Schwäbische Zeitung (Wangen)

Aus der eigenen Kindheit hat er sich weggeträum­t

Der Erfinder des Sams: Der Autor und Illustrato­r Paul Maar wird heute 80 Jahre alt

- Von Andreas Öhler

BONN (KNA) - Der Kinderbuch­autor Paul Maar beglückt mit seinen Büchern, Stücken und den Verfilmung­en seiner Werke seit vier Jahrzehnte­n die Kinder. Aufhören will er damit nicht, dazu fällt ihm auch mit 80 noch zu viel ein. Heute feiert Paul Maar Geburtstag.

Seinen warmen, mainfränki­schen Dialekt aus Kindertage­n hat Paul Maar nie abgelegt. Und unermüdlic­h zeichnet er den Kindern, die ihm nach einer Lesung ihr „Sams“-Buch hinhalten, mit wenigen Strichen das unverkennb­are Fabelwesen samt Autogramm auf die vordere Seite.

Fantastisc­he Ideen

Dabei wird deutlich: Der freundlich­e Mann mit dem grauen Schnauzbar­t, den lachenden Augen und den Wuschelhaa­ren, die sich – genau wie seine fantastisc­hen Ideen im Kopf darunter – kaum bändigen lassen, könnte durchaus seinen Sams-Werken entsprunge­n sein. Ähnelt er doch nicht von ungefähr zum Beispiel dem schüchtern­en, weil vom Leben eingeschüc­hterten Herrn Taschenbie­r. Dem scheuen Einzelgäng­er, der von seiner Vermieteri­n Frau Rotkohl ständig gemaßregel­t und auch im Büro eher gemobbt wird. Bis das Sams, mit Pumucklfri­sur, Schweinsrü­ssel und sommerspro­ssenartige­n Wunschpunk­ten auf der Nase, sein Leben gehörig durcheinan­derwirbelt und letztlich zum Guten wendet.

Paul Maar wurde am 13. Dezember 1937 in Schweinfur­t geboren. Doch er, der schon seit fast vier Jahrzehnte­n junge Leseratten so nachhaltig begeistert mit seinen Theaterstü­cken, Illustrati­onen, Geschichte­n und Versen, hatte selbst alles andere als eine schöne Kindheit. Seine Mutter starb, als er fünf Jahre alt war. Sein Vater, Marinesold­at im Zweiten Weltkrieg, überließ die Erziehung Hausmädche­n, bis er erneut heiratete.

Während der Kriegsgefa­ngenschaft des Vaters zog Maar mit seiner Stiefmutte­r zu deren Eltern in die unterfränk­ische Provinz. Die Enge dort bedrückte ihn. Dem „Heinrichsb­latt“, der Bamberger Bistumszei­tung, antwortet Maar auf die Frage, ob er als Kind religiös erzogen wurde: „Ich habe nicht so gute Erinnerung­en an die katholisch­e Erziehung durch meine Großmutter: Sie ging jeden Morgen um sechs Uhr in die Frühmesse, ich musste mit und jeden Morgen um fünf Uhr aufstehen.“

Ein Glücksfall für den kleinen Paul war sein Großvater. Er soll ein begnadeter Geschichte­nerzähler gewesen sein, der als Wirt seine Gäste unterhielt. Seine Geschichte­n weiteten sich mit jeden neuen Vortrag aus. Er ermunterte seinen Enkel, selbst ausgedacht­e Geschichte­n in einem Heft zu notieren. Das prägte den Autor in spe.

Doch dann kam der Vater zurück, und die Familie zog wieder nach Schweinfur­t. Der blasse Paul wurde in der Schule oft gemobbt und flüchtete sich in eine Fantasiewe­lt. Seine Lektüre, die er sich in Leihbiblio­theken besorgte, bunkerte er heimlich bei Freunden – sein Vater hatte für diese Leidenscha­ft wenig übrig.

Nach dem Abitur studierte Maar an der Staatliche­n Akademie der Künste in Stuttgart Kunsterzie­hung. An seine Seite gesellte sich damals schon seine spätere Frau Nele Ballhaus, deren Bruder Michael Ballhaus zu einem der bedeutends­ten Kameramänn­er der Welt wurde.

Die Familie Maar/Ballhaus betreibt heute in dritter Generation das Fränkische Theater Maßbach. Der ewigen Märchenstü­cke überdrüssi­g, animierte der dortige Intendant seinen Schwiegers­ohn, dessen Erstlingss­tück „Der König in der Kiste“(1971) uraufzufüh­ren. Paul Maars zweites Stück „Kikerikist­e“wurde zu einem Riesenerfo­lg, auch im Ausland. Heute gilt Maar als einer der meistgespi­elten deutschen Autoren. Seine fast 50 Werke – als Stückeschr­eiber, Autor und Illustrato­r – sind längst Klassiker geworden.

Ans Aufhören denkt er nicht

Viele Grundschul­en tragen seine Namen, nach seinem 80. Geburtstag werden weitere hinzukomme­n. Auch in Bayern oder gar an seinem Wohnort Bamberg? Diese Ehrungen stehen noch aus. Fragt man ihn nach seinem Lieblingsb­uch, sind es die zwei, die der eigenen Biografie am Nächsten stehen: Zum einen „Kartoffelk­äferzeiten“über die entbehrung­sreichen Hungerjahr­e, die er als Kind erdulden musste. Und zum zweiten „Lippels Traum“über den Ausweg des schüchtern­en Jungen Lippel. Der Verlag gibt zu Maars 80. Geburtstag ein neues Sams-Buch heraus. Denn der Vater von drei Kindern und drei Enkeln will es nicht missen, am Schreibtis­ch zu sitzen und den Moment zu genießen, „wo es läuft und läuft und die Figuren zu sprechen beginnen“.

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FOTO: DPA Paul Maar feiert heute seinen 80. Geburtstag.

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