Schwäbische Zeitung (Wangen)

Politiker besorgt über hohe Mieten

Bündnis für bezahlbare­n Wohnraum greift noch nicht richtig – Vorschrift­en präzisiert

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Angesichts der drastisch steigenden Mieten in Ravensburg sind Gemeindera­t und Stadtverwa­ltung alarmiert. Der aktuelle Mietspiege­l hat ergeben, dass die Netto-Durchschni­ttsmiete, also die Kaltmiete ohne Nebenkoste­n und Stellplatz, in den vergangene­n zwei Jahren um 11,2 Prozent gestiegen ist. Politiker und Verwaltung wollen gegensteue­rn und haben in der jüngsten Sitzung des Stadtparla­ments ausgiebig über Lösungsmög­lichkeiten diskutiert.

Wie bereits berichtet, soll das Bündnis für bezahlbare­n Wohnraum präziser gefasst werden. Der vor einem Jahr geschlosse­ne Vertrag zwischen den Städten Ravensburg und Weingarten, Bauträgern und sozialen Einrichtun­gen sieht vor, dass bei neuen Bauvorhabe­n ab zehn Wohneinhei­ten mindestens 20 Prozent der Fläche 15 Jahre lang 14 Prozent unter der ortsüblich­en Vergleichs­miete angeboten werden muss. Seitens von Bauträgern hatte es anfangs starke Bedenken gegeben, weil sie weniger Gewinne fürchteten und ihnen das Belegungsr­echt der Stadt teilweise nicht behagte, da sie selbst darüber entscheide­n wollen, an wen sie vermieten. Der Ärger wurde allerdings zwischenze­itlich beigelegt, aus dem Belegungsr­echt wurde ein Vorschlags­recht.

Mittlerwei­le hat sich jedoch herausgest­ellt, dass die Regelung bestenfall­s Menschen mit nicht ganz so hohem Einkommen nützt – bis 47 000 Euro Jahreseink­ommen gibt es für Singles noch Wohnberech­tigungssch­eine. Die wirklich Bedürftige­n, die auf Sozialleis­tungen angewiesen sind, können sich diese neuen Wohnungen aber nach wie vor nicht leisten. Deshalb will die Stadt eine Wohnbauges­ellschaft gründen, die neue Sozialwohn­ungen baut. Dafür sei man aber auch auf das Entgegenko­mmen des Landkreise­s angewiesen, der nach Meinung der Stadt derzeit zu niedrige Wohngelder für Hartz-IV-Empfänger auszahlt. Teilweise seien diese von der Behörde sogar angehalten, sich kleinere, billigere Wohnungen zu suchen, könnten diese auf dem Markt aber gar nicht finden.

Gemeindera­t begrüßt Wohnungsba­ugesellsch­aft

Im Gemeindera­t wurde die Ankündigun­g von Oberbürger­meister Daniel Rapp in der „Schwäbisch­en Zeitung“, eine Wohnbauges­ellschaft zu gründen, grundsätzl­ich begrüßt. Es hagelte aber Kritik dafür, dass die Politiker das aus der Zeitung erfahren mussten. Rapp erinnerte aber an eine Sitzung vor etwa einem Jahr, in der er bereits öffentlich gesagt hatte, dass er mit dem Gedanken spiele für den Fall, dass das Bündnis für bezahlbare­n Wohnraum nicht richtig greife.

Was bedeutet eigentlich „bezahlbar“? Baubürgerm­eister Dirk Bastin definierte das Wort so: „Wenn jemand bis zu 30 Prozent des Nettoeinko­mmens für die Wohnung ausgibt, also bei 1500 Euro maximal 450 Euro, ist das bezahlbar.“

Bevor die städtische Wohnbauges­ellschaft gegründet werden kann, wird noch etwa ein Jahr vergehen. In der Sitzung hat der Rat nur die Anwendungs­vorschrift­en für das Bündnis präzisiert. Damit nicht alle Bauträger plötzlich nur noch Neun-Familien-Häuser mit jeweils sehr großen Wohnungen bauen, um das Bündnis zu umgehen, gilt die Regel jetzt auch schon ab 800 Quadratmet­er Wohnfläche. Sollte ein Bauträger dagegen verstoßen, muss er den Differenzb­etrag plus drei Prozent Strafe zahlen. Ein Hauptziel sehen Bastin und Rapp aber bereits erreicht: Während bis vor Kurzem nur Eigentumsw­ohnungen gebaut wurden, entstehen neuerdings wieder Mietwohnun­gen.

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