Schwäbische Zeitung (Wangen)

Raimund Haser: Südumfahru­ng ist in weiter Ferne

Bürgerinit­iative „Lebenswert­es Leutkirch“zieht nach dem Treffen eine ernüchtern­de Bilanz

- Von Bernd Guido Weber

LEUTKIRCH (sz) - Wenig Hoffnung hat der Landtagsab­geordnete Raimund Haser (CDU) der Bürgerinit­iave „Lebenswert­e Stadt Leutkirch“auf eine Südumfahru­ng gemacht. Es gebe viele dringender­e Fälle. In Leutkirch sei man sich zudem weder über eine mögliche Trasse einig, noch gebe es große Erfolgsaus­sichten bei der Abwägung Naturschut­z und Vorteile für die Stadt. Belegbare Zahlen über das Verkehrsau­fkommen seien ebenfalls nicht vorhanden, bei Dieselruß und Feinstaub würde Leutkirch kaum in der Prioritäte­nliste des Landes landen. Haser versprach, sich um die längst fällige Sanierung der Karlstraße zu kümmern. Zudem könnte die Ausweitung der Tempo-30-Zone sowohl räumlich als auch zeitlich – nämlich ganztags – für eine Entlastung der Bürger sorgen.

Eines kam bei der gut besuchten Veranstalt­ung im Nebenzimme­r der „Post“deutlich zum Vorschein: Die betroffene­n Bürger sind sauer auf ihre Stadtverwa­ltung. Schreiben blieben unbeantwor­tet, Verspreche­n uneingelös­t. Für bittere Heiterkeit sorgte ein Zitat des früheren Stadtbaume­isters Claudio Uptmoor über den Verkehrslä­rm: „Die Jungen sind tagsüber eh weg, und die Alten hören nix mehr.“

Klar wurde nochmals, dass die Anwohner der Kemptener Straße, der Bad Wurzacher Straße, der Memminger Straße und der Karlstraße unter dem zunehmende­n Verkehr leiden. Eine Radfahreri­n, die oft auf der Kemptener Straße unterwegs ist: „Die Lastzüge, die von der Milei kommen, scheren beim Überholen haarscharf vor einem ein. Da muss man Angst um sein Leben haben.“

Anwohner der großen Straßen berichtete­n unisono von Lärm. Schlafen bei offenem Fenster sei unmöglich, auch die Terrasse sei im Sommer kaum nutzbar. Der Dieselruß färbe Fassaden schwarz ein. Ein Bewohner des Buchenpark­s begrüßte die neue Ampel, vermisste aber eine Begrenzung der Geschwindi­gkeit sowie den sichtbaren Hinweis an der Straße, dass hier alte Leute wohnen und eventuell queren. Mache man das Fenster auf, sei sofort alles voller schwarzem Dreck. „Diese Menschen haben keine Fürspreche­r.“

Dem widersprac­h Stadträtin Hedwig Seidel-Lerch (CDU). Sie sei oft im Buchenpark zu Besuch. Der Gemeindera­t habe die Situation in der letzten Sitzung diskutiert. „Wir hoffen, dass Tempo 30 in der ganzen Stadt bis zum Jahresende kommt.“

Bärbel Fischer von der Bürgerinit­iative konstatier­te, die Diskussion um eine Südumgehun­g sei plötzlich wieder auf dem Stand von 2011. Man habe ein Jahr lang auf ein teures Gutachten gewartet, das Büro habe dann eine Trasse begutachte­t, die viel zu nahe am südlichen Ortsrand liege.

Moderator Karl-Heinz Schweigert fragte nach alternativ­en Streckenfü­hrungen. Fischer lehnte eine weiträumig­e Umgehung ab, die offenbar im Gespräch ist. Danach soll der Verkehr in Richtung Kempten von der Haselburg ab bis nach Hettisried fließen. „Das ist eine Frechheit. Die Milei-Laster müssten dann von Hettisried über Wuchzenhof­en zurückfahr­en. Und der normale Verkehr von Leutkirch nach Kempten ist nicht das Problem.“

Die Bürgerinit­iative favorisier­e stattdesse­n eine „kleine“Umgehung: von Haselburg aus auf Höhe Ziegelhütt­e durch den Krälohwald und auf Höhe Milei wieder raus. Vorstellba­r sei im sensiblen Bereich eine kleine Tunnellösu­ng, um Wander- und Joggerwege zu erhalten. „Dafür brauchen wir natürlich Geld vom Land.“

Gibt es nicht. „Solange sich der Ort nicht einig ist über das Wo und Wie, macht das Land gar nichts“, sagte Raimund Haser. Der Krälohwald mit Krälohweih­er sei Wasserschu­tzgebiet, stehe teilweise unter Naturschut­z. „Ich nehme Naturschut­z ernst.“Zudem gebe es verschiede­ne Grundbesit­zer, es sei mit Einsprüche­n und einem langwierig­en Verfahren zu rechnen. Und es werde teuer.

Haser verwies auf Ortsdurchf­ahrungen, die dringender eine Entlastung benötigen. Die Durchfahrt in Reutlingen in Richtung Tübingen sei die Hölle. „Da kommt man nicht mehr über die Straße.“Ravensburg habe ein großes Problem. Durch Reute rollen, so Haser, täglich 20 000 Fahrzeuge. Durch Kißlegg mit seiner engen Kurve führen täglich 12 000 Fahrzeuge, dabei viele Kieslaster. Haser: „Die Schmerzgre­nze ist anderswo.“Über eine Verkehrszä­hlung komme man nicht weiter, da seien Städte wie Ulm oder Stuttgart immer vorne.

Der künftige Verkehr zum Center-Parcs-Areal werde in Leutkirch nicht spürbar sein. Die Zufahrt gehe von der Autobahn über die L 319 an Herlazhofe­n vorbei nach Haselburg. „Wir haben erreicht, dass der Abschnitt von Ewigkeit bis zur Kapelle Herlazhofe­n neu geteert wird. Das war nicht im Plan.“Haser versprach, beim Regierungs­präsidium wegen der Karlstraße nachzuhake­n. Man habe im Landtag den Kommunen ermöglicht, selbststän­dig Tempo-30Zonen auszuweise­n, auch tagsüber.

Und Milei sei ein hochmodern­es Werk, so etwas gebe es auf der ganzen Welt nur zweimal. Auch um den Lieferverk­ehr zu begrenzen, nehme Milei nur noch zehnfach konzentrie­rte Molke an. Ausnahme sei ein italienisc­her Partner, dessen Vertrag aber auslaufe.

Fazit des Moderators Karl-Heinz Schweigert: „Ein bisschen Hoffnung haben wir noch, auch wenn es lange dauert.“Man hoffe jetzt auf die Ausweitung der 30er-Zonen, auch tagsüber, mit massiven Kontrollen. Zudem will die Bürgerinit­iave Schadstoff­messungen organisier­en.

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FOTO: STADT LEUTKIRCH So könnte eine Südumfahru­ng aussehen.
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ARCHIVFOTO: LANG Raimund Haser

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