Buchvorstellung im Zeichen der Versöhnung
Der berühmte Fotokünstler Guido Mangold über seine Heimatstadt: Ravensburg ist offener und lebenswerter geworden
RAVENSBURG - Das hörten die vielen Lokalpatrioten, die sich zur Vorstellung des Buches von Guido Mangold „Ravensburg mit meinen Augen“mit Texten von Klaus Nachbaur im Schwörsaal versammelt hatten, gern: Die Stadt, so der renommierte, preisgekrönte 83-jährige Fotograf auf eine Frage von Hendrik Groth, Chefredakteur der „Schwäbischen Zeitung“, sei in den über 60 Jahren, da er ihr enttäuscht den Rücken gekehrt hatte, viel offener, mediterraner und lebenswerter geworden.
Wohl nicht zuletzt deshalb hat der berühmte Fotokünstler, der als 20-jähriger gelernter Bäcker, Konditor und Pâtissier verbittert nach Kanada ausgewandert war, weil er hier unter der damals noch verbreiteten Engstirnigkeit litt und seinen Traumberuf Fotograf nicht ergreifen konnte, nun im Alter seinen Frieden mit seiner Heimatstadt gemacht. Jedenfalls war das bei der Buchvorstellung durch die Biberacher Verlagsdruckerei, die diesen Bildband der Extraklasse mit einfühlsamen Texten herausgebracht hat, der vorherrschende Eindruck. Wobei sicher auch eine Rolle gespielt hat, dass die Stadt das fotografische Lebenswerk ihres bedeutenden Sohnes 2016 im Kunstmuseum mit einer großen Ausstellung gewürdigt hatte.
Guido Mangolds Versöhnungsgeschenk, wenn man so will, ist nun dieser Bildband, der sich von anderen dadurch grundlegend unterscheidet, dass alle Aufnahmen nicht etwa digital, sondern analog aufgenommen worden sind. Mangold, der noch nie eine Digitalkamera angerührt hat, fotografierte also auch in Ravensburg konsequent mit seiner alten Leica, ermittelte mit dem guten alten Belichtungsmesser Blende und Verschlusszeit – und er liegt damit voll im Trend, wie Verlagsleiter Achim Zepp in seiner Einführung feststellte. Denn die Analogfotografie erlebe im Zeitalter der hemmungslosen Knipserei mit dem Handy derzeit eine neue Blüte. Seine Bilder seien anders, weil nicht alles geglättet und geschönt sei. Und man kann hinzufügen, dass von ihnen gerade deshalb eine besondere Faszination ausgeht.
Oberbürgermeister Daniel Rapp stellte fest, niemand könne so gut eine Stadt fotografieren, der sie nicht kenne. Mangold verfüge sowohl über den Blick von außen als auch den des Insiders. Rapp würdigte auch die „tollen Texte“von Klaus Nachbaur, ebenfalls geborener Ravensburger, Neffe des Meisterfotografen und über 30 Jahre lang Redakteur der „Schwäbischen Zeitung“.
Achim Zepp erwähnte, dass für Hildegard Diederich mit dem Bildband ein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen sei. 1997 hatten sie und ihr Verlag schon einmal ein Ravensburg-Buch herausgebracht. „Wir feiern heute ein Comeback“, stellte Zepp fest. Für Guido Mangold habe sich mit diesem „finalen Buch“der Kreis geschlossen.
Spannend erzählte der Fotograf anschließend in der Runde mit Autor Klaus Nachbaur und Chefredakteur Groth als Moderator aus seinem bewegten Leben. Man hätte ihm stundenlang zuhören können, etwa, als er schilderte, wie er 1963 als Fotograf der Illustrierten „Quick“– von blitzschneller Bildübermittlung per Internet rund um den Globus konnte noch keine Rede sein – mit seiner Fotoausbeute in Form belichteter Filme von der Kennedy-Beerdigung schneller als etwa die Konkurrenz vom „Stern“nach Deutschland zurückgekehrt war, was dem Blatt 300 000 zusätzlich verkaufte Exemplare einbrachte. Sehr schön auch die Geschichte seiner Mutprobe als Bub auf der damals noch gußeisernen alten Hotterloch-Brücke. Barfuß sei er über den Brückenbogen balanciert. „Wer runterfiel, der war halt tot...“
Mit den Worten „Guido, jetzt bischt dran!“hakte Verlegerin Dieterich, die ihn schon lange, „noch als schlaksigen, blonden Jüngling“, kennt, in Anbetracht solcher Anekdoten anschließend sofort ein. Seine Lebensgeschichte, das sei doch Stoff für ein weiteres Buch. Wie man sie kennt, wird sie nicht lockerlassen.
Neun Kapitel umfasst der jetzt erschienene Bildband. Darauf habe man sich geeinigt, berichtete Klaus Nachbaur. Doch dann gingen Onkel und Neffe jeweils eigene Wege. Anfangs, so der Textautor, dem die Verlegerin ebenso wie dem Fotografen authentische und akribische Arbeit bescheinigte, sei die Arbeit an den Texten relativ frustrierend gewesen. „Ich musste erkennen, dass ich meine Heimatstadt nur oberflächlich kannte. Auch schien mir alles irgendwo schon geschrieben zu sein.“
Für ihn gab es ein Pflichtprogramm, aber auch Kapitel wie das über den Hauptfriedhof, den er Dank eines Kenners, des Historikers Ralf Reiter, nun mit anderen Augen sieht, die ihm Freude bei der Arbeit gemacht haben. Dazu gehört sicher auch der Abschnitt über den Ravensburger Wochenmarkt unter der Überschrift: „Von der Pflege eines Rituals“.
Und das Lieblingsbild von Guido Mangold im Buch? Eine steinerne Skulptur an einer Säule im Kleinen Sitzungssaal des Rathauses. Dargestellt sind eine junge Frau und ein junger Mann in trauter Zweisamkeit an einer Quelle. Ein Symbol des Lebens und der Liebe aus der Mitte des 14. Jahrhunderts.
Der Bild- und Textband „Ravensburg mit meinen Augen“von Guido Mangold und Klaus Nachbaur ist erschienen in der Biberacher Verlagsdruckerei und im Buchhandel erhältlich, umfasst 220 Seiten und kostet 39,80 Euro.