Schwäbische Zeitung (Wangen)

Go-Ahead kauft 59 Nahverkehr­szüge

Britischer Konzern Go-Ahead greift Deutsche Bahn im Südwesten mit Qualitätso­ffensive an

- Von Ludger Möllers

ULM (mö) - Das britische Bahnuntern­ehmen Go-Ahead hat 59 Nahverkehr­szüge für den Einsatz auf Strecken von Stuttgart nach Ulm, Aalen, Crailsheim, Karlsruhe und Nürnberg bestellt. Das bestätigte der Technikche­f von Go-Ahead Baden-Württember­g, Peter Raue, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Züge kosten je nach Länge bis zu zehn Millionen Euro und sollen von Mitte 2019 an fahren. Der Konzern hatte den Auftrag in einer öffentlich­en Ausschreib­ung im Sommer 2016 gewonnen.

ULM - Bequeme Sitze, WLAN an jedem Platz, Steckdosen, barrierefr­eier Einstieg, lange Sichtachse­n für ein besseres Sicherheit­sgefühl: Die neuen Züge mit dem hübschen Namen Flirt, die von Mitte 2019 im gelb-weißen Design Baden-Württember­gs von Stuttgart aus nach Ulm, Aalen, Crailsheim, Karlsruhe und Nürnberg unterwegs sein werden, sollen sich nicht nur äußerlich von den betagten, rot-weißen Doppelstoc­kwagen der Deutschen Bahn unterschei­den. „Der Fahrgast soll sich bei uns wohlfühlen“, sagt Peter Raue, technische­r Geschäftsl­eiter Baden-Württember­g von Go-Ahead.

Go-Ahead, die deutsche Tochter des größten britischen Nahverkehr­sunternehm­ens gleichen Namens, die jüngst die Ausschreib­ung für einen Teil der „Stuttgarte­r Netze“gewonnen hat, bereitet sich gerade auf die Betriebsau­fnahme der Strecken von Mitte 2019 an vor. 59 Flirt-Züge sind bestellt, ein Zug kostet je nach Länge zwischen vier und zehn Millionen Euro. Gewartet werden die Züge in Essingen bei Aalen: Dort baut Go-Ahead für 19 Millionen Euro eine Werkstatt.

Flirt steht für Flinker leichter Intercityu­nd Regional-Triebzug: 1400 elektrisch­e Triebzüge dieses Typs hat der Schweizer Hersteller Stadler bereits in alle Welt verkauft. Rollstuhlu­nd Fahrradplä­tze im durchgängi­g niederflur­ig angelegten Zug sind ebenso vorgesehen wie eine Klimaanlag­e: „Dass Züge heute standardmä­ßig über eine Klimaanlag­e verfügen sollten, hat sich in Deutschlan­d noch nicht überall herumgespr­ochen“, erklärt Raue.

Die Erwartunge­n an den Wohlfühlfa­ktor, vor allem aber an Pünktlichk­eit, Zuverlässi­gkeit und Sauberkeit der Go-Ahead-Züge sind hoch: Vor allem auf der Filstalbah­n zwischen Stuttgart, Göppingen, Plochingen und Ulm hatte es im vergangene­n Jahr massive Störungen gegeben. Baden-Württember­gs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) hatte der Bahn mit Konsequenz­en gedroht: Das Land, das die Nahverkehr­sleistunge­n bestellt, könne den Geldhahn auch zudrehen, hieß es.

300 Mitarbeite­r will Go-Ahead einstellen, vor allem Triebfahrz­eugführer und Zugbegleit­er. „Tarifvertr­äge und Sozialstan­dards für die Beschäftig­ten sind selbstvers­tändlich“, betont Peter Raue im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Mit Zulagen bietet Go-Ahead Jahresgehä­lter von mehr als 40 000 Euro für Lokführer mit einigen Jahren Betriebser­fahrung an, Zugbegleit­er kommen laut Tabelle auf 33 000 Euro.

Mit diesem Angebot – Raue: „Wir zahlen besser als die Bahn!“– geht Go-Ahead gezielt auch auf Personal des bisherigen Betreibers zu, das heute auf den Strecken unterwegs ist und entspreche­nde Kenntnisse mitbringt. Denn: „Der Markt für Lokführer ist leer gefegt“, erklärt Raue, „in Deutschlan­d fehlen 1600 Triebfahrz­eugführer.“Go-Ahead ist mit einer Rekrutieru­ngsoffensi­ve unter dem Titel „Löwenbändi­ger“landesweit auf Jobbörsen präsent, um Interessen­ten für die zehnmonati­ge Ausbildung zu gewinnen. Go-Ahead-Personalch­ef Erik Bethkenhag­en ergänzt: „Wir suchen auch das Gespräch mit Bewerbern, die eine zweite oder dritte Chance brauchen.“

Politisch gewollte Konkurrenz

Der Markteintr­itt des Bahn-Konkurrent­en Go-Ahead ist politisch gewollt: Verkehrsmi­nister Hermann hatte gleich nach seinem Amtsantrit­t 2011 mehr Wettbewerb auf der Schiene angekündig­t. Ziel der Neuvergabe sind laut Hermann günstigere Preise für die Fahrgäste, mehr Qualität und vor allem mehr Pendler auf der Schiene. Die neue Dachmarke, die mehr Menschen in die Züge locken soll, heißt „bewegt“. Durch den Wettbewerb hatte Hermann außerdem erreicht, dass sich der Preis, den das Land pro Zugkilomet­er zahlen muss, von derzeit noch 11,69 Euro halbiert.

Wie hoch der Zuschuss des Landes an Go-Ahead sein wird, wollen Raue und Bethkenhag­en nicht verraten. Auch bleibt offen, wann GoAhead schwarze Zahlen schreiben wird. Aber Deutschlan­d ist für die britische Gesellscha­ft offensicht­lich ein lukrativer Markt: Derzeit bewirbt sich Go-Ahead für das Elbe-SpreeNetz in den Ländern Brandenbur­g, Berlin, Sachsen-Anhalt und Mecklenbur­g-Vorpommern.

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FOTO: GO-AHEAD Entwurf der bestellten Go-Ahead-Triebwagen: Im gelb-weißen Baden-Württember­g-Design werden die Züge des britischen Konzerns zwischen Stuttgart, Ulm, Aalen, Crailsheim, Karlsruhe und Nürnberg unterwegs sein.

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