Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die heftigste Luftschlac­ht über dem Allgäu

Vier Amerikaner wandeln in Legau auf den Spuren ihres Vaters und Großvaters

- Von Daniel Halder

LEGAU - Vier Männer stehen an einer Mauer des Legauer Rathauses. Sie sind verwundet, wirken verängstig­t. Das Bild der vier gefangen genommenen Besatzungs­mitglieder eines US-Bombers entstand am 18. Juli 1944. Am selben Tag war ihr B -17-Bomber zusammen mit mindestens 13 weiteren amerikanis­chen Maschinen im Luftraum zwischen Kempten und Memmingen abgeschoss­en worden. Es war der Tag des größten US-Bomberangr­iffs auf den Fliegerhor­st Memmingen, der für die deutsche Luftwaffe damals ein wichtiger Stützpunkt war.

Mehr als 73 Jahre nach Kriegsende stehen vier Männer an derselben Mauer in Legau. Es sind die drei Söhne und der Enkel des Mannes mit dem markanten Schnauzbar­t auf dem Bild. Auf Einladung des Aichstette­ner Gemeindear­chivars Gerhard Schmaus wandeln die Amerikaner aus Akron (Ohio) und Chicago (Illinois) auf den Spuren ihres Vaters und Großvaters Daniel Elias LaHurd, der hier in Kriegsgefa­ngenschaft geriet. Schmaus arbeitet an einem Buch über die letzte große Luftschlac­ht im Zweiten Weltkrieg im Allgäu. Durch Zufall ist er auf die Nachfahren des amerikanis­chen Bombenschü­tzen gestoßen. Ein Auszubilde­nder am Flughafen Memmingen hatte Daniel LaHurd im Internet auf einem Buchtitel gesehen. In „A Story of One“, erzählt Christophe­r LaHurd die Geschichte seines Großvaters.

Schmaus nahm per E-Mail Kontakt auf. „Als Gerhard mir schrieb, konnte ich es kaum glauben“, sagte Christophe­r LaHurd bei seinem Besuch in Legau. Der 35-Jährige arbeitet in Wien und wollte sich zunächst nur mit seiner Frau auf Spurensuch­e begeben. Doch als er seinen Verwandten in den USA davon erzählte, wollten auch sein Vater Daniel (62) und dessen Brüder Dennis (66) und Ryan (71) mit ihren Familien mitkommen. „Es ist ein sehr emotionale­r Tag für uns“, sagt LaHurd in Legau. „Jetzt an diesen Plätzen zu sein, an denen mein Opa Angst um sein Leben hatte, wühlt uns alle auf. Er stand damals dem Feind gegenüber. Heute, 73 Jahre später, sitze ich in einem Raum mit deutschen Freunden. Dafür müssen wir dankbar sein“, sagt LaHurd.

Puzzleteil­e kommen zusammen

Sein Buch und die Nachforsch­ungen von Schmaus fügen viele Puzzleteil­e zusammen. An Bord des B-17-Bombers waren außer Daniel LaHurd neun weitere amerikanis­che Soldaten. Neun konnten sich mit dem Fallschirm retten, einer überlebte den Angriff nicht. Die Maschine stürzte in ein Feld bei Aichstette­n. LaHurd landete mit seinem Fallschirm bei Bettrichs (zwischen Altusried und Legau). Dort wurde er aufgegriff­en und zum Verhör nach Legau gebracht.

Die Einheimisc­he Erna Fend schrieb damals in einem Brief an ihren Freund: „Vier der gefährlich­en Burschen sind auf Legauer Flur niedergega­ngen, und wir hätten uns das nie träumen lassen, dass wir im Rathaus viermal den Feind in so beträchtli­cher Weise haben, denn dorthin wurde einer nach dem anderen gebracht. Einer davon war wirklich zu fürchten, groß, buschige schwarze Haare mit Schnurrbar­t, sah einfach beängstige­nd aus.“Christophe­r LaHurd schmunzelt­e, als Schmaus diese Zeilen vorlas. „Mein Großvater war ein charismati­scher, guter Kerl.“Nach dem Verhör in Legau kam er 1944 zuerst ins Durchgangs­lager nach Wetzlar, ehe er an der Ostsee gefangen gehalten wurde. Nach der Befreiung Nazi-Deutschlan­ds am 8. Mai 1945 kehrte er in seine Heimatstad­t

„Mein Großvater war ein charismati­scher, guter Kerl.“Christophe­r LaHurd

Akron zurück, wo er ein Restaurant und einen Gemüsehand­el eröffnete. In den 1990er Jahren zog er nach Florida. Daniel LaHurd starb 2005.

Auch über die meisten der anderen Soldaten auf dem Foto ist inzwischen Vieles bekannt. Links ist Pilot Matthew Smith zu sehen, rechts neben LaHurd steht mit großer Wahrschein­lichkeit Co-Pilot Harvey Myers. An ihn erinnerten sich die Schwestern Cilly Schröck (91) und Monika Hörberg (89), die beim Besuch der Amerikaner dabei waren. „Wir haben ihn nach dem Absturz in einem Kornfeld aufgelesen und in den elterliche­n Bauernhof bei Felben gebracht. Eine unserer Schwestern hat seinen blutigen Arm verbunden, während eine andere hastig im Keller Stoff aus seinem Fallschirm schnitt. Daraus bekamen wir später Blusen“, sagten sie. Auch Myers kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA zurück.

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FOTOS: HALDER Am 18. Juli 1944 geriet der amerikanis­che Soldat Daniel LaHurd (Zweiter von links auf dem alten Foto) in Legau in deutsche Kriegsgefa­ngenschaft. Mehr als 73 Jahre später reisen sein Enkel Christophe­r (Zweiter von links) und seine Söhne Daniel, Dennis...
 ??  ?? Der amerikanis­che Soldat Daniel LaHurd war 1944 mit einem B-17-Bomber abgestürzt.
Der amerikanis­che Soldat Daniel LaHurd war 1944 mit einem B-17-Bomber abgestürzt.
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Ein Bekannter des Aichstette­ner Gemeindear­chivars erkannte Daniel LaHurd auf einem Buchcover.

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