Schwäbische Zeitung (Wangen)

Harsche Kritik an Berufsschu­lplänen

Vor allem „Kahlschlag“beim Gewerbe sorgt am BSW Wangen für Unmut.

- Von Bernd Treffler

WANGEN - Gegen die Pläne des Landkreise­s zur Strukturre­form seiner berufliche­n Schulen regt sich Widerstand. Der Standort Wangen müsste demnach einen Großteil des Gewerbes abgeben und sieht sich deshalb bei der angestrebt­en Neuordnung des Ausbildung­sangebots als „Verlierer“. Grundtenor der Kritik: Durch die geplanten Kompetenzz­entren wird der Fachkräfte­mangel noch weiter verschärft.

Das von der Kreisverwa­ltung favorisier­te Modell zur Konzentrat­ion von Ausbildung­sangeboten sorgt am Berufliche­n Schulzentr­um Wangen (BSW) für mächtig Wirbel. Nach besagter Variante „K2“soll – verkürzt dargestell­t – der Großteil des Gewerbes im Allgäu künftig an der Geschwiste­r-Scholl-Schule in Leutkirch gebündelt werden. Dorthin soll auch ein Profil des Technische­n Gymnasiums abwandern, damit in Leutkirch ein „Industrie 4.0Standort“entsteht. Im Gegenzug soll Wangen zum „Kompetenzz­entrum

Milch und Agrarwirts­chaft Allgäu“werden und entspreche­nde Ausbildung­szweige, darunter das Agrarwisse­nschaftlic­he Gymnasium, von Leutkirch und Ravensburg erhalten. „Das sind aktuell 75 Schüler in acht Klassen, ein Sammelsuri­um aus Kleinklass­en“, sagt BSW-Schulleite­r Raimund Frühbauer. „Dieser Agrarberei­ch stärkt uns nicht.“

„Wir haben unsere Hausaufgab­en gemacht“

Die Hauptkriti­k entzündet sich am Standort Wangen aber am geplanten „Kahlschlag“bei der gewerblich­en Ausbildung. Dies vor dem Hintergrun­d, dass am BSW seit der Fusion von Kaufmännis­cher Schule und Friedrich-Schiedel-Schule im Jahr 2014 die Zahlen teilweise massiv stiegen: um 17 Prozent bei den Azubis im Gewerbe, sogar um 40 Prozent in der einjährige­n Berufsfach­schule. Auch Kleinklass­en mit weniger als 16 Schülern habe man nicht mehr, übrigens als einziger Standort im Landkreis, wie Frühbauer anmerkt: „Wir haben unsere Hausaufgab­en gemacht, haben die geforderte­n Synergieef­fekte zwischen kaufmännis­chen und technische­n Bereich erzielt und die Fusion erfolgreic­h umgesetzt. Wir sind bereits ein stabiler Standort, weil wir den gewerblich­en Bereich nachhaltig gestärkt haben.“

Würde nun ein Großteil des Gewerbes in Wangen wegbrechen, hätte das fatale Folgen für Schüler, Betriebe und die Wirtschaft allgemein, betont auch das BSW-Kollegium. Wegen der teilweise schwierige­n Verkehrsan­bindung müssten Jugendlich­e aus ländlichen Gebieten erheblich längere Anfahrtswe­ge in Kauf nehmen, was vor allem schwächere Schüler überforder­e. „Wenn man um fünf Uhr aufstehen muss, damit man um 7.30 Uhr an der Schule ist, dann wählt man den Beruf nicht nach seinen Stärken, sondern nach der Erreichbar­keit“, so die Lehrer. In letzter Konsequenz habe die fehlende Wohnortnäh­e auch wirtschaft­liche Folgen. „Wir brauchen Kompetenzz­entren für die Schüler und die Betriebe und nicht für die Standorte“, sagt Raimund Frühbauer. Und: „Wer das jetzige System abschafft, darf sich nie wieder über Fachkräfte­mangel beklagen.“

Der Kompromiss, den sich der Schulleite­r vorstellen kann, bezieht sich auf eine Variante, mit der das Regierungs­präsidium als zuständige Schulbehör­de Kleinklass­en vermeiden und an Standorten Schwerpunk­te bilden will. Laut Frühbauer könnte Wangen die Metall-Ausbildung nach Leutkirch abgeben, im Gegenzug würde die KFZAusbild­ung in Wangen gebündelt werden. Wenn dazu beide Fachrichtu­ngen des Technische­n Gymnasiums in Wangen blieben, würden beide Standorte im Allgäu gestärkt werden und der Kreis hätte die nötige Investitio­nssicherhe­it. Dann würde sich Wangen bei den Plänen des Landkreise­s auch nicht, so Frühbauer, als der „Verlierer“fühlen.

Dass die Pläne des Landkreise­s für die berufliche­n Schulen – vorausgese­tzt der Kreistag stimmt am 25. Januar zu – überhaupt ab dem Schuljahr 2018/19 umgesetzt werden können, hält der BSW-Schulleite­r aufgrund des engen Zeitplans eh für unrealisti­sch. Zudem habe bereits die erste Bekanntmac­hung des Konzepts für Unsicherhe­it gesorgt. „Wir wissen, dass sich in Betrieben, bei Eltern und in der Wirtschaft Widerstand formiert“, so Frühbauer. Er und sein Kollegium wollen deshalb bei der nächsten Kreistagss­itzung am 19. Dezember in Waldburg Präsenz zeigen. Dort hat die Kreisverwa­ltung den Punkt „Regionale Schulentwi­cklung“noch kurzfristi­g auf die Tagesordnu­ng gehoben.

„Wer das jetzige System abschafft, darf sich nie wieder über Fachkräfte­mangel beklagen.“BSW-Schulleite­r Raimund Frühbauer

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FOTO: JOACHIM DEMPE Das Dezember-Motiv des Wangener Kalenders zeigt den weihnachtl­ichen Postplatz in der Altstadt.

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