Bei Not 110. Und ohne Not?
Darf man in der Einsatzzentrale anrufen, wenn keine akute Gefahr besteht? – Welche Regeln gelten und wann sogar Gefängnis droht
WALTENHOFEN - Das Fax kam ihm reichlich verdächtig vor. Nicht nur war es mit zahlreichen sprachlichen Fehlern gespickt. Nicht nur begann es mit der Bitte um Vertraulichkeit und „streng geheime“Behandlung. Auch, dass er sich als angeblicher Nachkomme eines wohl reichen Verstorbenen ausgeben sollte, ließ den Waltenhofener stutzen: Da geht wohl etwas nicht mit rechten Dingen zu. Er witterte Betrug. Dass weniger Misstrauische darauf hereinfallen, wollte der Rentner unbedingt verhindern. Doch wie nur?
Denn die 110 zu wählen, das kam dem 79-Jährigen nicht richtig vor. „Das ist doch kein Notfall.“Bei der Pressestelle der Polizei dagegen heißt es dazu: Die 110 kann man immer anrufen, wenn man die Polizei benötigt. Eilt ein Anliegen nicht, so empfiehlt Polizeisprecher Sven Hornfischer allerdings, sich an die zuständige Polizeistelle direkt zu wenden Denn unter 110 soll es vor allem um Notfälle gehen. Jedoch: Wer sich nicht sicher ist, kann auch ohne Eile dort anrufen. Er wird laut Hornfischer dann weitergeleitet.
Missbrauch ist strafbar
Die Frage, wann man die 110 wählen darf, ist durchaus wichtig. Denn der Missbrauch des Notrufs ist mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft. Wobei dafür Voraussetzung ist, dass jemand absichtlich oder bewusst ohne Anlass die 110 wählt. „Wir werden nie strafrechtlich einhaken, wenn ein Bürger glaubt, dass er die Polizei braucht. Selbst, wenn sich das als Irrtum herausstellt.“Das bedeutet: Im Zweifelsfall lieber den Notruf wählen als sich gar nicht zu melden.
Hin und wieder komme es jedoch auch in der Einsatzzentrale in Kempten vor, dass Bürger die 110 missbrauchen. „Der ein oder andere ruft regelmäßig einfach so den Notruf an – obwohl es keinen Anlass gibt“, sagt Hornfischer. Die Polizisten reichen das dann weiter an die Staatsanwaltschaft.
Dem Waltenhofener, der in dem Fax einen Betrugsversuch vermutet, empfiehlt die Polizei, sich direkt an eine Dienststelle zu wenden und dort Anzeige zu erstatten. Doch was, wenn die betroffenen Bürger nicht mehr mobil sind? Gerade für Menschen, die auf dem Land wohnen, ist der Weg zur Polizei oft weit. „Wer nicht selbst kommen kann, kann in Ausnahmefällen auf der Dienststelle anrufen – je nach Einsatzlage kommen dann Kollegen zu Hhause vorbei.“
Denn das Fax, das als Absender eine englische Anwaltskanzlei aufführt, bewerten auch die Beamten beispielsweise wegen der vielen Rechtschreibfehler als zweifelhaft. Und das, obwohl in dem Fax weder persönliche Daten noch eine Überweisung gefordert wird, wie es häufig als typisch bezeichnet wird.
Eine Recherche ergab, dass die angegebene Kanzlei zwar existiert. Dort weiß man von dem Schreiben an den Waltenhofener allerdings nichts. Allerdings ist das Problem den Mitarbeitern bekannt. Sie würden häufig als Absender für betrügerische Mails an deutsche Adressaten benutzt. Die britischen Behörden ermitteln bereits.