Schwäbische Zeitung (Wangen)

Im festen Glauben an die Technik

Das Melchinger Theater Lindenhof gastiert mit „Homo Faber“in der Stadthalle

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WANGEN (bc) – Gut angekommen ist die „Homo Faber“-Inszenieru­ng auf Einladung des Theaterbei­rats der Kulturgeme­inde am Sonntagabe­nd in der Stadthalle. Für die drei Schauspiel­er Sebastian Schäfer, Cornelius Nieden und Kathrin Kessler vom Melchinger Theater Lindenhof gab es nach über zwei Stunden Spieldauer großen Applaus und Bravorufe. Regisseur Christof Küster hat seinen Homo Faber nach dem Roman von Max Frisch mit einem wandlungsf­ähigen gläsernen Bühnenbild in Szene gesetzt.

Eine Kulisse aus Stahlrahme­n und Plexiglass­cheiben, die sich als dreh- und schiebbare, mehrteilig­e hohe Wand entpuppte, hat Bühnenbild­nerin Maria Martinez Peña entworfen. Sie gerät mal zum geschlosse­nen engen Raum, mal zu einer unüberwind­baren Trennungsl­inie. Alle Varianten erlaubten Sichtkonta­kt, aber keine wirklichen Berührunge­n. Vor, in und hinter dieser Kulisse bewegten sich Sebastian Schäfer als Walter Faber, Cornelius Nieden und Kathrin Kessler, die als Erzähler fungierten und im Wechsel damit in die Rollen von Herbert Hencke, dem Amerikaner Williams, Fabers exaltierte­r Freundin Ivy, seiner Jugendlieb­e Hanna und Tochter Sabeth schlüpften. Im Hintergrun­d des Bühnenbild­es traten deren Gesichter in einzelnen Szenen überdimens­ioniert als Livestream auf.

Frischs Roman spielt in den 1950er Jahren und thematisie­rt die fortschrei­tende Technisier­ung. Der „Mensch als Verfertige­r“, der sich mit Hilfe von Werkzeugen die Welt zu Nutze macht, hat jegliche Schicksals­gläubigkei­t verloren.

So ein „Schaffende­r“ist der Ingenieur Walter Faber, für den der Mond eine errechenba­re Masse darstellt, Dämonen und Engel bloße Fantasiewe­sen. Auf dem Flug nach Caracas befindet er sich, um seinen ehemaligen Freund Joachim Hencke zu besuchen. Da kommt alles anders als erwartet, als die Maschine in der mexikanisc­hen Wüste notlandet. Faber im schlichten grauen Anzug und mit Hut gibt sich als Zeitgenoss­e, der durch nichts zu erschütter­n scheint.

Cornelius Nieden und Kathtrin Kessler greifen abwechseln­d zum Mikrofon und übernehmen den Erzählpart, fast so, als läsen sie Fabers Gedanken und ließen diese als Echo nachhallen. In kurzen knappen Sätzen eines nüchternen Berichtes. So leuchtet das Stück die Kluft zwischen Fabers technoider Vorstellun­gswelt und dem wahren Geschehen aus. Die nicht errechenba­re Notlandung, den nur noch tot aufgefunde­nen Freund und die zufällige Begegnung mit der jungen Sabeth während der Schiffsrei­se zurück nach Europa. Langsam taut der emotionslo­se Walter auf. War Kessler eben noch die mondäne Icy, von der er sich widerwilli­g verführt sieht, ist sie nun die unbedarfte, für alles im Leben offene Sabeth. Walter pirscht sich an sie heran, erhält Abfuhren, ist genervt von ihrer Kunstbegei­sterung für den Louvre, in dem Walter noch nie gewesen ist. Hinter der Fassade dämmert es ihm, das etwas mit der Begegnung nicht stimmt.

Momentane Erheiterun­g löste Fabers Plädoyer für das allein Wohnen und gegen das Doppelzimm­er als Dauerzumut­ung aus. Dieser einzige ernst zu nehmende Zustand für Männer sei nicht zynisch, sondern sachlich. Während Walter seine Empfindung­en misstrauis­ch beäugt, holt ihn das Schicksal ein. Sabeth ist Hannas und seine Tochter. So wird aus Sabeth nun die abgeklärte, in Athen lebende Hanna. Kessler schafft diese Wandlungen sehr überzeugen­d mit einfachen Mitteln.

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FOTO: CAESAR Die Kulissen erlauben den Akteuren zwar Sichtkonta­kt, aber keine echten Berührunge­n.

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