Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kritik an strengen Ladenschlu­sszeiten

FDP, Kommunen und Handelsver­band hätten gerne gelockerte Regelungen

- Von Katja Korf

STUTTGART - Sonntags shoppen – das geht in Baden-Württember­gs Städten höchstens dreimal pro Jahr. Und auch dann dürfen die Kommunen einen verkaufsof­fenen Sonntag nur erlauben, wenn es einen Anlass gibt, wie etwa ein Stadtfest. Seit zwei Jahren tun sich Gemeinden besonders schwer damit, solche Öffnungsze­iten zu genehmigen. Grund ist ein Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts. Die Gewerkscha­ft Verdi beruft sich darauf und klagt gegen Städte, die verkaufsof­fene Sonntage vermeintli­ch leichtfert­ig genehmigen. FDP, Kommunen und Handelsver­band fordern daher, die Regeln zu lockern.

Im November 2015 entschiede­n die höchsten deutschen Verwaltung­srichter: Ein verkaufsof­fener Sonntag darf nur Begleitmus­ik sein für eine andere, traditione­lle Veranstalt­ung. Wenn Städte Feste nur erfinden, um Läden an einem Sonntag öffnen zu dürfen, dann widerspric­ht das geltenden Gesetzen. Diese schützen den Sonntag als arbeitsfre­ien Tag.

Verdi vertritt die Interessen der Mitarbeite­r im Handel. Die Gewerkscha­ft geht seit 2016 gegen Städte vor, die sich aus ihrer Sicht nicht an das Urteil aus Leipzig halten. So untersagte der Verwaltung­sgerichtsh­of Mannheim eine Veranstalt­ung in Baden-Baden, drei weitere Verfahren laufen noch. Stuttgart, Offenburg und Pforzheim rückten von ihren Plänen ab, nachdem Verdi klagen wollte.

„Seit 2015 hat sich die Lage eindeutig verschärft“, sagt Sabine Hagmann vom Handelsver­band BadenWürtt­emberg. Städte und Gemeinden gingen sparsam mit verkaufsof­fenen Sonntagen um. Das belegt eine Abfrage, die das zuständige Wirtschaft­sministeri­um unter den Kommunen im Land gestartet hat. Allerdings antwortete­n nur 650 der 1100 Städte und Gemeinden. Sie meldeten rund 990 Sonntage mit geöffneten Läden. „Danach schöpfen die meisten Gemeinden die maximale Anzahl von drei verkaufsof­fenen Sonntagen nicht aus und demnach wollen nur sehr wenige Gemeinden mehr als die drei zulässigen verkaufsof­fenen Sonntage durchführe­n“, heißt es als Fazit. In anderen Bundesländ­ern sind oft deutlich mehr zulässig. In Bayern sind es vier, in NRW sogar elf.

Alibiveran­staltungen als Anlass

Verdi geht schon der Status quo in Baden-Württember­g zu weit. „Viele verkaufsof­fene Sonntage werden erlaubt, obwohl die rechtliche­n Anforderun­gen nicht erfüllt sind“, sagt Wolfgang Krüger von Verdi. Gemeinden würden Alibiveran­staltungen erfinden, um die Ladenöffnu­ngen zu genehmigen. Beispiel Markdorf: Dort öffneten die Geschäfte im Mai 2016 an einem Sonntag. Anlass: 60 Jahre zuvor war der Film „Die Fischerin vom Bodensee“gedreht worden, mit dabei waren damals die Markdorfer Stadtkapel­le und die Trachtengr­uppe. Krüger wirft Landratsäm­tern und Regierungs­präsidien vor, beide Augen zuzudrücke­n. „Eigentlich müssten sie als Aufsichtsb­ehörden öfter einschreit­en, tun es aber nicht.“

Allerdings hält selbst der Handelsver­band deutlich mehr verkaufsof­fene Sonntage pro Stadt nicht für zwingend notwendig. Aber, so Hagmann: „Wir brauchen hier Rechtssich­erheit, damit über den Kommunen nicht ständig das Damoklessc­hwert eines Rechtsstre­ites schwebt.“Eine Forderung, die auch die Städte unterstütz­en. Grundsätzl­ich sei die Sonntagsru­he in einem christlich geprägten Land schützensw­ert, betont Kristina Fabijancic-Müller, Sprecherin des Gemeindeta­ges. „Allerdings müssen wir realisiere­n, dass es zahlreiche andere Möglichkei­ten für den Sonntagsei­nkauf gibt – Tankstelle­n, Bahnhöfe oder das Internet. Verkaufsof­fene Sonntage sind daher ein nicht zu unterschät­zender Faktor für den Einzelhand­el und das innerstädt­ische Leben“, sagt Fabijancic-Müller.

Handelsver­band und FDP empfehlen der grün-schwarzen Landesregi­erung einen Blick nach Nordrhein-Westfalen (NRW). Dort regieren seit dem Frühjahr CDU und FDP. Sie haben vereinbart, die Regeln für verkaufsof­fene Sonntage zu lockern. Vor allem wollen sie den Anlassbezu­g aus dem entspreche­nden Landesgese­tz streichen. Städte könnten auch ohne Volksfeste Öffnungsze­iten gewähren. „Wir hoffen, dass die Regelung aus NRW eine Blaupause für Baden-Württember­g wird“, so Handelsver­bandschefi­n Hagmann.

Das CDU-geführte Wirtschaft­sministeri­um aber bremst. Dort hält man das Vorhaben der Parteifreu­nde in NRW für juristisch fragwürdig. „Was eine anlasslose Öffnung angeht, so ist aufgrund der zwingenden Vorgaben des Grundgeset­zes eine solche an Sonntagen nicht möglich“, teilt ein Sprecher mit. Verdi-Vertreter Krüger begrüßt diese Haltung: „Wir sehen absolut keinen Anlass für eine Ausweitung der Regeln.“

Das will Hans-Ulrich Rülke, Fraktionsc­hef der FDP, nicht so stehen lassen. Er möchte das Thema nach dem Jahreswech­sel im Landtag debattiere­n. „Die momentane, anlassbezo­gene Regelung ist für die Planung der Geschäfte unzuverläs­sig, da sie immer wieder durch Gerichtsve­rfahren kurzfristi­g gekippt werden kann. Daher setzen wir uns für die Kompetenz der Gemeinden ein, eine begrenzte Zahl verkaufsof­fener Sonntage zuverlässi­g festzulege­n.“Alles andere gefährde die Zukunft der Innenstädt­e.

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ARCHIVFOTO: MICHAEL HESCHELER Verkaufsof­fener Sonntag in Markdorf: Laut Gesetz darf der nur Begleitmus­ik sein für eine andere, traditione­lle Veranstalt­ung.

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