Zug um Zug zurück ins Leben
Manuel Gebhard erleidet mit zwölf Jahren einen Schlaganfall – Dennoch hat der 27-Jährige seinen Traumjob
KEMPTEN - Nein, dass Manuel Gebhard heute wirklich seinen Traumjob bei der Bahn ausüben kann, das hatte der 27-Jährige lange Zeit nicht gedacht. Mit zwölf Jahren hatte der Kemptener einen Schlaganfall. War halbseitig gelähmt, konnte nicht mehr sprechen und war ein Pflegefall. „Für ein Kind natürlich ein Horror“, sagt der Mann mit seinem gewinnenden Lächeln heute. Gerade, wenn seit der Kindheit der größte Berufswunsch Lokführer ist und dieser in unerreichbare Ferne rückt.
15 Jahre später sieht man ihm fast nichts von den Folgen des Schlaganfalls an. Nur der rechte Arm ist nicht so einsatzfähig wie er sollte. Dennoch ist Manuel Gebhard mit sich im Reinen und überglücklich: Seit neun Jahren arbeitet er als Kundenbetreuer im Nahverkehr, sprich als Zugbegleiter, bei seiner heiß geliebten Bahn. Doch dahin war es ein langer Weg und ein harter Kampf.
2002 erlitt Gebhard eine Woche vor den großen Schulferien beim Schwimmunterricht einen Schlaganfall in der linken Gehirnhälfte. „Damals dachte ich, drei Wochen später kann ich wieder als Torwart spielen“, sagt Gebhard. Stattdessen musste er wieder mühsam in der Reha sprechen lernen. „Zuerst in der Logopädie hochdeutsch, dann zuhause schwäbisch“, sagt der in Aulendorf Aufgewachsene und lacht. Auch das Gehen musste er erst wieder trainieren. Ein halbes Jahr nach dem Schlaganfall machte er die ersten Schritte – auf einem Bahnhof: „Links die Mama, rechts der Papa.“Als der Arzt ihm damals sagte, er könne nie Lokführer werden, brach für ihn eine Welt zusammen. Denn seit dem vierten Lebensjahr ist Gebhard mit dem Lokomotiv-Virus infiziert. Lokführer zu werden, ist sein absoluter Lebenstraum.
Gebhard bewarb sich nach dem Realschulabschluss bei der Bahn zur Lokomotivführer-Ausbildung. Der Bahnarzt musste ihn enttäuschen. Als Fahrgastzähler war er dennoch ständig im Zug unterwegs. Als er einmal von Augsburg Richtung Landsberg fuhr, machte ihm eine Zugbegleiterin nochmals Mut für eine Bewerbung. Und es klappte. Im Vorstellungsgespräch pro Jahr hieß es: „Sie wissen ja jetzt schon mehr als mancher Zugbegleiter“, erzählt Gebhard. Daraufhin bildete er sich zum Kundenbetreuer im Nahverkehr fort. Und ist seitdem in seinem Element. Als die bestellte Uniform kam – zusammen mit seinem Namensschild und dem DB-Logo – war das Glück zum Greifen. „Das ist zu 99 Prozent mein Traumjob“, sagt Gebhard auch noch nach neun Jahren. Das i-Tüpfelchen wäre nur noch der Lokführer gewesen.
Der Zugbegleiter lebt seinen Beruf: „Jeder Kunde hier im Zug ist in Deutschland erleiden pro Jahr einen Schlaganfall. mein Gast. Die Reise soll so angenehm wie möglich verlaufen.“Dabei ist ihm der Kontakt zu den Fahrgästen wichtig. Und die Freundlichkeit – auch, wenn es mal stressiger wird. Als ein nicht gut gelaunter Fahrgast einmal keine Fahrkarte hatte und er aufgrund einer Verspätung den Anschluss verpasste, sagte Gebhard mit einem Lächeln: „Sehen Sie es positiv. So haben Sie meinen Service 20 Minuten länger.“Damit war das Eis gebrochen.
Zur Ausbildung bei der Bahn gehört auch das Deeskalations-Training für schwierige Situationen. „Manchmal muss man halt Erzieher sein“– oder Psychologe und Helfer. Zum Beispiel als er einem kleinen, weinenden Mädchen half, die Mutter anzurufen. Das Kind hatte den Ausstieg verpasst. Mittlerweile ist Manuel Gebhard sogar Praxistrainer für die Auszubildenden – und fährt weiterhin für sein Leben gern Zug.