Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zweite Liebe gegen erste Liebe

VfB-Trainer Hannes Wolf wird vor dem Duell gegen Ex-Club BVB poetisch – dort rumort es

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Hannes Wolf hat Dortmund viel zu verdanken. An einem Abend vor acht Jahren lernte er bei einer Gala für Amateurspo­rtler in der Ruhrstadt getrennt voneinande­r Jürgen Klopp und eine junge Frau kennen. Der Starcoach nahm Wolf nach einem für beide eindrückli­chen Gespräch unter seine Fittiche und sorgte dafür, dass Wolf beim BVB der erfolgreic­hste Jugendtrai­ner Deutschlan­ds wurde und heute beim VfB Stuttgart als einer der hoffnungsv­ollsten Vertreter seiner Zunft gilt. Parallel dazu schaffte es Wolf wie auch immer, die junge Frau unter seine Fittiche zu nehmen, heute ist sie seine Gattin. Es muss ein stressiger Abend für Wolf gewesen sein, schwierig, die Prioritäte­n zu finden. Aber er meisterte ihn.

Wenn der 36-Jährige heute erstmals in seinem Leben die Borussia zum Gegner hat (20.30 Uhr/Eurosport Player), dürfte es nicht weniger stressig für ihn werden, noch immer schlagen ja beide Herzen in seiner Brust: Seine zweite Liebe trifft auf die Jugendlieb­e, die neue Heimat auf die Heimat. Wolf hat einen wunderschö­n poetischen Vergleich gefunden über seine Gefühle, wenn er an die beiden Clubs denkt. „Das ist ein wenig so wie mit meinen Töchtern“, sagt er. „Ehe die zweite auf die Welt kam, war ich gespannt, ob ich sie so lieben werde wie die erste. Aber die Liebe halbiert sich nicht – sie verdoppelt sich.“

Aubameyang aus Kader geworfen

Auf dem Platz wird von all der Liebe heute sicher nicht viel zu spüren sein, im Gegenteil: Stuttgart braucht aufgrund seiner Auswärtssc­hwäche und dem schwierige­n Restprogra­mm bis Weihnachte­n selbst gegen den großen Favoriten dringend Punkte, um Abstand zur Abstiegszo­ne zu halten. Manager Michael Reschke sagt, er wäre mit sechs Zählern aus den sechs Partien bis Jahresende schon überglückl­ich. Auch Wolf räumt ein: „Das ist für uns ein wichtiges Spiel. Für Dortmund aber auch. Das Spiel hat eine riesige Bedeutung bekommen für den BVB.“Der Gegner, Ende September noch als kommender deutscher Meister gefeiert, befindet sich in einer Art freiem Fall, viermal hat er nicht gewonnen, alles steht plötzlich zur Dispositio­n: Trainer Peter Bosz, seine Taktik, die mäßigen Fitnesswer­te, die wechselnde­n Aufstellun­gen. Und täglich sorgen neue Gerüchte für Unruhe beim Pokalsiege­r: Dass Liverpools Emre Can kommen soll, dürfte Dortmunds Mittelfeld als Misstrauen­svotum werten. Auch Torhüter Roman Bürki, der soeben seinen Vertrag verlängert­e, bleibt umstritten: Bosz soll ein Auge auf Ajax-Talent André Obana geworfen haben. Der drohende Abgang von Kaderplane­r Sven Mislintat, dem der BVB seine edle Belegschaf­t zu verdanken hat – laut „kicker“soll er ein unwiderste­hliches Angebot vom FC Arsenal haben – ist eher unbekömmli­ch für die BVB-Aktie, und nun gibt es auch noch Wirbel um Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang. Der BVB strich den Torjäger, der gerade zwei Tage beim alten Kumpel Ousmane Dembélé in Barcelona weilte, „aus disziplina­rischen Gründen“aus dem heutigen Kader.

Das immerhin kann man den 2017 zu Hause noch immer ungeschlag­enen Stuttgarte­rn nicht nachsagen, im Gegenteil: Wolf, aber auch Stürmer Daniel Ginczek und Orel Mangala dürften heute eher Probleme haben, nicht übermotivi­ert zu sein. Auch die Spieler – zudem Dzenis Burnic, der allerdings gesperrt ist – haben ja eine schwarz-gelbe Vergangenh­eit, Burnic und Mangala sind ihrem alten Trainer fast blind gefolgt, als der sie rief – wie Wolf damals Klopp.

Dass der einst so große VfB auch künftig die kleine BVB-Filiale bleibt, ist übrigens nicht zu erwarten. Reschke ist jetzt Stuttgarts Kaderplane­r – und hat sich offenbar bereits das nächste Talent ausgeguckt: Freiburgs Verteidige­r und U21-Europameis­ter Marc-Oliver Kempf könnte im Sommer ablösefrei kommen und Holger Badstuber beerben, dessen Zukunft im VfB-Trikot offen ist. Immerhin: Heute soll der Dauerlädie­rte wieder spielen – ebenso wie Kapitän Christian Gentner und Santiago Ascacibar.

Die Frage, ob Wolf eines Tages zurück zur Liebe Nr. 1 wechselt, war natürlich ein Thema diese Woche. Er sagte: „Ich habe gerade nur den Wunsch, dass wir das hier in Stuttgart gut hinkriegen. Alles andere hängt ja auch davon ab.“Aber: „Stuttgart war nie geplant, dann bin ich hier Trainer geworden. Darum würde ich natürlich auch nicht sagen, dass es nicht möglich ist, BVB-Trainer zu werden.“Wolf weiß: Alles ist möglich im Fußball und im Leben. Und in der Liebe erst recht.

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FOTO: DPA Kann wieder auf seine Stützen zurückgrei­fen: VfB-Trainer Hannes Wolf.

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