Angeklagter spähte das Objekt aus
Prozess gegen mutmaßlichen 22-jährigen Juwelierräuber beginnt vor dem Landgericht Ravensburg
RAVENSBURG - Vor der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Ravensburg hat am Freitag das Strafverfahren gegen einen 22-Jährigen aus Litauen begonnen, der im April 2015 an dem „Blitzraub“auf ein Juweliergeschäft in der Ravensburger Bachstraße beteiligt gewesen sein soll.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft legte dem damals noch 20-jährigen Angeklagten zur Last, dass er am Vortag des Überfalls das Geschäft ausgespäht haben solle. Die Täter hätten am Folgetag aufgrund seiner gewonnenen Erkenntnisse den Überfall begangen. Vier Personen führten dann den Raub durch, bedrohten zwei Angestellte mit einer Softairpistole, setzten Pfefferspray gegen sie ein und erbeuteten Uhren im Verkaufswert von 116 000 Euro. Zusätzlich zertrümmerten sie Vitrinen, wobei ein Sachschaden von über 20 000 Euro entstand (die SZ berichtete). Die beiden Angestellten erlitten posttraumatische Belastungsstörungen und waren eine Zeit lang nicht mehr arbeitsfähig. Die Anklage geht von einem schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus.
Geld durch Einbrüche verdienen
Thomas Pusch, der Rechtsanwalt des Angeklagten, verlas eine sogenannte „Sacheinlassung in Form einer Verteidigererklärung“. Darin gibt der Angeklagte an, bei seinem Vater beschäftigt zu sein, der einen Kfz-Handel betreibt. Regelmäßig würden er und sein Vater Autos von Deutschland nach Litauen überführen. Zum besagten Zeitraum war dies wieder geplant, jedoch habe er die Reise nach Deutschland mit Bekannten unternommen. Der Vater kam einige Tage später nach. Die jungen Leute fuhren von Litauen über Polen,
ANZEIGE Frankreich und die Schweiz nach Ravensburg. Unterwegs hätten ihm die Bekannten mitgeteilt, durch Einbrüche Geld verdienen zu wollen. Er ließ sich dazu überreden, das Zielobjekt in Ravensburg auszuspähen. Das habe er am Vortag des Einbruches getan. Seinen Angaben nach konnte er seinen Bekannten auch nach zweimaligem Betreten des Geschäftes keine verwertbaren Hinweise geben, lediglich die Öffnungszeiten. Am Abend sei er dann mit dem Zug nach Frankfurt gefahren, um sich mit seinem Vater zu treffen.
Als er Tage später in Litauen seine Bekannten wiedertraf, hätten diese ihm gesagt, dass die Sache nicht zustande gekommen sei. Einzelheiten der Tat habe er erst über sein Auslieferungsverfahren erfahren. Der Litauer wurde im Mai nach Deutschland überführt, seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Er werde keine weiteren Fragen zur Sache mehr beantworten. Die Namen der Beteiligten will er nicht nennen. Zwei von ihnen sind noch auf freiem Fuß. Vielleicht fürchtet er Repressalien gegenüber seiner Familie, seiner Verlobten mit dem neugeborenen Sohn.
Dann zeigte das Gericht Videos, aufgenommen von sechs Kameras aus dem Juwelier-Geschäft. Zu sehen ist eindeutig, wie der Angeklagte am Vortag zweimal das Geschäft betrat und sich umschaute. Und zu sehen ist auch der Tathergang aus sechs verschiedenen Perspektiven: wie vier Männer in das Geschäft stürmen. Einer bedroht die zwei weiblichen Angestellten mit einer Pistole und zwingt sie, auf den Boden zu knien. Die anderen gehen nach hinten, zertrümmern mit Axt und Hammer einige Vitrinen und entwenden daraus Uhren. Dann rennen sie hinaus, wobei einer der Täter den beiden Angestellten Pfefferspray ins Gesicht sprüht. Alle Räuber haben Schirmmützen auf, deshalb sind ihre Gesichter nicht zu erkennen. Vom Betreten der Ladenräume bis zum Verlassen sind nur 50 Sekunden vergangen.
Ein ermittelnder Polizeibeamter erzählt von gleich gelagerten Überfällen, die man einer Bande aus Litauen zuschreibt. Raubüberfälle zum Beispiel in Basel, Davos, Esslingen, Freiburg oder Oberstaufen haben das gleiche Muster. Durch eine Funkzellenauswertung hat man zum Tatzeitraum E-Mails aus Ravensburg mit litauischen Telefonnummern ermittelt. Der litauische Mietwagen, den die Täter benutzten, führte dann letztendlich über die angegebene Telefonnummer des Vaters zum Angeklagten. Zur Zeit sitzt einer der fraglichen Täter wegen eines anderen Raubüberfalls in Deutschland in Haft, ein weiterer trägt in Litauen eine Fußfessel, zwei der Täter sind noch auf freiem Fuß.
Die Hauptverhandlung wird am kommenden Montag, 6. November, um 9 Uhr fortgesetzt.