Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Er hat mit nichts angefangen“

Schlagzeug­jongleur Eddy Carello erinnert sich an den ersten Ravensburg­er Weihnachts­circus

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RAVENSBURG (sz) - Seit zehn Jahren heißt es im Ravensburg­er Weihnachts­circus „Manege frei!“. Schlagzeug­jongleur Eddy Carello aus Zürich weiß noch genau, wie alles angefangen hat. Der Schweizer kennt Zirkusdire­ktor Elmar Kretz aus seiner Zeit beim Österreich­ischen Nationalzi­rkus. Damals bewarb sich der Gastwirtss­ohn aus dem Allgäu als Pferdetrai­ner – und Quereinste­iger. Carello stellte Kretz ein – obwohl er an seinem Können zweifelte.

„Der Tiertraine­r hatte überrasche­nd gekündigt. Da kam der Elmar Kretz daher: Mitte 20, gelernter Koch“, erinnert sich Carello an den ersten großen Job des heutigen Direktors in Ravensburg. „Wir haben ihm das überhaupt nicht zugetraut. Aber wir brauchten dringend jemand. Geglaubt haben wir nicht, dass der Elmar das wirklich packt.“Von heute auf morgen übernahm der Allgäuer edelste Pferde, eine Gruppe Hochlandri­nder, dressierte Lamas und Zebras. Er war zuständig im Stall und in der Manege. Und er machte seine Sache gut.

Wie man Tiere trainiert, hatte er bei einem Betrieb in Frankreich gelernt. Auch wie man als Zirkusmens­ch lebt: „Er kam mit einem winzigen Auto mit einem kleinen Camper hintendran ums Eck. Wir haben alle geguckt und uns gefragt: Was ist denn das? Das ist der Elmar! Und ein Bett auf Rädern!“, erinnert sich Eddy Carello. Beim Nationalzi­rkus in Wien lernten sich Kretz und Carello kennen – und schätzen. „Der Job war nicht einfach. Elmar hat sich da wirklich durchgebis­sen“, erzählt der Schweizer. Der Kontakt hält über das Engagement in Österreich hinaus und Carello besucht Kretz später in Oberreute. Als er den Saal in der Gastwirtsc­haft sieht, sagt er: „Perfekt für ein Varieté.“Elmar Kretz setzt den Gedanken um.

Nach den ersten Produktion­en von „Buenissimo“auf der Bühne in Oberreute zieht es den Allgäuer aber in die Manege. Er will einen richtigen Zirkus machen – mit seiner großen Leidenscha­ft: der Pferdedres­sur. „Eigentlich eine irre Idee. Seit Jahren müssen alteingese­ssene Betriebe Insolvenz anmelden. Und dann kommt ein Quereinste­iger daher und denkt, er kann es besser“, sagt Carello. Dabei hatte Elmar Kretz noch nicht mal ein Zelt. Also mietet er im ersten Jahr die Oberschwab­enhalle, baut eine Manege ein und bringt den ersten Ravensburg­er Weihnachts­circus auf den Weg. „Ich hab’ damals alles selbst gemacht. Das war der Wahnsinn: vom Aufbau, über die Kasse bis zur Pferdedres­sur“, erzählt er und lächelt beim Kopfschütt­eln. Heute hat er ein eigenes Zelt und eine eigene Tribüne und beschäftig­t über 60 Menschen während des Aufbaus und der Spielzeit.

Funktionie­rt hat es in der reduzierte­n Besetzung vor zehn Jahren aber trotzdem. Seitdem wachsen die Besuchszah­len, das Programm gewinnt jedes Jahr an Niveau. Überschüss­e investiert­e Kretz von Anfang an in seine Ausrüstung und in gute Artisten. „So haben wir uns unglaublic­h entwickelt und jedes Jahr gesteigert“, sagt er. Schritt für Schritt investiert­e Kretz in ein Zelt, richtige Sitze, einen Manegenein­gang, das Stallzelt und in Fahrzeuge.

Dabei hat er die Kosten bis heute gut im Blick: „Die Wagen, der TÜV, die Maut, die Löhne für die Angestellt­en, die Versicheru­ngen und Sozialabga­ben brechen vielen das Genick“, weiß Carello. In Ravensburg gehe die Rechnung auf, wie das Konzept: „Im Winter, gutes Programm, auf den Punkt, 14 Tage Vollgas.“Die hohe Qualität der Darbietung­en sei mit entscheide­nd, dass die Leute dem Zirkus schon ein ganzes Jahrzehnt die Treue halten: „Hier ist immer was Spezielles geboten. Immer einen Tick mehr als er erwartet.“Carello meint damit freilich auch sein eigenes Programm: Der Schweizer setzt bei der Jubiläumss­how sein neues elektronis­ch unterstütz­tes Acrylschla­gzeug ein. Seine jonglierte­n und beleuchtet­en Bälle treffen so blitzschne­ll auf die Trommeln, dass ein Rhythmus entsteht.

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FOTO: BOECK Eddy Carello

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