Viel Elend im Schatten des Taj Mahal
Indien-Kinderhilfe Oberschwaben aus Bad Wurzach unterstützt Misereor-Projekt
BAD WURZACH (sl) - Die Not vor Ort zu bekämpfen, dieser Aufgabe hat sich die Indien-Kinderhilfe Oberschwaben mit Sitz in Bad Wurzach verschrieben. Eine Mammutaufgabe auf dem Subkontinent. Seit diesem Jahr unterstützt der Verein auf Bitten des Bischöflichen Hilfswerks Misereor zusätzlich ein Projekt in Agra.
Etwa 220 Kilometer südlich von Indiens Hauptstadt Neu Delhi im Norden Indiens liegt die alte Hauptstadt der Mogulkaiser, Agra. Weltberühmt ist die Stadt wegen ihres Weltwunders, des ewig weiß glänzenden Weltwunders Taj Mahal. Dies ließ der Mogul Shah Jahan für seine Lieblingsfrau nach ihrem Tod als Grabmal errichten. Mit seinem schwebenden Erscheinungsbild in einem wunderschönen Park glänzt es märchenhaft am Horizont und zieht die Touristen aus aller Welt an.
Im Schatten dieses Denkmals sei jedoch vieles gar nicht märchenhaft, berichtet Misereor. Kinderarbeit, mangelnder Schulbesuch, kein Zugang zu sauberem Trinkwasser, eine immer noch erhöhte Säuglingssterblichkeit seien in den umliegenden Dörfern immer noch bittere Realität.
Die Diözese Agra stellt sich der Tragik, dass vielen Kindern ihre Chancen genommen wird, bevor sie richtig auf der Welt sind. Mit zwei Projekten geht Pater Vinoy, freigestellt für die Soziale Arbeit der Diözese, gegen die miserable Situation von Kindern und Jugendlichen vor.
Ausgebeutete Kinder
In einem Projekt besuchen er und die mit ihm arbeitenden Sozialarbeiter Dorf um Dorf in der Umgebung und kämpfen in mühsamen Gesprächen mit den oft armen Eltern aus den untersten Kasten Indiens gegen die chronische Benachteiligung und Ausbeutung von Mädchen und gegen die verbreitete Kinderarbeit an den Hauswebstühlen.
Im zweiten Projekt besucht er mit einem Arzt die abgelegenen Dörfer und lässt die Kinder und Jugendlichen auf Mangelerkrankungen und Parasitenbefall untersuchen. Gegen die akuten Beschwerden werden Medikamente gegeben, aber auch hier steht das verständnisvolle Gespräch mit den Eltern im Mittelpunkt.
In Rollenspielen lernen Jungen und Mädchen, die traditionelle Geringschätzung von Mädchen und jungen Frauen zu hinterfragen, die mangelnde Hygiene in den Dörfern zu problematisieren und die Regierungsprogramme zur Verbesserung der Situation anzunehmen und zur Verbesserung der Lebensbedingungen zu nutzen.
Seit etwa 15 Jahren unterstützt das bischöfliche Hilfswerk Misereor die Arbeit von Pater Vinoy im Norden Indiens mit knapp bemessenen Mitteln, weswegen die Indien-Kinderhilfe Oberschwaben dem Aachener Hilfswerk jetzt zur Hilfe kam.
„Jede Spende hilft“
„Jede Spende hilft Pater Vinoy dabei, Kindern im indischen Agra eine Zukunft zu geben“, sagt Hans-Martin Diemer, Vorsitzender des Bad Wurzacher Vereins. Der wurde 1988 von ihm, Franz Butscher und Rudolf Ege gegründet, feiert also im kommenden Jahr sein 30-jähriges Bestehen.
Seit mehreren Jahren arbeitet die Indien-Kinderhilfe Oberschwaben eng mit Misereor zusammen. „So ist die Nachhaltigkeit der von uns unterstützten Projekte gewährleistet“, sagt Diemer und: „Gleichzeitig wissen wir, dass vor Ort der Einsatz der uns anvertrauten Gelder kontrolliert wird.“Und das ist dem 74-jährigen ehemaligen Bad Wurzacher Grundund Hauptschulrektor und seinen mittlerweile mehr als 200 Mitstreitern im Verein sehr wichtig. Immerhin sammeln sie jedes Jahr rund 40 000 Euro für die Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort.
„Projekte werden von Misereor zunächst überprüft, und dann gibt es immer wieder unangemeldete Zwischenüberprüfungen. Das läuft knallhart, und das ist auch ganz wichtig“, sagt Diemer.
Neben dem noch relativ jungen Vereinsprojekt in Agra finanziert die Indien-Kinderhilfe Oberschwaben derzeit vier weitere vordringlich: eine Schule mit Wohnheim, die nahe eines Slums von Kalkutta gebaut worden ist; das Schulprojekt der aus Wien stammenden Ärztin Barbara Nath-Wieser (sie war kürzlich beim Basar des Vereins in Bad Wurzach zu Gast) im nördlichen Bundesstaat Himachal Pradesh; eine Schule mit Wohnheim in Allahabad im Bundesstaat Utar Pradesh, wo missbrauchte und vergewaltigte Mädchen unterrichtet werden und wohnen; Busse, die in die Slums fahren und dort als Schulzimmer dienen, im Bundesstaat Delhi. „Auch diese Projekte vergessen wir nicht“, betont Diemer.