Standort Wangen soll Gewerbe abgeben
Landkreis drückt bei Strukturreform der beruflichen Schulen aufs Gas.
WANGEN - Der Landkreis Ravensburg macht Ernst bei der Strukturreform der beruflichen Schulen. Nach SZ-Informationen soll der Standort Wangen dabei einen Großteil seines gewerblichen Bereichs abgeben, aber bei der Agrarwirtschaft gestärkt werden. Bereits im Januar könnte der Kreistag die Neuordnung des Ausbildungsangebots beschließen.
Seit der Sitzung des Kultur- und Schulausschusses vergangenen September wurde die regionale Schulentwicklung ausschließlich hinter den Kulissen besprochen. Es gab seitdem diverse Gespräche zwischen Rektoren, Kreisverwaltung und Regierungspräsidium als zuständiger Schulbehörde über die künftige Strategie bei den beruflichen Schulen im Kreis. Auch in der jüngsten Ausschusssitzung Ende November war das Thema nichtöffentlich. Hier hatte die Kreisverwaltung die Räte auch über das von ihr favorisierte Modell der Konzentration von Ausbildungsangeboten informiert, die Schulleiter konnten Stellungnahmen abgeben.
„Großes Informationsbedürfnis“
Mittlerweile wurden die Schulen offiziell über die Kreis-Pläne unterrichtet, und seitdem gibt es dem Vernehmen nach Unruhe in manchen Kollegien. Deshalb entschloss sich die Verwaltung wohl, anders als sonst üblich, bereits vorab in die Öffentlichkeit zu gehen. Seit dieser Woche steht das Konzept zur Schulentwicklung online, bereits in der nächsten Sitzung am 19. Dezember sollen alle Kreisräte informiert werden, und auch die nächste Schulausschusssitzung am 16. Januar, bei der eine Beschlussempfehlung vorgesehen ist, soll ausnahmsweise öffentlich sein. „Wir haben das Gefühl, dass bei diesem Thema in der Bevölkerung und bei den Räten ein großes Informationsbedürfnis besteht“, räumt Schuldezernent Franz Baur ein.
Kein Wunder, denn die vom Kreis vorgeschlagene Variante „K2“(K wie Kompetenzzentren) birgt jede Menge Zündstoff – vor allem fürs Allgäu. Laut den bis vor kurzem internen Unterlagen, die der SZ vorliegen, soll demnach der Großteil der gewerblichen Ausbildung künftig an der Geschwister-Scholl-Schule in Leutkirch gebündelt werden. Mit der Folge, dass Wangen bis auf die Holztechnik diverse Berufsfelder wie KFZ-Mechatronik oder Metalltechnik sowie das Profil Technik/Management am Technischen Gymnasium verliert (Details siehe Kasten „Modelle“). In Leutkirch soll ein „Industrie 4.0“Standort fürs Allgäu entstehen. „Dort gehören dann auch die KFZ-Mechatroniker hin“, so Baur.
Im Gegenzug soll das Berufliche Schulzentrum Wangen (BSW) zum „Kompetenzzentrum Milch und Agrarwirtschaft Allgäu“werden und die entsprechenden Ausbildungszweige von Leutkirch und Ravensburg erhalten, darunter ein Agrarwissenschaftliches Gymnasium. Ursprünglich sollte der Agrarbereich in Ravensburg gebündelt werden, sagt der Schuldezernent. Aber: „In der Landwirtschaft wird es einen deutlichen Rückgang geben, und hier bietet unser Wohnheim in Wangen einen großen Standortvorteil, der auch Schüler aus dem Umland anlocken kann.“Weiter sieht das Modell „K2“vor, dass aus Ravensburg die Bankkaufleute nach Wangen kommen. Im Schussental werden demnach künftig die Berufsfelder Gesundheit und Hauswirtschaft (jeweils von Leutkirch) gebündelt.
Baur: „Das ist kein Sparkonzept“
Zur Disposition stehen auch ein Modell „K1“, die konsequente Konzentration im Allgäu (gesamtes Gewerbe und TG in Leutkirch, zusätzlich gesamte Pflege in Wangen), sowie eine abgeschwächte Variante, die in Wangen weiter einjährige Berufsfachschulen und wie bisher die beiden TG-Klassen vorsieht. Bei allen drei Varianten, die der Landkreis aus zwei Modellen des Regierungspräsidiums für die hiesige Struktur weiterentwickelt hat, könnte, so heißt es in den Unterlagen, die gefährdete MaurerAusbildung im Landkreis bleiben.
Laut Kreis punktet die Variante „K2“vor allem, weil sie durch mehrzügige Ausbildungsgänge Kleinklassen und Unterrichtsausfall vermeide, Planungssicherheit schaffe sowie Kooperationen, Angebote für schwächere Jugendliche und „Identität“der jeweiligen Schulen erhalte. Größter Nachteil des Modells sei allerdings die geringe Wohnortnähe der Bildungsangebote.
„Das ist kein Sparkonzept“, betont Franz Baur. „Es geht bei der regionalen Schulentwicklung vielmehr darum, eine stabile Struktur an den Schulen und damit ein tragfähiges Fundament für die großen Aufgaben bei der Modernisierung und Instandhaltung zu schaffen.“Dies vor dem Hintergrund von prognostizierten, rückläufigen Schülerzahlen: „Aber auch wenn die Zahlen stabil bleiben sollten, haben wir Handlungsbedarf.“
Ist Wangen der „Verlierer“?
Ist der Standort Wangen der „Verlierer“beim Kreiskonzept zu den beruflichen Schulen, weil er auf dem Papier mehr Bereiche abgibt als er bekommt? Für Franz Baur stellt sich diese Frage so nicht. „Wangen hat sich zuletzt richtig angestrengt, das muss man anerkennen, aber die höhere Anzahl der Kleinklassen liegt ja nicht am fehlenden Engagement in Leutkirch, sondern auch an strukturellen Dingen“, so der Dezernent. Und: „Wir müssen den gesamten Landkreis betrachten und brauchen überall stabile Standorte.“Im übrigen würden durch das Modell „K2“die Schülerzahlen an den Standorten im Wesentlichen gleich bleiben.
Für eine rasche Entscheidung zu den beruflichen Schulen drückt der Landkreis jetzt aufs Gas. Wenn der Kreistag am 25. Januar einen entsprechenden Beschluss fasse, könne die neue Struktur bereits ab dem Schuljahr 2018/19 umgesetzt werden. Franz Baur: „Ansonsten entscheidet das Regierungspräsidium.“