Farben erlebte Schmidt-Rottluff als Rhythmen
Neue Ausstellung im Kunstmuseum gibt eine umfassende Retrospektive
RAVENSBURG - Überwältigend ist mit einem Wort die neue Ausstellung im Kunstmuseum Ravensburg, die unter dem Titel „Das Rauschen der Farben“, nach einem Zitat des Malers, 70 Werke von Karl SchmidtRottluff (1884-1976) zeigt. Gleichzeitig unternimmt sie auch eine große Retrospektive, die insbesondere dem Frühwerk und dem bisher nicht so reichhaltig ausgestellten Spätwerk dieses Mitgründers der Künstlergruppe Brücke, der auch ihren Namen erfand, besonderes Augenmerk widmet.
Dies betonten die beiden Kuratorinnen – Dr. Nicole Fritz und Christiane Remm – in ihrer Einführung für Pressevertreter besonders. Nicole Fritz, scheidende Museumsdirektorin, verabschiedet sich mit dieser Ausstellung, die noch einmal den Bogen zu den expressionistischen Werken der Sammlung Gudrun und Peter Selinka schlägt, von Ravensburg. Christiane Remm von der Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung im Brücke-Museum Berlin gelang es, mit der im September in den Ruhestand verabschiedeten Direktorin des Brücke-Museums, Prof. Dr. Magdalena Maria Möller, die Ausleihe von 46 großformatigen Ölgemälden zu vereinbaren.
46 großflächige leuchtende Ölgemälde ziehen Blicke auf sich
Diese ziehen nun über zwei Etagen hinweg wie leuchtende Fanale den Blick auf sich und bilden den größten Teil der 70 Werke umfassenden Ausstellung. Außer dem Brücke Museum liehen auch die Museen von Chemnitz und Krefeld, das Lothar Buchheim Museum und das Wiener Belvedere wichtige Werke aus.
Tatsächlich erlebt der Betrachter die Gemälde in einer vorbildlich konzisen und chronologischen Hängung, von den frühen stimmungsbetonten Landschaften auf kleinen Leinwandstücken aus seinem Heimatort Rottluff bei Chemnitz (1902 bis 1905), über die von den französischen Pointillisten und van Gogh angeregten Gemälde bis hin zu den großen Formaten der expressionistischen Brücke-Zeit – mit zwei phänomenalen weiblichen Akten von 1912 – und den menschenleeren Landschaftsmotiven der 1930er-Jahre. 1933 wurde Schmidt-Rottluff als „entarteter Künstler“aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen und erhielt 1941 mit dem Ausschluss aus dem Berufsverband auch ein absolutes Malverbot.
Dennoch leuchten die Farbflächen auf seinen Gemälden unverdrossen weiter: Auch nach dem Krieg, als er, bereits 1946 in Berlin wieder in Amt und Würden, seine Großformate wiederaufnimmt. In der zweiten Etage kann man wunderbar verfolgen, wie sich der nunmehr Siebzigjährige in den 1950er- und 1960er-Jahren mit seinen farbintensiven Landschaften und Stillleben neben hier ausgestellten skurrilen Kleinskulpturen des damals zwanzigjährigen Lothar Fischer (19332004) aus der Sammlung Selinka kongenial behauptet.
Auch beeindruckend konsequent erscheint dieses Künstlerleben einer eher „introvertierten Persönlichkeit“, so Fritz. Dabei war SchmidtRottluff als Maler eigentlich Autodidakt; studiert hatte er ab 1905 Architektur an der TH Dresden, und dort lernte er die Kommilitonen Fritz Bleyl und Ernst Ludwig Kirchner kennen. Konsequent und weitblickend auch das Ende seiner Laufbahn: Aus gesundheitlichen Gründen gab er die Ölmalerei 1965 auf. Da hatte das kinderlose Ehepaar Karl und Emy Schmidt-Rottluff aber bereits 1964 die Stiftung des BrückeMuseums in Berlin initiiert und mit 74 eigenen Werken vollzogen. Diese bildeten den Grundstock für die heute größere Sammlung, die mit vielen ihrer schönsten Exponate in Ravensburg fünf Monate lang zu Gast ist.
Die Ausstellung ist bis zum 8. April 2018 zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr, Donnerstags 11 bis 19 Uhr; Montag geschlossen, außer feiertags.