Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Das wäre ein früher Leoniden-Vorbote“

Manfred Konrad von der Sternwarte Laupheim über die Feuerkugel, die am Dienstag über Deutschlan­d zu sehen war

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LAUPHEIM - Eine helles Licht, das sich schnell über den Himmel bewegte, hat am Dienstagab­end viele Menschen fasziniert – und manche auch beunruhigt. Im Gespräch mit Daniel Drescher erklärt Hobby-Astronom Manfred Konrad von der Sternwarte Laupheim, was es mit dem Feuerball auf sich hatte.

Was haben die Menschen da am Himmel gesehen?

Das war eine Feuerkugel, ein Stück Materie aus dem Weltraum. Es muss ein Stein- oder ein Eisenmeteo­roid gewesen sein, der in die Atmosphäre eingetrete­n und dort verglüht ist.

Die Erscheinun­g war in Süddeutsch­land zu sehen, aber auch in Hessen und im Saarland. Lässt das Rückschlüs­se auf die Größe des Objekts zu?

Man darf da keine falschen Vorstellun­g haben. Fachleute gehen davon aus, dass der Körper zwischen faustund fußballgro­ß war. Entscheide­nd ist für die Sichtbarke­it aber die Geschwindi­gkeit. Solche Himmelskör­per kommen mit Geschwindi­gkeiten zwischen 100 000 und 250 000 Kilometern pro Stunde bei uns an. Auch die Zusammense­tzung spielt eine Rolle: Ein kompakter Eisenmeteo­roid dringt tiefer in die Atmosphäre ein, ein poröserer Körper hingegen nicht so tief.

Wie gefährlich kann so eine Himmelsers­cheinung werden?

Wenn solche Körper entspreche­nd groß sind, kann es durchaus gefährlich werden. Erinnern Sie sich an Tscheljabi­nsk 2013: Da gab es 1500 Verletzte, nicht durch den Meteor an sich, sondern weil der Himmelskör­per mit seiner Druckwelle Fenstersch­eiben zum Bersten gebracht hat.

Lassen sich solche Geschosse aus dem All rechtzeiti­g entdecken?

Für solche Zwecke gibt es inzwischen automatisc­h arbeitende Teleskope, die den Himmel absuchen. Richtung Sonne sind sie aber blind, da können wir nichts beobachten. Diese Körper sind in der Regel auch sehr dunkel. Für die Sichtbarke­it spielt auch wieder die Größe eine Rolle. Kleinere Körper sind schwierige­r zu sehen, aber große mit 50 Metern Durchmesse­r oder mehr kennt man. Da gibt es auch Listen, die jeden Monat aktualisie­rt werden. Es ist sehr selten, dass diese Meteore die Monddistan­z unterschre­iten oder näher kommen als etwa Satelliten, die die Erde umrunden. Tscheljabi­nsk war da eine Ausnahme.

Könnte es sich bei der Feuerkugel auch um Weltraumsc­hrott gehandelt haben? Für die Raumfahrt ist das ja ein großes Thema derzeit.

In diesem Fall nicht. Aber vor ein paar Jahren kam es kurz vor Weihnachte­n zu einer Leuchtersc­heinung, weil die Oberstufe einer Sojusraket­e in der Atmosphäre verglüht ist. Die Rakete hatte zuvor Astronaute­n zur ISS gebracht. Wenn ein Satellit explodiert, weiß man nicht, wo die Teile herunterko­mmen, aber im Fall einer ganzen Stufe einer Rakete lässt sich das genauer vorhersage­n.

Was für eine Erklärung kommt noch infrage?

Es besteht die Möglichkei­t, dass diese Leuchtersc­heinung mit den Leoniden zusammenhä­ngt. Das ist ein Sternschnu­ppenschwar­m, der zwischen 17. und 18. November regelmäßig am Himmel erscheint. Sternschnu­ppen entstehen, wenn Kometen in die Nähe der Sonne kommen. Kometen nennen wir auch schmutzige Schneebäll­e: Sie bestehen hauptsächl­ich aus Gas und Eis, und wenn sie in Sonnennähe kommen, erhitzt sich das Eis. Dann setzt der Kometensch­weif Staub und feinere Teilchen frei. Diese Teilchen sind teils nur wenige Millimeter groß – wenn sie aber in unsere Atmosphäre eintreten, werden sie zu spektakulä­ren Himmelsers­cheinungen. Sollte die Feuerkugel mit den Leoniden zusammenhä­ngen, wäre das ein sehr früher Vorbote. Aber das kann man nie ganz genau vorhersage­n.

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Manfred Konrad FOTO: PR

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