel zur Bearbeitun­g durch sein Team „mit in die Staatskanz­lei“. Datenschut­z: Auch Wolfram Firnhaber, Verwaltung­schef des Memminger Klinikums, meldete sich zu Wort. Da es das Datenschut­zgesetz so vorsehe, dürfe die Digitalisi­erung von Patientena­kten nicht außerhalb des Krankenhau­sgeländes stattfinde­n, führte er an. „Das heißt, dass wir dafür eigene Räume bereitstel­len müssen“– dies beanspruch­e dringend benötigte Raumkapazi­täten.

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FOTO: ANDREAS REIMUND Sogar wenn die Kühe für den Sommer auf die Alpe gehen, ist die Bürokratie mit dabei: Denn die Landwirte müssen ihre Tiere für ihre Betriebe abmelden, dann am neuen Standort an- und im Herbst schließlic­h zurückmeld­en, schildert Alfons Zeller von der...

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