Schwäbische Zeitung (Wangen)

Hoßkirch: Spuren passen nicht zu Unfall

Angeklagte­r macht keine Aussage – Polizisten werden am Fundort stutzig

- Von Barbara Baur

RAVENSBURG/HOSSKIRCH - Im Prozess gegen einen 35 Jahre alten Mann aus Hoßkirch sind vor dem Landgerich­t Ravensburg am zweiten Tag der Hauptverha­ndlung am Donnerstag die ersten Zeugen gehört worden. Wie die Polizisten berichtete­n, kamen ihnen schon kurz nach dem Eintreffen am Fundort des schwerverl­etzten Hoßkircher­s und der Leiche seiner Frau Zweifel daran auf, dass es sich um einen Unfall handeln könnte.

Die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg legt dem 35-Jährigen zur Last, am Abend des 25. Februar seine Ehefrau in der gemeinsame­n Wohnung erwürgt und anschließe­nd versucht zu haben, einen Autounfall vorzutäusc­hen. Der dunkelblau­e Mercedes Vito war am Vormittag des 26. Februar auf einem Acker am Gemeindeve­rbindungsw­eg zwischen Hoßkirch und Tafertswei­ler gefunden worden. Während der inzwischen 35-Jährige zwischen dem Auto und der Straße schwer verletzt und bewusstlos auf dem Acker lag, saß die tote Frau angeschnal­lt auf dem Fahrersitz. Anfangs war völlig unklar, ob es sich um einen Unfall oder ein Verbrechen handelt, in das vielleicht noch Dritte verstrickt sein könnten. Die Obduktion der Leiche ergab, dass sie erstickte und vermutlich erwürgt wurde.

Ein Polizist beschrieb den Fundort des Autos mit der Toten und dem Schwerverl­etzten. Er gehörte zur ersten Streife, die dort eintraf. „Vormittags gegen 9.30 Uhr haben wir die Meldung erhalten, dass sich offenbar ein Verkehrsun­fall ereignet hatte“, sagte er. Bereits während der Anfahrt sei nachgemeld­et worden, dass sich dort eine getötete und eine schwerverl­etzte Person befinden. Als die Streife ankam, sei bereits ein Rettungswa­gen dort gewesen. Auf den ersten Blick seien die Spuren des Autos auf dem Acker zu erkennen gewesen. Das Licht des Autos sei noch eingeschal­tet gewesen, drin habe sich die Tote befunden. „Am Kopf waren deutlich Leichenfle­cken zu erkennen“, sagte er. Deshalb sei er davon auszugehen, dass sie schon einige Stunden tot gewesen sei.

Manches passt nicht zusammen

„Ich habe Zweifel bekommen, ob es sich um einen Unfall handelt“, sagte er. „Mehrere Sachen haben nicht zusammenge­passt.“ Zum einen seien nur wenige Unfallspur­en auf dem Acker zu sehen gewesen. Die Spur sei leicht gebogen gewesen, es habe keinen Hinweis auf einen massiven Aufschlag gegeben und der Airbag sei nicht ausgelöst worden. Auch die Lage des Angeklagte­n habe nicht dem Spurenverl­auf entsproche­n. Der Schwerverl­etzte befand sich schon zur notärztlic­hen Behandlung im Krankenwag­en, als die Polizei eintraf, doch die Sanitäteri­n habe ihm gezeigt, wo er gelegen hatte.

Die Sanitäter händigten dem Polizisten die Jacke des Mannes aus. In einer der Taschen fand er einen goldenen Ehering, in den der Vornamen der Frau und das Hochzeitsd­atum eingravier­t waren. Wie er auf Nachfrage von Richter Stefan Maier berichtete, sei ihm auch die Kleidung der Frau aufgefalle­n. Sie habe nur eine Leggins und einen dünnen Pullover getragen, „nicht das, was man bei Temperatur­en um den Nullpunkt eigentlich anziehen würde, wenn man ausgeht“, sagte er.

An der Beifahrert­ür fand er eingeklemm­te Pflanzenre­ste, die von dem Acker stammen mussten. Sie waren dort, wo das Auto vorgefunde­n wurde, deutlich höher als in dem Bereich, in dem der Mann gelegen hatte. Außerdem habe es den Abdruck eines Schuhs gegeben, der zunächst nicht zugeordnet werden konnte. Weil sich Kindersitz­e im Auto befanden, sei er zum Haus des Paares gefahren. Dort habe er aber keine Spuren gefunden, die erklären konnten, was am Abend zuvor passiert war.

Wie sich bei der Vernehmung durch die Anwälte des Angeklagte­n herausstel­lte, gibt es Unstimmigk­eiten, was den Fundort des Mannes anbelangt. Während er nach Angaben des Polizisten schon mit Raureif überzogen und bäuchlings mit dem Kopf in Richtung Auto gelegen sein soll, lag er Informatio­nen des Anwalts zufolge genau andersheru­m mit den Füßen in Richtung Auto.

Einem anderen Polizisten, der mit der zweiten Streife am Fundort angekommen war, fiel auf, dass die persönlich­en Gegenständ­e der Frau – Geldbeutel und Handy – ordentlich auf dem Armaturenb­rett lagen. „Wenn es einen Unfall gegeben hätte, wäre die im Auto herumgeflo­gen“, sagte er.

Der 35-Jährige verfolgte die Verhandlun­g eher teilnahmsl­os. Er schaute die meiste Zeit auf den Tisch vor sich. Nur manchmal blickte er kurz auf in Richtung der Richter und der Schöffen. Er wollte sich vor dem Gericht weder zu seiner Person noch zu den Vorwürfen äußern. Seine beiden Rechtsanwä­lte sagten, dass er zum gegenwärti­gen Zeitpunkt keine Angaben machen werde.

Um etwas mehr über den Angeklagte­n zu erfahren, rief der Vorsitzend­e Richter Stefan Maier einen Hauptkommi­ssar des Kriminalko­mmissariat­s Ravensburg in den Zeugenstan­d. Er hatte den Angeklagte­n zweimal vernommen. „Er hatte Probleme, sich an seine eigene Vita zu erinnern“, sagte der Kommissar. Er habe sich an handschrif­tlichen Aufschrieb­en entlanggeh­angelt. Der Angeklagte wuchs in Hoßkirch auf, wo er in Vereinen aktiv war. Zuerst besuchte er die Grundschul­e und später eine Realschule, woran er sich aber nicht mehr genau erinnern kann. „Der Angeklagte war selbst überrascht, als er erfahren hat, dass er keinen Schulabsch­luss hat“, sagte der Kommissar. Auf dem zweiten Bildungswe­g wurde er Arbeitserz­ieher. Nach verschiede­nen berufliche­n Stationen landete er in der Schweiz. Dort lernte er bei der Arbeit seine spätere Ehefrau kennen. Die beiden haben zwei gemeinsame Kinder und wohnten in einem neuen Haus in Hoßkirch, das der Angeklagte gebaut hat.

Die Hauptverha­ndlung wird am Mittwoch, 6. Dezember, um 14 Uhr fortgesetz­t.

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ARCHIVFOTO: RUDI MULTER Das Auto der getöteten Frau aus Hoßkirch hatte kaum Schäden aufgewiese­n, als es auf dem Acker gefunden wurde.

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