Harsche Kritik an Berufsschulplänen
Vor allem „Kahlschlag“beim Gewerbe sorgt am BSW Wangen für Unmut.
WANGEN - Gegen die Pläne des Landkreises zur Strukturreform seiner beruflichen Schulen regt sich Widerstand. Der Standort Wangen müsste demnach einen Großteil des Gewerbes abgeben und sieht sich deshalb bei der angestrebten Neuordnung des Ausbildungsangebots als „Verlierer“. Grundtenor der Kritik: Durch die geplanten Kompetenzzentren wird der Fachkräftemangel noch weiter verschärft.
Das von der Kreisverwaltung favorisierte Modell zur Konzentration von Ausbildungsangeboten sorgt am Beruflichen Schulzentrum Wangen (BSW) für mächtig Wirbel. Nach besagter Variante „K2“soll – verkürzt dargestellt – der Großteil des Gewerbes im Allgäu künftig an der Geschwister-Scholl-Schule in Leutkirch gebündelt werden. Dorthin soll auch ein Profil des Technischen Gymnasiums abwandern, damit in Leutkirch ein „Industrie 4.0Standort“entsteht. Im Gegenzug soll Wangen zum „Kompetenzzentrum
Milch und Agrarwirtschaft Allgäu“werden und entsprechende Ausbildungszweige, darunter das Agrarwissenschaftliche Gymnasium, von Leutkirch und Ravensburg erhalten. „Das sind aktuell 75 Schüler in acht Klassen, ein Sammelsurium aus Kleinklassen“, sagt BSW-Schulleiter Raimund Frühbauer. „Dieser Agrarbereich stärkt uns nicht.“
„Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“
Die Hauptkritik entzündet sich am Standort Wangen aber am geplanten „Kahlschlag“bei der gewerblichen Ausbildung. Dies vor dem Hintergrund, dass am BSW seit der Fusion von Kaufmännischer Schule und Friedrich-Schiedel-Schule im Jahr 2014 die Zahlen teilweise massiv stiegen: um 17 Prozent bei den Azubis im Gewerbe, sogar um 40 Prozent in der einjährigen Berufsfachschule. Auch Kleinklassen mit weniger als 16 Schülern habe man nicht mehr, übrigens als einziger Standort im Landkreis, wie Frühbauer anmerkt: „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, haben die geforderten Synergieeffekte zwischen kaufmännischen und technischen Bereich erzielt und die Fusion erfolgreich umgesetzt. Wir sind bereits ein stabiler Standort, weil wir den gewerblichen Bereich nachhaltig gestärkt haben.“
Würde nun ein Großteil des Gewerbes in Wangen wegbrechen, hätte das fatale Folgen für Schüler, Betriebe und die Wirtschaft allgemein, betont auch das BSW-Kollegium. Wegen der teilweise schwierigen Verkehrsanbindung müssten Jugendliche aus ländlichen Gebieten erheblich längere Anfahrtswege in Kauf nehmen, was vor allem schwächere Schüler überfordere. „Wenn man um fünf Uhr aufstehen muss, damit man um 7.30 Uhr an der Schule ist, dann wählt man den Beruf nicht nach seinen Stärken, sondern nach der Erreichbarkeit“, so die Lehrer. In letzter Konsequenz habe die fehlende Wohnortnähe auch wirtschaftliche Folgen. „Wir brauchen Kompetenzzentren für die Schüler und die Betriebe und nicht für die Standorte“, sagt Raimund Frühbauer. Und: „Wer das jetzige System abschafft, darf sich nie wieder über Fachkräftemangel beklagen.“
Der Kompromiss, den sich der Schulleiter vorstellen kann, bezieht sich auf eine Variante, mit der das Regierungspräsidium als zuständige Schulbehörde Kleinklassen vermeiden und an Standorten Schwerpunkte bilden will. Laut Frühbauer könnte Wangen die Metall-Ausbildung nach Leutkirch abgeben, im Gegenzug würde die KFZAusbildung in Wangen gebündelt werden. Wenn dazu beide Fachrichtungen des Technischen Gymnasiums in Wangen blieben, würden beide Standorte im Allgäu gestärkt werden und der Kreis hätte die nötige Investitionssicherheit. Dann würde sich Wangen bei den Plänen des Landkreises auch nicht, so Frühbauer, als der „Verlierer“fühlen.
Dass die Pläne des Landkreises für die beruflichen Schulen – vorausgesetzt der Kreistag stimmt am 25. Januar zu – überhaupt ab dem Schuljahr 2018/19 umgesetzt werden können, hält der BSW-Schulleiter aufgrund des engen Zeitplans eh für unrealistisch. Zudem habe bereits die erste Bekanntmachung des Konzepts für Unsicherheit gesorgt. „Wir wissen, dass sich in Betrieben, bei Eltern und in der Wirtschaft Widerstand formiert“, so Frühbauer. Er und sein Kollegium wollen deshalb bei der nächsten Kreistagssitzung am 19. Dezember in Waldburg Präsenz zeigen. Dort hat die Kreisverwaltung den Punkt „Regionale Schulentwicklung“noch kurzfristig auf die Tagesordnung gehoben.
„Wer das jetzige System abschafft, darf sich nie wieder über Fachkräftemangel beklagen.“BSW-Schulleiter Raimund Frühbauer