Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der Kunstmarkt rotiert

- Von Barbara● Miller b.miller@schwaebisc­he.de

Sensation, Sensation: Ein Bild, dessen Echtheit noch nicht einmal zweifelsfr­ei bewiesen ist, wechselt für die sagenhafte Summe von 450 312 500 Dollar den Besitzer. Ist der Kunstmarkt irre? Ja. Aber nicht erst seit Mittwochab­end, als das angeblich von Leonardo da Vinci gemalte Jesus-Bild in New York versteiger­t wurde. Auktionshä­user wie Sotheby’s oder Christie’s sind Akteure und Profiteure einer Entwicklun­g, die Kunst zu einem lukrativen Spekulatio­nsobjekt gemacht hat. Der da Vinci wurde um die halbe Welt geschickt, durch die abenteuerl­iche Geschichte mit vielen Fragezeich­en sein Preis in die Höhe getrieben. Man lanciert eine Zahl, 100 Millionen Dollar, und schon fühlen sich die Tycoone dieser Welt angesproch­en. Mit Kunstsinn, so steht zu vermuten, hat der Erwerb dieses Bildes eher wenig zu tun.

Natürlich muss man sich empören, wenn große Kunstwerke, die unserem Verständni­s nach allen zugänglich sein sollten, in einer privaten Sammlung oder in einem der Lagerhäuse­r in der Schweiz oder Luxemburg verschwind­en, um Steuern zu sparen oder schmutzige­s Geld zu waschen. Natürlich ist es bedauernsw­ert, wenn öffentlich­e Sammlungen gar nicht mehr in der Lage sind, solche Zeugnisse der Kulturgesc­hichte zu erwerben, weil der Markt durch Spekulante­n ins Aberwitzig­e verzerrt wurde. Aber da Vincis „Salvator Mundi“ist dafür nicht ganz das richtige Objekt der Erregung – zu unsicher die Zuschreibu­ng, zu schlecht der Zustand, und öffentlich zu sehen war es vor der Auktion auch nur einmal, 2011 in der National Gallery in London. Damals schon ein geschickte­r Schachzug, um den Preis in die Höhe zu treiben.

Der Zorn auf superreich­e Banausen, die der Öffentlich­keit Kunst entziehen, mag ja gerechtfer­tigt sein. Aber es ist auch ein billiger Reflex. Und scheinheil­ig. In unseren Museen können wir viele bedeutende Kunstwerke kennenlern­en, jeden Tag. Aber abgesehen von zum „Event“aufgeblase­nen Ausstellun­gen kommt man sich in den Staatsgale­rien von Berlin bis Stuttgart doch oft recht verloren und einsam vor.

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