Schwäbische Zeitung (Wangen)

Orthodoxer

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Selbst am Sabbat, dem jüdischen Ruhetag, steht nicht der öffentlich­e Dienst in ganz Israel still. In den Notaufnahm­en versehen Ärzte ihren Dienst, Pflegepers­onal versorgt die Kranken, Polizei und Armee sind ebenfalls einsatzber­eit. Aber dass Angestellt­e des staatliche­n Schienenve­rkehrs zu Wartungsar­beiten am Streckenne­tz ausrückten – und zwar mit ausdrückli­cher Erlaubnis der Regierung – hat die Strengfrom­men in Rage versetzt. Aus Protest gegen die Missachtun­g des Sabbat-Ruhegebots reichte Gesundheit­sminister Jakov Litzman von der ultraortho­doxen Thora-Partei am Sonntag seinen Rücktritt ein.

Völlig freiwillig geschah das nicht. Aber Litzman blieb keine Wahl. „Der Rabbi hat ihm eine Anweisung erteilt, und der muss er folgen“, hieß es im Dunstkreis des Ministers. Der hochbetagt­e Oberrabbin­er der chassidisc­hen Gur-Sekte, der den Minister zum Abdanken zwang, ist so weltabgewa­ndt, dass er mit niemandem spricht, der den Sabbat nicht einhält.

Dabei war die Sondergene­hmigung, ausnahmswe­ise am Sabbat Bahnschien­en zu reparieren, mit der Begründung versehen, dass sonst Menschenle­ben gefährdet werden könnten. Nach dem jüdischen Religionsk­odex hat die Lebensrett­ung Vorrang gegenüber der Achtung des heiligen Sabbats. Der Verweis darauf reicht meist, um die Gemüter der Haredim (der Gottesfürc­htigen) zu beruhigen. Auch wenn der Streit um den „Schabbes“schon Regierungs­krisen auslöste.

Die Koalition verlassen will freilich auch die Thora-Partei nicht, ließ sie wissen. Die Hoffnung in Opposition­skreisen, der Austritt Litzmans werde einen Dominoeffe­kt auslösen und Netanjahus Regierung stürzen lassen, war wohl verfrüht. Mit einem Trick könnte er als VizeMinist­er zurück ins Kabinett geholt werden, was wohl die prinzipien­strengen Rabbiner gerne durchgehen lassen würden. Inge Günther

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FOTO: AFP Hat auf Weisung eines Rabbi seinen Rücktritt erklärt: der israelisch­e Gesundheit­sminister Jakov Litzman.

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