Der Kunstmarkt rotiert
Sensation, Sensation: Ein Bild, dessen Echtheit noch nicht einmal zweifelsfrei bewiesen ist, wechselt für die sagenhafte Summe von 450 312 500 Dollar den Besitzer. Ist der Kunstmarkt irre? Ja. Aber nicht erst seit Mittwochabend, als das angeblich von Leonardo da Vinci gemalte Jesus-Bild in New York versteigert wurde. Auktionshäuser wie Sotheby’s oder Christie’s sind Akteure und Profiteure einer Entwicklung, die Kunst zu einem lukrativen Spekulationsobjekt gemacht hat. Der da Vinci wurde um die halbe Welt geschickt, durch die abenteuerliche Geschichte mit vielen Fragezeichen sein Preis in die Höhe getrieben. Man lanciert eine Zahl, 100 Millionen Dollar, und schon fühlen sich die Tycoone dieser Welt angesprochen. Mit Kunstsinn, so steht zu vermuten, hat der Erwerb dieses Bildes eher wenig zu tun.
Natürlich muss man sich empören, wenn große Kunstwerke, die unserem Verständnis nach allen zugänglich sein sollten, in einer privaten Sammlung oder in einem der Lagerhäuser in der Schweiz oder Luxemburg verschwinden, um Steuern zu sparen oder schmutziges Geld zu waschen. Natürlich ist es bedauernswert, wenn öffentliche Sammlungen gar nicht mehr in der Lage sind, solche Zeugnisse der Kulturgeschichte zu erwerben, weil der Markt durch Spekulanten ins Aberwitzige verzerrt wurde. Aber da Vincis „Salvator Mundi“ist dafür nicht ganz das richtige Objekt der Erregung – zu unsicher die Zuschreibung, zu schlecht der Zustand, und öffentlich zu sehen war es vor der Auktion auch nur einmal, 2011 in der National Gallery in London. Damals schon ein geschickter Schachzug, um den Preis in die Höhe zu treiben.
Der Zorn auf superreiche Banausen, die der Öffentlichkeit Kunst entziehen, mag ja gerechtfertigt sein. Aber es ist auch ein billiger Reflex. Und scheinheilig. In unseren Museen können wir viele bedeutende Kunstwerke kennenlernen, jeden Tag. Aber abgesehen von zum „Event“aufgeblasenen Ausstellungen kommt man sich in den Staatsgalerien von Berlin bis Stuttgart doch oft recht verloren und einsam vor.