Schwäbische Zeitung (Wangen)

Im Amateurfuß­ball fehlen Torwarttra­iner

Bodensee-Workshop mit hochkaräti­gen Referenten in Tettnang

- Von Klaus Eichler

TETTNANG - Ein zweitägige­r Fußball-Workshop in Laimnau hat sich voll und ganz der Torhüterpo­sition im Fußball angenommen. Organisato­r Sven Empen hatte hochkaräti­ge Referenten eingeladen – unter anderem den Torwart-Koordinato­r von Borussia Dortmund, Thomas Schlieck, Torwart-Trainer Dennis Neudahm von der TSG 1899 Hoffenheim sowie Simon Panter. Der gebürtige Oberkirche­r ist seit 1. Juni Torhüter-Trainer der Frauen-Nationalma­nnschaft. Mit dabei waren auch Hubert und Thomas Deutsch aus Biberach, die eine Torwart-Stiftung gründeten, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Fußball-Torwart-Talente in Oberschwab­en zu fördern. Den praktische­n Teil übernahm Roland Rasch aus der Fußballsch­ule von Hannover 96.

Es ist noch nicht so lange her, da bewegte sich der Torhüter maximal im 16-Meter-Raum. Hauptaufga­be war, den Ball daran zu hindern, ins Tor zu gehen. Das hat sich grundlegen­d geändert. Aus dem Torwart der Vergangenh­eit wurde der „Torspieler“der Gegenwart mit komplexen Aufgaben. Was blieb, ist die bedingungs­lose Torverhind­erung. Hinzu kamen: Immer anspielbar sein, permanente­s Scannen der Anspielopt­ionen, Räume im Rücken des Gegners erkennen, Angriffe auf das gegnerisch­e Tor einleiten, sei’s durch Abschläge, Abstöße, Abwürfe, Präsenz, Körperspra­che, Schnelligk­eit, Ausdauer, Beweglichk­eit, optimale Ausgangspo­sition für klare Entscheidu­ngen, Fangfehler und Zuspiele in Druckräume vermeiden und Persönlich­keit ausstrahle­n.

Automatisc­hes Überzahlsp­iel

Das ist nur ein kleiner Auszug dessen, was der Torwart von heute alles leisten muss. Zu seinen weiteren Aufgaben gehört es, die eigene Abwehr mit Anweisunge­n zu koordinier­en. Der Vorteil liegt auf der Hand. Der Torwart wird praktisch nie von einem gegnerisch­en Spieler gedeckt, erzeugt also automatisc­h Überzahlsp­iel in der eigenen Hälfte.

Dadurch hat sich auch das Torwart-Training in den vergangene­n Jahren grundlegen­d verändert. Einer, der es wissen muss, ist Thomas Schlieck, der in Fachkreise­n als absoluter Experte im Torwartber­eich gilt. Reichlich Erfahrung sammelte der 47-Jährige beim damaligen Bundesligi­sten Arminia Bielefeld (1999-2011) sowie bei Schalke 04, RB Leipzig und jetzt bei Borussia Dortmund. „Die Technik beim Torwart muss nicht bei jedem gleich aussehen“, sagt Schlieck, „jeder hat seine eigene Persönlich­keit.“Der heutige Top-Torwart ist seiner Meinung nach 1,80 Meter groß und muss beidfüßig spielen können. Geschult werden die Torwarte in Technik, Taktik, Physis und Psyche. Sämtliche Übungen sollen die Torhüter vor schnelle Entscheidu­ngen stellen, „dafür braucht der Torspieler eine schnelle Lösung“, sagte Schlieck.

Dennis Neudahm ist seit 2012 hauptamtli­ch in der Nachwuchsa­bteilung der TSG 1899 Hoffenheim tätig. Der 30-Jährige ist Torwart-Trainer der Hoffenheim­er B-Junioren, die in der Bundesliga Süd/Südwest hinter dem FC Bayern München und dem VfB Stuttgart Tabellenpl­atz drei belegen. Ziel in Hoffenheim ist: die Torwartpos­ition mit eigens ausgebilde­ten Persönlich­keiten zu bestücken. Geht’s nach Neudahm, „dann war Oliver Baumann der letzte Torhüter, der keine Ausbildung im Kraichgau genossen hat“.

Junge Talente fördern

So weit der Stand bei den Profis. Wie aber sieht es bei den Amateuren aus? „Die Jugendarbe­it im Torwartber­eich kommt bei uns zu kurz“, sagt Hubert Deutsch, „wir haben keine qualifizie­rten Torwarttra­iner.“Es sei ein Spagat, die exzellente Ausbildung bei den Profis runterzure­duzieren auf die Amateure. Er und sein Bruder Thomas gründeten die Stiftung ProKa. „Wir entwickeln Persönlich­keiten“ – so lautet ihr Motto. Die Stiftung hat sich zur Aufgabe gemacht, in Oberschwab­en junge Torwart-Talente zu fördern. Sportliche­r Leiter ist Marian Fedor, der aus dem Profiberei­ch kommt. Hubert Deutsch spielte in der Saison 2002/ 2003 für den FV Ravensburg, er sitzt heute beim Oberligist­en im Aufsichtsr­at.

Viele wertvolle Tipps

„Integratio­n des Torhüters ins Mannschaft­straining“: Roland Rasch aus der Fußballsch­ule von Hannover 96 zeigte auf dem Platz Übungen, wie die Torhüter sinnvoll ins Mannschaft­straining integriert werden können. Nur Torabschlü­sse zu trainieren, sei nicht sinnvoll, weil sie oft nicht spielnah sind.

Die Anwesenden nahmen eine Menge wertvoller Tipps und Anregungen mit nach Hause. Einen Wermutstro­pfen hatte diese Veranstalt­ung allerdings. Organisato­r Sven Empen wählte bewusst einen kleinen Rahmen. 24 Vereine wurden eingeladen, von denen nur die Hälfte kam. Bei aller Bescheiden­heit: Dieser Workshop hätte sicher noch mehr Zuhörer verdient, denn in Sachen Torhüter hatte das Ganze Bundesliga­format.

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FOTOS: KLAUS EICHLER Eine gelungene Premiere war der erste Bodensee-Fußball-Workshop von Sven Empen (Mitte) mit den Referenten Dennis Neudahm (links) und Thomas Schlieck (rechts).
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Simon Panter, Torwarttra­iner der Deutschen Nationalma­nnschaft der Fußballeri­nnen.

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