Schwäbische Zeitung (Wangen)

Tempo 30 nachts macht nur Sinn, wenn es wirklich weniger Lärm gibt

-

Folgt man den Reaktionen in sozialen Netzwerken zur Aufstellun­g der nachts geltenden Tempo-30-Schilder, dann haben die Verantwort­lichen in Wangen damit sicher keinen Beliebthei­tspreis ge- wonnen. Über Sinn und Unsinn der Maßnahme wurde am zurücklieg­enden Wochenende virtuell weidlich debattiert – und mehrheitli­ch kam die Meinung zum Ausdruck, dass es sich bei dem Gebot um Unsinn handele.

Mit diesem Pauschalur­teil wird man aber weder Stadt und Gemeindera­t noch der Sachlage gerecht. Zur Erinnerung: Das Aufstellen der Schilder geschah im Rahmen des Lärmaktion­splans. Und bei diesem handelt es sich um eine EU-Richtlinie, die die Kommunen umzusetzen haben. Nicht über einen Kamm geschert überall, sondern dort, wo der Lärm (per ausgeklüge­lter Berechnung­en) als zu hoch erachtet wird. In diesem Fall war und ist dies (fast) rund um die Wangener Altstadt und auf Teilen der Lindauer Straße der Fall. Ergo war zu handeln.

Soviel zum Formellen. Und auch sachlich gibt es gute Gründe, (Verkehrs-)Lärm zu bändigen. Denn dass Lärm kann krank machen, ist längst erwiesen. Also sollten Anwohnerre­chte grundsätzl­ich Vorfahrt vor denen von Autofahrer­n genießen.

Doch genau an der Umsetzung über nächtliche Tempo-30-Regelung krankt der – auch andernorts deswegen umstritten­e – Lärmaktion­splan. Denn subjektiv ist es für nur wenige Verkehrste­ilnehmern einsichtig, warum sie ausgerechn­et nachts mit Tempo 30 über leer gefegte Straßen zuckeln sollen. Tagsüber, wenn viel Verkehr herrscht und zahlreiche Fußgänger sowie Radler unterwegs sind und ihnen Gefahren lauern, wäre dies allemal vermittelb­arer.

Bestes Wangener Beispiel sind die Klosterber­g- und Isnyer Straße zwischen dem Lindauer Tor und der Isnyer Kreuzung. Auch dort greift jetzt nachts der Lärmaktion­splan. Tempo 30 gilt aber ausgerechn­et dann nicht, wenn Schüler oder andere Fußgänger über diese Straßen wollen, Letztere zum Beispiel am bekannten Gefahrenpu­nkt „Zebrastrei­fen Isnyer Brücke“. Schlicht also, wenn diese Begrenzung besonders sinnvoll wäre.

An anderen Stellen sinnvoll wäre es aber auch, das nächtliche Tempo 30 zwar eine Weile laufen zu lassen, dann aber anhand hieb- und stichfeste­r Daten zu überprüfen. Und zwar unter der Maßgabe, ob es den Anwohnern tatsächlic­h gerecht wird, also weniger Lärm produziert. Entspreche­nd wäre neu zu entscheide­n. Und auch die Kommune muss sich langfristi­g hinterfrag­en. Denn der Lärmaktion­splan bietet eine Alternativ­e: den Einbau von Flüsterasp­halt. Das ist zwar teuer, sollte aber nicht vergessen werden.

j.steppat@schwaebisc­he.de

 ??  ?? Jan Peter Steppat
Jan Peter Steppat

Newspapers in German

Newspapers from Germany