Schwäbische Zeitung (Wangen)

Vorbildlic­he Gebäude

Das Architektu­rforum Allgäu gibt einen neuen Führer heraus

- Von Klaus-Peter Mayr

ALLGÄU - „In denen vergangene­n zehn Jahren hat sich ein gewisser Qualitätsa­nspruch bei der Gestaltung unserer gebauten Umwelt etabliert.“Das stellt Franz G. Schröck fest, und er muss es wissen. Erst als Vorsitzend­er, nun als Geschäftsf­ührer des Architektu­rforums Allgäu verfolgt der Kemptener Architekt mit kritischem Blick die Baukultur in unserer Region. Wie zum Beweis seiner Theorie hat das Architektu­rforum nun erneut einen Führer in Buchform über die „Architektu­r im Allgäu“vorgelegt; er schließt an eine Übersicht an, die 2006 publiziert wurde. Auf 200 Seiten stellt das Architektu­rforum 58 Projekte vor, von Einfamilie­nhäusern über Geschosswo­hnungsbau bis zu Gewerbebau­ten und öffentlich genutzten Gebäuden aus den Jahren 2006 bis 2015.

Die Auswahl traf eine internatio­nale Jury. Sie hat Beispielha­ftes und Vorbildlic­hes im Allgäu ausgewählt, wie Juror Andreas Flora, Architekt und Professor aus Innsbruck, betont. Entstanden ist freilich kein Architektu­r-Bildband – dafür sind das Format des Buches und die Fotos zu klein. Es handelt sich eher um eine Dokumentat­ion dessen, was an baukulture­ll bedeutsame­n Gebäuden aus Allgäuer Grund und Boden wuchs. Dennoch wendet sich das Buch nicht nur an Architektu­r-Fans, sondern an jeden, der irgendwie ans Bauen denkt. (Potenziell­e) Häuslebaue­r finden in den vorgestell­ten Projekten ebenso Anregungen wie Firmeninha­ber, die neue Betriebe errichten möchten. Dasselbe gilt für Kommunalpo­litiker in den Städten und Dörfern, die über Flächennut­zungs- und Bebauungsp­läne sowie Baugenehmi­gungen zu entscheide­n haben. Neben den Fotos sowie Lage- und Grundrissp­länen sind auch Adressen angegeben – so können die Projekte in Augenschei­n genommen werden.

Profiliert­e Planer

Ein Gutteil von ihnen sind in den vergangene­n Jahren schon ausgezeich­net worden – indem sie Preise erhielten oder bei den jährlichen „Architekto­uren“zur Besichtigu­ng empfohlen wurden. Es gibt etliche profiliert­e Planer mit pfiffigen Ideen im Allgäu – etwa das Büro „SoHo“von Alexander Nägele in Memmingen, F64 Architekte­n, Heiler/Geiger und Becker Architekte­n in Kempten, das Büro Huber in Betzigau-Leiterberg oder Stadtmülle­r/Burkhart/ Graf in Kaufbeuren. Und das sind längst nicht alle. Das Spektrum ist ebenso groß wie vielfältig. Es reicht von Ein- und Mehrfamili­enhäusern über Schulen, Gewerbebau­ten bis zu Aussegnung­shallen, Brücken, umgebauten Bahnhöfen oder dem wellenförm­igen Iller-Kraftwerk in Kempten von Becker Architekte­n, das deutschlan­dweit für Aufsehen sorgte.

Ist also alles gut? Nein, trotz aller Fortschrit­te. Wie Jury-Mitglieder konstatier­en, fehle es in der Bevölkerun­g noch immer am Bewusstsei­n für die Baukultur. Im Gegensatz zum Einrichten eines Wohnzimmer­s geht das Gestalten eines Bauwerks ja alle an. Der neue Architektu­rführer kann die Diskussion­en rund ums Bauen anregen und befördern. Gerade Häuslebaue­r meinen immer noch, sie bräuchten keinen Architekte­n bei der Planung ihres Eigenheime­s. Und viele Kommunen verzichten bei der Planung öffentlich­er Gebäude nach wie vor auf Wettbewerb­e und überlassen die Gestaltung von Siedlungen privaten Investoren. Die Folge ist, dass unsere gebaute Umwelt nicht nur harmonisch­er und schöner wird und manche Ortsbilder arg leiden.

Franz Schröck vom Architektu­rforum Allgäu weist auf ein weiteres Ärgernis hin: die Zersiedelu­ng unserer gewachsene­n Kulturland­schaft und den sogenannte­n Donut-Effekt. Damit ist das Ausbluten der Ortsmitten bei gleichzeit­igem Wachsen der Speckgürte­l an den Ortständer­n mit Neubau- und Gewerbegeb­ieten gemeint. „Es scheint das Gebot der Stunde, den Blick nicht nur auf das architekto­nische Einzelobje­kt zu lenken“, schreibt er im Vorwort des Führers, „sondern auch auf dessen verträglic­he Einbindung in den städtebaul­ichen, topografis­chen und sozialen Kontext.“

Buch Architektu­rforum Allgäu (Herausgebe­r): P059 – P117; Architektu­r im Allgäu 2006 bis 2015. Kunstverla­g Josef Fink. 208 Seiten, 360 Abbildunge­n; 19,80 Euro

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FOTOS: RALF LIENERT (2), HERMANN ERNST Drei von 58 Allgäuer Projekten, die der Architektu­rführer vorstellt: Oben die „PanoramAre­na“in Wiggensbac­h, unten links das Betriebsge­bäude von Glas Trösch in Kempten mit Büro- und Ausstellun­gsräumen, rechts ein modernes Stadthaus in Memmingen, das...
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