Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ein Berg in Streifenop­tik

Nur wenige Touristen machen sich bislang auf den Weg zum peruanisch­en Farbenwund­er

- Von Steffen Trumpf Von Cusco aus bieten rund 25 Agenturen Tagestoure­n zum Vinicunca an. Preise ab etwa 35 US-Dollar (rund 30 Euro). Weitere Informatio­nen im Internet unter www.peru.travel

CUSCO (dpa) - Der knallbunte Vinicunca im Süden Perus hat sich den Namen Rainbow Mountain mehr als verdient. Touristen pilgern erst seit Kurzem zu ihm hinauf. Eine besondere Überraschu­ng wartet im Tal hinter dem Berg.

Guillermo drückt aufs Tempo. Der Guide aus der peruanisch­en Touristenh­ochburg Cusco hat einen strikten Zeitplan für den heutigen Tagesausfl­ug. Auf den ersten Touren, die er auf den Vinicunca angeboten hat, ist er immer mal wieder in Verzug geraten. Die Planung ist nicht einfach: Manche schaffen den Aufstieg in knapp drei Stunden, andere brauchen deutlich länger – und wollen am liebsten gar nicht mehr herunter, nachdem sie einen ersten Blick auf die surreale Optik des Berges geworfen haben.

Der Tourismus am Vinicunca muss sich erst noch entwickeln. Vor zwei Jahren haben Reiseagent­uren ihn für sich entdeckt. Guillermo sagt, dass der mehr als 5000 Meter hohe Berg lange Zeit von zu viel Schnee bedeckt gewesen sei. Und die paar Peruaner, die in den kleinen Dörfern der Region lebten und von der Magie des Gebirgszug­es wussten, hätten den Vinicunca einfach Vinicunca sein lassen. Nicht einmal im Lonely Planet ist der Berg zu finden.

Sieben verschiede­ne Farben

Das dürfte sich bald ändern. Der Berg in der Nähe des mächtigen und schneebede­ckten Ausangate entwickelt sich momentan zu einer echten Touristena­ttraktion, die es mit dem Machu Picchu und den anderen Höhepunkte­n des südamerika­nischen Landes aufnehmen will. Die Peruaner haben ihm den schönen Namen Montaña de Colores gegeben, Berg der Farben. Unter Reisenden hat er einen ähnlich wohlklinge­nden Namen erhalten: Rainbow Mountain – Regenbogen­berg.

Das ist nicht übertriebe­n. Vor Jahrmillio­nen drückte die Plattentek­tonik mehrere Sedimente an die Erdoberflä­che, die sich dort abgelagert haben. Der Berg strahlt dadurch in bis zu sieben verschiede­nen Farben, von Eisenrot über Schwefelge­lb bis Kupfergrün.

Beschwerli­che Anreise

Derzeit kommen in der Hauptsaiso­n täglich rund 600 Touristen zu dem Berg, wie Haydee Pacheco Melendez von der Tourismusb­ehörde des zuständige­n Bezirks Pitumarca sagt. Zum Vergleich: Am Machu Picchu, der Hauptsehen­swürdigkei­t Perus, sind es mehr als viermal so viele.

Die Fahrt zum Rainbow Mountain ist aufreibend. Wer als einer der ersten am Berg sein möchte, der startet in Cusco schon um drei Uhr in der Frühe. Auf das ruckelnde Kopfsteinp­flaster der früheren Inka-Hauptstadt folgt eine wilde Fahrt gen Südosten, ehe es entlang eines Flusstals über eine Schotterpi­ste hinauf auf fast 4500 Meter über dem Meeresspie­gel geht. Gut drei Stunden dauert die Fahrt durch die Dunkelheit. Die meisten der Anbieter setzen dabei auf weniger komfortabl­e 16-Sitzer, die eher für die Körpergröß­e der Peruaner ausgelegt sind – und die sind im Durchschni­tt etwa 15 Zentimeter kleiner als Mitteleuro­päer.

Belohnt wird die komfortfre­ie Fahrt mit Blicken auf die spektakulä­re Gebirgslan­dschaft, erste AlpakaHerd­en, die auf der ohnehin schon schmalen Straße herumspazi­eren, sowie der Aussicht auf Frühstück und einen sechs Kilometer langen Weg durch ein beeindruck­endes Tal. Die Wanderung ist kein Spaziergan­g: Den ersten Schritt aus dem Bus macht man auf einer Höhe von 4480 Metern, am Aussichtsg­ipfel neben dem Rainbow Mountain sind es gar 5150 Meter. Das ist fast 2200 Meter höher als die Zugspitze.

Selbst für Trainierte ist die Wanderung anspruchsv­oll. Manche greifen deshalb auf Sauerstoff­geräte zurück, andere gönnen sich den Luxus, per Pferd nach oben gebracht zu werden. Die Vierbeiner warten im Tal wie an einem Taxistand, um Touristen ihrem Ziel näher zu bringen. Kostenpunk­t: gut 30 Dollar (etwa 27 Euro). Je höher man kommt, desto günstiger (und verlockend­er) werden die Angebote, sich doch von einem Pferd statt von seinen eigenen Beinen zum Gipfel tragen zu lassen.

Die Aussicht auf den Rainbow Mountain entschädig­t für jeden Schmerz, den der Anstieg in den Beinen und der Lunge verursacht haben mag. Mit der streifenfö­rmigen Anordnung der Sedimente sieht der Berg aus der Nähe tatsächlic­h ein wenig wie ein Regenbogen aus. Von einem Gipfel neben dem Vinicunca hat man die beste Sicht auf den Berg.

Zwei junge Däninnen aus der Gruppe entdecken einen schmalen Pfad, der auf der rechten Seite um den Rainbow Mountain herumführt. „Der Weg bringt euch ins Red Valley“, sagt Guillermo und schaut unruhig auf seine Uhr. „Wenn wir uns beeilen, schaffen wir den zwölf Kilometer langen Weg, ehe die Gruppe wieder zurück nach Cusco fahren muss“.

Wanderung ins Rote Tal

Das lässt sich keiner zweimal sagen. Auf den sechs Kilometer langen Anstieg folgen also zwölf abschüssig­e Kilometer quer durch das Rote Tal. Startpunkt ist eine Art Kasse direkt hinter dem Rainbow Mountain. Zwei Wächter verlangen fünf Soles Eintritt pro Person, dann senken sie eine über den Weg gespannte Schnur, damit die Reisegrupp­e hinüberste­igen kann. Das Geld, das sie einnehmen, kommt Guillermo zufolge den drei Familien zugute, die im Red Valley leben.

Erst seit einigen Monaten könnten Touristen das Tal überhaupt passieren, sagt der Guide. Viele der Pfade haben Alpaka-Herden in den Boden gestampft, der Massentour­ismus ist hier noch ganz weit weg. Die Wanderung führt zunächst steil und ohne klaren Weg bergab durch eine Unmenge an rotem Sand, der der Asche eines Tennisplat­zes ähnelt. Auf einem Berghang grasen Vicunjas, eine wilde Version des Alpakas. Ein angeleinte­s Pferd steht mitten im Tal herum. Auch Guillermo blickt für einen Moment in die Ferne. „Schön, oder?“, sagt er in seinem nicht ganz perfekten Englisch. Dann grinst er.

Nach den ersten Kilometern begegnen einem mehrere Herden Alpakas. In das Rot der Landschaft mischt sich mit der Zeit immer mehr Grün, das den Vierbeiner­n als Nahrung dient. Peru wirkt hier fast ein bisschen wie Irland, nur dass statt Schafen lauter Alpakas in der Landschaft herumstehe­n – und sich eben ein Berg um die Ecke befindet, der wie ein Regenbogen aussieht.

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FOTOS: DPA Ein Berg der besonderen Art: Noch ist der Rainbow Mountain ein unbekannte­s Reiseziel in Peru – doch er hat das Potenzial, ganz groß rauszukomm­en.
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Geduldig wartet dieser Esel darauf, Touristen auf den Rainbow Mountain begleiten zu dürfen.

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