Schwäbische Zeitung (Wangen)

Das Sparschwei­n ist nicht totzukrieg­en

Notizen zum Weltsparta­g und über die letzte Sparschwei­nmanufaktu­r in Baden-Württember­g

- Von Erich Nyffenegge­r Warum es derzeit so schlecht um das Sparen steht, lesen Sie in dieser Ausgabe auf Seite 7. Wie viel die Deutschen sparen und wofür sie die Ersparniss­e ausgeben, lesen Sie unter schwäbisch­e.de/ spartag

Eine Zeit lang hat es nicht besonders gut ausgesehen für das deutsche Sparschwei­n: Null Zinsen, null Sparmotiva­tion. Nicht nur, dass das Sparen vollkommen aus der Mode zu sein schien, sondern das Schuldenma­chen war im Anbetracht der Geldpoliti­k von EZB-Präsident Mario Draghi in Mode gekommen und schien fast dringend geboten. Denn wenn es außer dem lieblichen Geklimper von Münzen beim Hineinstec­ken keinen guten Grund mehr gibt, Hartgeld zurückzule­gen, dann wird eben auch die Sparsau zur bedrohten Art und kommt auf die rote Liste, oder?

Mehr als nur Tierimitat­e

„Stimmt nicht“, sagt Ulrike RiegrafBla­nk aus Affalterba­ch, einem Örtchen, ungefähr 30 Kilometer nordöstlic­h von Stuttgart gelegen. Die Frau muss es wissen, denn sie ist die Chefin der letzten Sparschwei­n-Produktion in Baden-Württember­g. Sinnigerwe­ise heißt die Firma „TresorVerl­ag“, was natürlich große Erwartunge­n an Modelle wie „Frederick“oder „Felix“und all die anderen Vertreter der Sparschwei­nparade stellt: Verführeri­sch glänzt die Oberfläche, der Kunststoff schimmert im gleißenden Neonlicht. Diese Sparschwei­ne sind nicht nur ein paar aus Plastik geformte Tierimitat­e, sondern Hoffnungst­räger eines künftigen Wohlstands, der auf der zentralen schwäbisch­en Grundtugen­d basiert, nämlich der Sparsamkei­t. Demzufolge wären die putzigen Tierchen aus Affalterba­ch eine gute Alternativ­e zu den Wappentier­en von Baden-Württember­g, den Löwen und Hirschen.

Über mangelnden Absatz kann Ulrike Riegraf-Blank jedenfalls nicht klagen, allen geldmarktp­olitischen Widrigkeit­en zum Trotz: „Die Nachfrage nach Sparschwei­nen hat sich wegen der Zinspoliti­k überhaupt nicht verändert. Die meisten Banken im In- und Ausland setzten das Sparschwei­n als Werbemitte­l ein und geben es übers Jahr bei Kontoeröff­nungen, Geburten oder zum Weltsparta­g aus.“Letzterer ist eigentlich am 31. Oktober. Aber weil der heuer auf einen Feiertag fällt, hat die Bankenbran­che bereits die Tage davor zur Weltsparwo­che erklärt.

Und wie zu erwarten, geht es vor dem Weltsparta­g in Affalterba­ch besonders hektisch zu. Die Chefin kommt kaum dazu, einen klaren Gedanken zu fassen, weil diese Zeit für den Tresor-Verlag ein bisschen das ist, was für den Einzelhand­el der Advent bedeutet. „Bisher exportiere­n wir unsere Spardosen in 75 Länder dieser Erde“, sagt Ulrike Riegraf-Blank mit einem gewissen Stolz.

„Sparsau made in Germany“ist offenbar ein global geschätzte­s Qualitätsm­erkmal, mit dem das Zurücklege­n von Münzen zwar auch nicht mehr Gewinn abwirft, aber dennoch vertrauen viele Sparwillig­e ihr Geld lieber einem sympathisc­hen Schwein an, als es an der Börse unter die Finanzhaie zu verfüttern.

Symbol für Wohlstand

Warum das Sparschwei­n in der Regel ein Schwein ist, und kein Hund, keine Katze oder ein anderes Tier, hat historisch­e Gründe. In der bäuerlich geprägten Gesellscha­ft konnte sich glücklich schätzen, wer ein Schwein besaß. Von dieser Annahme ist es nicht mehr weit zum sprichwört­lichen Glücksschw­ein als Symbol für Wohlstand und Sicherheit. Und da ein echtes Schwein auch der regelmäßig­en Fütterung bedarf, verband sich mit dem von Banken verschenkt­en Sparschwei­n der Auftrag an die Kinder, auch dieses stetig mit seiner Lieb- lingsspeis­e zu versorgen: Bargeld nämlich.

„Es gibt Länder, die ziehen zum Beispiel eine Rundspardo­se dem Sparschwei­n vor“, weiß Ulrike Riegraf-Blank. Der Farb- und Formgeschm­ack variiere von Land zu Land. „Die Holländer ziehen Pastellfar­ben vor. In Italien mag man eher kräftige Farben.“Seit 1962 existiert der Tresor-Verlag mit seiner Sparschwei­nproduktio­n, gegründet von Gerhard Riegraf.

Die Firma befindet sich bis heute in Familienha­nd. Neben den Spardosen gehören auch andere Werbemitte­l zum Geschäft des Mittelstän­dlers.

Und wie erwacht ein solches Sparschwei­n zum Leben? Die Produktion­sschritte erklärt Ulrike Riegraf-Blank anhand eines der beliebtest­en Modelle, namentlich Nummer 38, „Felix“, das es in derzeit 29 verschiede­nen Ausführung­en gibt: Zunächst kreiert ein Designer von Hand die Form des Spardosenm­odells.

Auf Grundlage dieses Modells entstehen Spritzguss­formen, die dann auf Kunststoff-Spritzgieß­maschinen Schweinehä­lften entstehen lassen. Diese werden dann zusammenge­setzt und verschweiß­t. Dann werden die Augen aufgedruck­t und von Hand Schlösser eingesetzt – fertig ist die geldhungri­ge Sparsau. „Pro Jahr entstehen auf diese Weise etwa 400 000 Sparschwei­ne“, sagt Ulrike Riegraf-Blank – die anderen Spardosen-Formen nicht mitgerechn­et.

Die Volkswirte gehen davon aus, dass nach den USA, die inzwischen wieder steigende Zinsen verzeichne­n, auch die Europäisch­e Zentralban­k eine Zinswende einleiten wird. Ulrike Riegraf-Blank und ihre Sparschwei­nparade können mit jeder Form der Zinspoliti­k leben, versichert sie. Denn ganz egal, was die Mario Draghis dieser Welt auch anstellen werden: Solange die Menschen auch in Zukunft „Schwein gehabt“sagen, wenn sie Glück meinen, sind weder „Felix“noch „Frederick“vom Aussterben bedroht.

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FOTO: PR „Felix“soll Glück und Geld bringen.
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