Klinik wehrt Erpressung durch Hacker ab
Täter verlangen Lösegeld – Fachleute können Daten in Kempten wiederherstellen
KEMPTEN/OBERALLGÄU - Auf die Katastrophen-Nachricht ist Gott sei Dank eine erlösende Nachricht gefolgt: Das Klinikum Kempten/Oberallgäu war zweimal Ziel von Hackerangriffen, die elektronischen Sicherungssysteme verhinderten jedoch, dass Patienten- und Behandlungsdaten verloren gegangenen sind. KlinikGeschäftsführer Andreas Ruland nannte am Donnerstag im Kemptener Stadtrat bei der Vorstellung der insgesamt guten wirtschaftlichen Entwicklung Investitionen in die Digitalisierung als eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben. Wie das zu finanzieren ist, bleibt offen: Die zur Verfügung stehenden Investitionsmittel werden derzeit großteils für die Medizintechnik benötigt.
Die Hackerangriffe erfolgten bereits 2015 und 2016, sagte Ruland während der Stadtratssitzung. Kriminelle hatten einen sogenannten Trojaner namens „Locky“in das EDVSystem eingeschleust. Das Klinikum war damit einer von nahezu 400 000 Betroffenen weltweit. Die Schadsoftware wird immer noch verbreitet und legt sämtliche Rechner eines Opfers lahm, indem Dateien verschlüsselt und umbenannt werden. Die Verschlüsselung ist kaum zu knacken. Die Hacker bieten im Anschluss an, gegen Zahlung eines Lösegelds die Dateien wieder freizugeben.
Im Klinikum hat man das alles gemerkt, „als beim Zugriff auf das Dateisystem Dokumente nicht mehr geöffnet werden konnten“, sagte am Freitag Sprecherin Christine Rumbucher. Der Schreck war sicherlich genauso groß wie die folgende Erleichterung: „Alle verschlüsselten Daten konnten aus den Datensicherungen wieder hergestellt werden, sodass es keinen Informationsverlust gab.“
Ein Krankenhaus in Los Angeles hatte nicht so viel Glück: Die Klinik verlor den Zugriff auf ihre Patientendateien.
Das Klinikum Kempten/Oberallgäu hat trotz der akuten Schadensbegrenzung reagiert: „Durch verstärkte Investitionen in Firewalls und restriktiver angewandten Virenschutz wurde die Sicherheit unserer EDVSysteme seither deutlich verstärkt“, sagte Rumbucher.
Häuser „in sehr gutem Zustand“
Insgesamt, betonte Geschäftsführer Ruland während der Stadtratssitzung, „sind unsere Häuser baulich und medizintechnisch in sehr gutem Zustand“. Für einen weiteren Bettenanbau übernahmen die Stadträte sowie bei einer Sitzung am Freitag auch die Oberallgäuer Kreisräte eine Kostenbürgschaft in Höhe von jeweils 3,5 Millionen Euro. 2016 hat das Klinikum alles in allem 22,9 Millionen Euro investiert.
Von einem „positiven Trend bei schwierigen Rahmenbedingungen“sprach Ruland auch aus anderem Grund: Die Krankenhäuser in Kempten und dem Oberallgäu sind Patientenmagneten. 2016 wurden fast 45 500 Menschen behandelt, heuer werden es voraussichtlich noch einmal 500 mehr sein.
Die Personalnot wie in anderen Krankenhäusern plagt das Klinikum nicht, sagte Ruland weiter. Im vergangenen Jahr wurde das Pflegepersonal um 47 Personen aufgestockt: „Wir stellen jeden ein, der interessiert und geeignet ist.“Der Geschäftsführer hofft darauf, dass weiterhin Personal aus der Region zu gewinnen ist: „Durch Ausländer ist unser Bedarf nicht zu decken.“
Auch Ärzte findet das Klinikum ausreichend, sagte Ruland. Hier sei hilfreich, dass man Lehrkrankenhaus der Universität Ulm ist. Ob es auch zu einer Kooperation mit der neuen medizinischen Fakultät Augsburg komme, müsse sich erst zeigen.
Das Bemühen, „das Wohl der Patienten“in den Mittelpunkt der Arbeit zu stellen und möglichst viel Personal vorzuhalten, hat allerdings seinen Preis: Ruland wies auf das veränderte Verhältnis der Personalkosten zu anderen Ausgaben hin. Im Griff habe man das nur „durch Einsparungen bei den Material- und Sachkosten“. Eine Managementaufgabe.