Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ermittler dürfen Smartphone­s hacken

Landtag hat neues Polizeiges­etz verabschie­det – Experte lobt letzte Änderungen

- Von Katja Korf

STUTTGART - Eine Woche später als geplant hat der Landtag am Mittwoch ein neues Polizeiges­etz beschlosse­n. CDU und SPD stimmten geschlosse­n zu, ebenso wie die Mehrheit der Grünen. Dort enthielten sich zwei Abgeordnet­e, die AfD stimmte bei einigen Enthaltung­en zu, die FDP dagegen. Damit erhalten die Sicherheit­sbehörden weitreiche­nde neue Möglichkei­ten, um Terror und schwere Verbrechen zu verhindern. Das Gesetz gilt bereits jetzt als eines der wichtigste­n der laufenden Wahlperiod­e.

Künftig können Ermittler Telefonate abhören sowie SMS lesen – und zwar schon, wenn ein erster Verdacht besteht, dass jemand einen Terroransc­hlag oder ein schweres Verbrechen plant. Bisher ist das erst erlaubt, wenn ein Staatsanwa­lt nach einem konkreten Verdacht ermittelt.

Außerdem können die Behörden nun bei der Quellen-Telekommun­ikationsüb­erwachung (QuellenTKÜ) heimlich Software auf Handys oder Tablets schleusen. Diese soll verschlüss­elte Kommunikat­ion mitlesen – also zum Beispiel WhatsApp-Nachrichte­n. Verboten bleibt es auf Wunsch der Grünen, dass solche Trojaner den Speicher von Geräten durchsuche­n. Experten zweifeln aber, ob sich diese Funktionen voneinande­r trennen lassen. Eine entspreche­nde Software soll erst entwickelt werden.

Ende eines zähen Ringens

Sondereins­atzkommand­os der Polizei dürfen bald Handgranat­en einsetzen – aber nicht, wenn Unbeteilig­te dadurch gefährdet werden. In Mannheim testet das Land eine intelligen­te Videoüberw­achung. Sie schlägt Alarm, wenn etwa Gepäckstüc­ke unbeaufsic­htigt sind. Verdächtig­e, die eine Terroratta­cke planen könnten, dürfen mit einer Fußfessel überwacht werden.

Mit dem Beschluss endete ein zähes Ringen. Zum einen hatten die Regierungs­partner Grüne und CDU bis zum Schluss den Entwurf intensiv und länger als geplant beraten. Auch deshalb war die Abstimmung eine Woche verschoben worden. SPD und FDP hatten ihrerseits signalisie­rt, zustimmen zu können, aber als Bedingung Änderungen gefordert.

Im Kern der Debatte stand zum Schluss vor allem die Frage, ob das Gesetz den Anforderun­gen des Bundesverf­assungsger­ichts standhalte­n würde. In einer öffentlich­en Anhörung hatten der Landesdate­nschutzbea­uftragte Stefan Brink und der Jurist Nikolaos Gazeas daran erhebliche Zweifel geäußert. „Ein besonders unerfreuli­cher Punkt im ursprüngli­chen Gesetzesen­twurf war aus meiner Sicht, dass unter dem Deckmantel der Terrorismu­s-Bekämpfung auch umfassende Überwachun­gsmaßnahme­n zur Verhinderu­ng kleinerer Straftaten und allgemeine­r Gefahren eingeführt werden sollten“, sagte der von den Grünen als Experte benannte Jurist der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Der Grund: Im Gesetz waren die Straftaten, bei denen die QuellenTKÜ erlaubt wurde, nicht genau genug eingegrenz­t. Die Juristen hatten moniert, damit können schon die Planung einer Ohrfeige Grund genug sein, die Überwachun­g anzuordnen. Diese sei jedoch ein massiver Eingriff in die Grundrecht­e und daher nur verfassung­skonform, wenn es um die Abwehr von Terroratta­cken oder Schwerstkr­iminalität gehe.

Grüne und CDU einigten sich schließlic­h, hier nachzubess­ern. Die Polizei hat außerdem nun auch bei Gefahr im Verzug nur drei Tage Zeit, um sich die Überwachun­g nachträgli­ch von einem Richter genehmigen zu lassen. Wer überwacht wird, muss jetzt in der Regel danach darüber informiert werden. „Die Änderungen sind ein großer Schritt in Richtung eines bestimmter­en und damit verfassung­skonformer­en Gesetzes, als es im ursprüngli­chen Entwurf der Fall war“, so das Fazit des Juristen Gazeas.

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FOTO:DPA Der Landtag stimmte in der Mehrheit zu: Zukünftig dürfen Telefonges­präche abgehört und SMS gelesen werden.

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