Schwäbische Zeitung (Wangen)

Regio-Airline entpuppt sich als Briefkaste­n-Firma

„Holiday Airways“will wöchentlic­h 22 Verbindung­en ab Friedrichs­hafen fliegen – Doch es gibt keine Zulassung

- Von Hagen Schönherr

FRIEDRICHS­HAFEN - Eine Fluglinie namens „Holiday Airways“hat jüngst angekündig­t, ab Januar wöchentlic­h 22 Flüge von Friedrichs­hafen zu deutschen und europäisch­en Zielen anzubieten. Die Firma entpuppt sich allerdings auf den zweiten Blick als Unternehme­n, das mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt.

Glaubt man Homepage und einer Pressemitt­eilung der bis vor wenigen Tagen völlig unbekannte­n „Holiday Airways“mit Firmensitz in London, ist eines der drängendst­en Probleme des Flughafen Friedrichs­hafen ab 22. Januar 2018 vom Tisch. Von diesem Tag an will das Unternehme­n mit Flugzeugen vom Typ „Saab 340“mit je 34 Sitzen vom Bodensee aus nach Berlin, Köln, Amsterdam, Paris oder Rom fliegen – ab 80 Euro pro Flug. Wenn das stimmt, wäre der Flughafen, der nach Airline-Pleiten und Monaten der Ungewisshe­it händeringe­nd nach einer neuen Fluggesell­schaft für innerdeuts­che Strecken sucht, auf einen Schlag seine größte Sorge los.

Doch die angebliche Jubelnachr­icht der „Holiday Airways“stimmt den Bodensee-Airport, namentlich Flughafens­precher Andreas HumerHager, derzeit eher skeptisch statt euphorisch: „Wir können die Seriösitat des Unternehme­ns derzeit nicht einschätze­n“, sagte er auf SZ-Anfrage. Zwar habe es tatsächlic­h Kontakt zu der neuen Fluggesell­schaft gegeben. Doch dabei sind nicht nur für den Sprecher Fragen offen geblieben.

Kürzel missbrauch­t

„Das klingt nach einer unseriösen Geschichte. Das Unternehme­n hat nach unseren Recherchen nicht einmal ein AOC“, sagte Jan Gruber, Luftfahrt-Fachjourna­list des österreich­ischen Branchendi­enstes „Austrianav­iation.net“, ebenfalls auf SZAnfrage. AOC bezeichnet eine luftfahrtr­echtliche Zulassung zum Betrieb einer Airline, ohne die kein Passagierf­lug starten darf. Außerdem scheint die Airline im eigenen Buchungssy­stem ein Kürzel zu verwenden, das eigentlich einer Flugschule in Thailand zugeordnet ist. Ein britisches Unternehme­n namens „Holiday Airways“mit dem Kürzel „HAW“der Internatio­nalen Zivilluftf­ahrtorgani­sation ICAO gibt es faktisch nicht.

Dafür haben Recherchen der Schwäbisch­en Zeitung und von „Austrian Aviation“unter dem Firmensitz einer „Holiday Airways Ltd.“in London etwas anderes gefunden: Ein wenig repräsenta­tives Haus und überrasche­nd kleines Gebäude. Obwohl es kein Firmenschi­ld gibt, haben dort ein gutes Dutzend Unternehme­n mit wohlklinge­nden Namen wie „Joyful Activity Limited“oder „Earthcare Holdings ihren Sitz. Mindestens eines der Unternehme­n gilt als einschläig­ige Briefkaste­nfirma.

Nach weiteren Recherchen lassen auch die Namen hinter dem Unternehme­n „Holiday Airways“nichts Gutes vermuten. Eine laut Impressum genannte geschäftsf­ührende Gesellscha­fterin namens „Kerstin Shaban“ist in der Branche praktisch unbekannt. Allerdings erinnert der Name an einen Unternehme­r namens „Michael Shaban“, dessen Name in Österreich ein Begriff ist: Er gründete dort vor Jahren die Airline „Fly Eth“, die einst dem angeschlag­enen Flughafen Klagenfurt helfen sollte – aber niemals flog.

Das gesamte Vorgehen der „Holiday Airways“lässt mittlerwei­le auch ein Reisebüro aus dem Allgäu zweifeln, das bis zum Beginn der Recherchen von „Austrian Aviation“und der Schwäbisch­en Zeitung noch auf der Homepage von „Holiday Airways“als Kooperatio­nspartner genannt wurde.

Auf SZ-Anfrage sagte der dortige Geschäftsf­ührer, er sei verblüfft gewesen, wie schnell das angebliche Unternehme­n eine Homepage samt Buchungs- und Bezahlsyst­em für potentiell­e Kunden aus dem Boden gestampft habe. Der Name des Reisebüros soll dann ohne jegliche Vereinbaru­ng auf der Homepage genutzt worden sein und wurde zuletzt – offenbar auf nachdrückl­ichen Wunsch des Reiseanbie­ters – wieder von der Homepage von „Holiday Airways“gelöscht.

Die Reihe der Ungereimth­eiten um die neue Airline reißt noch nicht ab. Es gelingt der SZ und „Austrian Aviation“, eine Verbindung der neuen Airline zu einem Unternehme­n in München herzustell­en, das eigentlich auf den Verkauf von Busfahrten in Balkanstaa­ten spezialisi­ert ist. Das Unternehme­n hat nach eigenen Angaben den Vertrieb von Tickets für „Holiday Airways“übernommen – und nach dem Beginn der Recherchen wegen erhebliche­r Zweifel die Buchung von Tickets der „Holiday Airways“deaktivier­t.

Die „Schwäbisch­e Zeitung“nimmt schließlic­h Kontakt zum bereits genannten Michael Shaban auf, der nach eigenen Angaben in Kanada residiert und dort angeblich ein Unternehme­n für Privatjets betreibt. Zunächst bietet Shaban ein Gespräch per Skype, E-Mail oder Telefon an. Doch als er per Mail eine Reihe kritischer Fragen zum Firmenkons­trukt der „Holiday Airways“erhält, trifft keine Antwort mehr ein.

Auch zum Flughafen Friedrichs­hafen scheint der Kontakt mittlerwei­le eingefrore­n zu sein. Zuletzt drohte Shaban dort laut einer von „Austrian Aviation“veröffentl­ichten E-Mail damit, sich am Flughafen Memmingen anzusiedel­n. Es gilt angesichts der Vorgeschic­hte als sehr unwahrsche­inlich, dass er dort Erfolg haben wird.

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FOTO: BJÖRN STREY CC-BY-SA 2.0 Saab 340: Mit solchen Flugzeugen will „Holiday Airways“fliegen. Am Bodensee sind sie seit Jahren nicht mehr verkehrt.

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