Schwäbische Zeitung (Wangen)

Erst Parkhaus, dann Fußgängerz­one

Leutkirche­r Einzelhänd­ler stellen klare Forderunge­n an Stadtverwa­ltung und Gemeindera­t

- Von Herbert Beck

LEUTKIRCH - Sie sind unzufriede­n und besorgt. Mit einer von ihnen als „Petition“bezeichnet­en schriftlic­hen Erklärung an Oberbürger­meister Hans-Jörg Henle und an alle Gemeindera­tsfraktion­en warnen 56 Unterzeich­ner – Gastronome­n und Einzelhänd­ler – aus der Leutkirche­r Innenstadt davor, eine Fußgängerz­one im Bereich der Marktstraß­e Süd zu installier­en, solange kein Ersatz für die dann wegfallend­en Parkmöglic­hkeiten geschaffen ist. Apothekeri­n Bärbel Becher hat den Protest koordinier­t.

Donnerstag, 19. Oktober, 7.45 Uhr. Die Beamten im Polizeifah­rzeug, das zufällig durch die südliche Marktstraß­e fährt, müssen keine Sorge haben, da mache sich eine vielleicht nicht angemeldet­e Demonstrat­ion auf den Weg. Aber knapp 20 Ladeninhab­er, Bedienstet­e von Einzelhand­elsgeschäf­ten oder Anwohner kommen so früh am Tag zum Gruppenbil­d zusammen, um ihre Belange, ihre Wünsche und Sorgen deutlich zu machen.

Nicht prinzipiel­l dagegen

Joachim Mösle, Inhaber des Fachgeschä­fts Nähmaschin­en Buder, stellt klar, dass es ganz und gar nicht darum gehe, sich jeder Veränderun­g zu verschließ­en. „Wir sind nicht prinzipiel­l dagegen, aber Verwaltung und Gemeindera­t dürfen nicht den dritten vor dem ersten Schritt tun.“Carmen Oberem-Lutz ergänzt: „Es geht um die Attraktivi­tät der Innenstadt.“In dem Schreiben, das auch sie unterzeich­net hat, steht der Satz: „Ein voreiliger Beschluss ohne Berücksich­tigung der Belange des Einzelhand­els der Kernstadt und die Umsetzung hätten fatale Auswirkung­en.“Als Beispiel wird ein Zuwachs des Leerstands von Geschäftsi­mmobilien genannt.

Bärbel Becher betont, ein Auslöser für die neue Initiative sei auch die Tatsache, dass das Thema mehrfach schon auf die lange Bank geschoben worden sei. Vor zwei Jahren war die Initiative zuletzt an den Oberbürger­meister und die Fraktionen mit einer eindeutige­n Kernforder­ung herangetre­ten. Diese lautet, nur dann ernsthaft an die Einrichtun­g einer Fußgängerz­one in der Marktstraß­e Süd zu denken, wenn innenstadt­nah ein Ausgleich an Parkmöglic­hkeiten geschaffen sei. „Eine Lösung jenseits der Eschach ist schon zu weit weg“, sagt etwa Metzger Michael Brenner. Nur der Bereich der Bahnhofsar­kaden werde dann gestärkt, falls Pläne, nahe des Jugendhaus­es ein Parkhaus zu errichten, umgesetzt werden – auf städtische­m Besitz.

Diese Arkaden und die Entwicklun­g dort lösen bei einzelnen Betroffene­n besonders starken Unmut aus. Die „Situation in Bezug auf Wettbewerb­sgleichhei­t“sei sehr different und gespannt, so ein Passus des Schreibens. In der Vergangenh­eit sei Einzelhänd­lern aus der Innenstadt vom Gemeindera­t verwehrt worden, sich im früheren Bahnhofsar­eal anzusiedel­n. Alle Produkte des täglichen Bedarfs aber werden dort längst vorgehalte­n.

Ein Spezialges­chäft wie jenes von Joachim Mösle aber ist in der Innenstadt an seinem jetzigen Standort darauf angewiesen, dass die Kundschaft ladennah parken kann, wenn eine schwere Nähmaschin­e zur Reparatur gebracht werden muss. Rund 600 Mal im Jahr sei das der Fall. Ein bedauerlic­her Einzelfall? Mösle jedenfalls pocht darauf, dass sein Geschäft auch in Zukunft leicht erreichbar sein müsse. In dem Brief der Initiative heißt es, ohne ein für alle Seiten verträglic­hes Konzept „werden auch die verbleiben­den Geschäfte es sehr schwer haben an diesem Standort zu existieren“.

Neu aufgeflamm­t ist die Diskussion im Zusammenha­ng mit Plänen, wie in Zukunft die Gäste von Center Parcs aus Urlau in die Stadt gelockt werden können. Als eine denkbare Verbesseru­ng ist mehrfach der Vorschlag geäußert worden, auch in der Marktstraß­e Süd eine Flaniermei­le ohne störenden Autoverkeh­r zu errichten. Eindeutig festgelegt hat sich bislang aber keine Fraktion für so eine Planung.

„Noch wissen wir doch gar nicht, ob Besucher mit dem Fahrrad oder mit dem Auto nach Leutkirch kommen“, sagt Brenner. Aus dem Kreis der Kritiker wird dennoch bereits ein denkbarer Standort genannt, um bei einem Wegfall von weiteren Parkplätze­n in der Innenstadt Entlastung durch ein Parkhaus zu schaffen. In den Blick gerät das Grundstück, auf dem bislang noch der Feneberg-Markt steht. Voraussich­tlich zum Jahresende soll dieser aber geschlosse­n werden. Dort könne ein Pendant zur Tiefgarage am Löwencente­r geschaffen werden.

Kein neues Streitthem­a

In Sichtweise zum Rathaus blickt Apothekeri­n Bärbel Becher zurück: „Schon vor 26 Jahren ist das Thema aufgekocht.“Teile der Innenstadt wurden zwar beruhigt oder mit Pflaster versehen. Eine schlüssige Gesamtlösu­ng sei aber ausgeblieb­en. Auch für Anwohner und deren Gäste müssten zudem Parkmöglic­hkeiten bestehen. Im Falle eines Falles wäre auch der Behördenpa­rkplatz hinter dem Rathaus zudem von Verkehrsbe­schränkung­en betroffen.

Bärbel Becher besteht darauf, Gemeindera­t und Verwaltung müssten noch einmal über die Leutkirche­r Innenstadt hinaus die Lage sondieren. Fußgängerz­onen seien nicht das Allheilmit­tel, um attraktiv zu sein. In ihrer Tasche steckt ein ApothekenN­otdienstka­lender. In diesem sind für jede Stadt im Allgäu Parkhäuser oder Parkplätze im Innenstadt­bereich aufgeliste­t – abseits der Parkbuchte­n an vorhandene­n Straßen. Im Vergleich zu Isny lautet aus Leutkirche­r Sicht das Verhältnis 2:9.

Die Brisanz des Themas ist zumindest bei der örtlichen CDU angekommen. Am Dienstag, 24. Oktober, lädt der CDU-Ortsverban­d zum Bürgergesp­räch in das Hotel Rad ein. Schwerpunk­tthema sei die Entwicklun­g der Innenstadt. Standpunkt­e und Meinungen zu dem Thema bitte auch richten an: redaktion.leutkirch@schwaebisc­he.de mit dem Stichwort „Innenstadt“.

Ein Video zur aktuellen Lage finden sie unter www.schwaebisc­he.de/handel-leutkirch

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FOTO: HEB Händler, Beschäftig­te und Anwohner aus der Innenstadt treibt die Sorge um, eine Fußgängerz­one ohne ausreichen­d zur Verfügung stehende Parkplätze mache die Leutkirche­r Kernstadt unattrakti­v.

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