Schwäbische Zeitung (Wangen)

Klinik wehrt Erpressung durch Hacker ab

Täter verlangen Lösegeld – Fachleute können Daten in Kempten wiederhers­tellen

- Von Peter Januschke

KEMPTEN/OBERALLGÄU - Auf die Katastroph­en-Nachricht ist Gott sei Dank eine erlösende Nachricht gefolgt: Das Klinikum Kempten/Oberallgäu war zweimal Ziel von Hackerangr­iffen, die elektronis­chen Sicherungs­systeme verhindert­en jedoch, dass Patienten- und Behandlung­sdaten verloren gegangenen sind. KlinikGesc­häftsführe­r Andreas Ruland nannte am Donnerstag im Kemptener Stadtrat bei der Vorstellun­g der insgesamt guten wirtschaft­lichen Entwicklun­g Investitio­nen in die Digitalisi­erung als eine der wichtigste­n Zukunftsau­fgaben. Wie das zu finanziere­n ist, bleibt offen: Die zur Verfügung stehenden Investitio­nsmittel werden derzeit großteils für die Medizintec­hnik benötigt.

Die Hackerangr­iffe erfolgten bereits 2015 und 2016, sagte Ruland während der Stadtratss­itzung. Kriminelle hatten einen sogenannte­n Trojaner namens „Locky“in das EDVSystem eingeschle­ust. Das Klinikum war damit einer von nahezu 400 000 Betroffene­n weltweit. Die Schadsoftw­are wird immer noch verbreitet und legt sämtliche Rechner eines Opfers lahm, indem Dateien verschlüss­elt und umbenannt werden. Die Verschlüss­elung ist kaum zu knacken. Die Hacker bieten im Anschluss an, gegen Zahlung eines Lösegelds die Dateien wieder freizugebe­n.

Im Klinikum hat man das alles gemerkt, „als beim Zugriff auf das Dateisyste­m Dokumente nicht mehr geöffnet werden konnten“, sagte am Freitag Sprecherin Christine Rumbucher. Der Schreck war sicherlich genauso groß wie die folgende Erleichter­ung: „Alle verschlüss­elten Daten konnten aus den Datensiche­rungen wieder hergestell­t werden, sodass es keinen Informatio­nsverlust gab.“

Ein Krankenhau­s in Los Angeles hatte nicht so viel Glück: Die Klinik verlor den Zugriff auf ihre Patientend­ateien.

Das Klinikum Kempten/Oberallgäu hat trotz der akuten Schadensbe­grenzung reagiert: „Durch verstärkte Investitio­nen in Firewalls und restriktiv­er angewandte­n Virenschut­z wurde die Sicherheit unserer EDVSysteme seither deutlich verstärkt“, sagte Rumbucher.

Häuser „in sehr gutem Zustand“

Insgesamt, betonte Geschäftsf­ührer Ruland während der Stadtratss­itzung, „sind unsere Häuser baulich und medizintec­hnisch in sehr gutem Zustand“. Für einen weiteren Bettenanba­u übernahmen die Stadträte sowie bei einer Sitzung am Freitag auch die Oberallgäu­er Kreisräte eine Kostenbürg­schaft in Höhe von jeweils 3,5 Millionen Euro. 2016 hat das Klinikum alles in allem 22,9 Millionen Euro investiert.

Von einem „positiven Trend bei schwierige­n Rahmenbedi­ngungen“sprach Ruland auch aus anderem Grund: Die Krankenhäu­ser in Kempten und dem Oberallgäu sind Patientenm­agneten. 2016 wurden fast 45 500 Menschen behandelt, heuer werden es voraussich­tlich noch einmal 500 mehr sein.

Die Personalno­t wie in anderen Krankenhäu­sern plagt das Klinikum nicht, sagte Ruland weiter. Im vergangene­n Jahr wurde das Pflegepers­onal um 47 Personen aufgestock­t: „Wir stellen jeden ein, der interessie­rt und geeignet ist.“Der Geschäftsf­ührer hofft darauf, dass weiterhin Personal aus der Region zu gewinnen ist: „Durch Ausländer ist unser Bedarf nicht zu decken.“

Auch Ärzte findet das Klinikum ausreichen­d, sagte Ruland. Hier sei hilfreich, dass man Lehrkranke­nhaus der Universitä­t Ulm ist. Ob es auch zu einer Kooperatio­n mit der neuen medizinisc­hen Fakultät Augsburg komme, müsse sich erst zeigen.

Das Bemühen, „das Wohl der Patienten“in den Mittelpunk­t der Arbeit zu stellen und möglichst viel Personal vorzuhalte­n, hat allerdings seinen Preis: Ruland wies auf das veränderte Verhältnis der Personalko­sten zu anderen Ausgaben hin. Im Griff habe man das nur „durch Einsparung­en bei den Material- und Sachkosten“. Eine Management­aufgabe.

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