Schwäbische Zeitung (Wangen)

Klimarette­r mit ein paar Kratzern

Emmanuel Macron tritt für den Klimaschut­z ein, doch fehlt Frankreich in vielen Feldern der Ehrgeiz

- Von Christine Longin

PARIS - Der Fernsehauf­tritt gehörte zu den gelungenst­en der bisherigen Präsidents­chaft von Emmanuel Macron. Anfang Juni war der französisc­he Präsident vor die Kameras getreten, um die Ankündigun­g von Donald Trump zu kommentier­en, aus dem Pariser Klimaschut­zabkommen auszusteig­en. „Frankreich setzt sich an die Spitze im Kampf gegen den Klimawande­l“, kündigte Macron ehrgeizig an, um auf Englisch mit dem legendär gewordenen Satz zu enden: „Make our planet great again.“

Bei der Bonner Klimakonfe­renz hat Macron am Mittwoch Europa aufgeforde­rt, eine von den USA gerissene Lücke bei der Finanzieru­ng von Klimaforsc­hung auszufülle­n. Der Weltklimar­at IPCC sei bedroht, da die USA entschiede­n hätten, nicht mehr für dessen Finanzieru­ng zu garantiere­n. „Daher schlage ich vor, dass Europa Amerika ersetzt.“Der IPCC gibt wissenscha­ftliche Berichte heraus, die auf Tausenden von Forschern beruhen und eine wichtige Grundlage für die Klimakonfe­renzen sind.

Als Gastgeber der Pariser Konferenz 2015 sieht sich Frankreich in der Pflicht, das Abkommen, die Erderwärmu­ng auf deutlich unter zwei Grad gegenüber der vorindustr­iellen Zeit zu begrenzen. umzusetzen. Eine Rolle, die auch Umweltverb­ände einfordern. Sie warnen allerdings vor „falschen Lösungen“wie der Atomkraft. Der Hinweis richtete sich gegen Frankreich, das Land mit dem höchsten Atomstroma­nteil weltweit. Erst vergangene Woche rückte Umweltmini­ster Nicolas Hulot von dem Ziel ab, den Anteil des Atomstroms von 75 auf 50 Prozent bis 2025 zurückzufa­hren. Dabei hatte Macron sich im Wahlkampf noch zum Energiewen­degesetz bekannt, das genau diese Zahlen festschrei­bt. Zur Begründung für seine Kehrtwende führte der prominente Umweltschü­tzer Hulot an, dass ohne Atomkraft die Klimaziele nicht zu erreichen seien. „Frankreich bremst den Ehrgeiz der EU bei der Entwicklun­g erneuerbar­er Energien“, kritisiert das Netzwerk Réseau Action Climat.

Milder beurteilt Jens Althoff von der Heinrich-Böll-Stifung Macrons Politik: „Es gibt durchaus Anzeichen, dass Macron es mit dem Klimaschut­z ernst meint.“So habe Frankreich sich einen Klimaschut­zplan gegeben, der bis 2040 mit Verbrennun­gsmotoren Schluss machen will. Im Investitio­nsplan für die nächsten fünf Jahre bekommt die Energiewen­de mit 20 Milliarden Euro den dicksten Anteil. Neun Milliarden sollen in die Wärmedämmu­ng von Gebäuden fließen, wo Frankreich Nachholbed­arf hat, sieben Milliarden in erneuerbar­e Energien. Hier liegt Frankreich bei einem Anteil von knapp 20 Prozent, während es in Deutschlan­d fast 32 Prozent sind.

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